Kulturfloss-Kapitän Tino Krattiger plaudert aus dem Nähkästchen. Über Schatzkisten, aufreibende Kämpfe und sein Faible fürs Schöne.
Dass wir über Luxus reden.
Zeit. Nichts tun, sinnieren.
In meinem Falle stimmt es. Ich hetze so oft durchs Leben. Nur September und Oktober nehme ich frei, vereinbare keine Termine. Denn die machen mich fertig. Dann ziehe ich mich zurück und bin nicht fremdbestimmt. Das ist der Luxus, den ich mir jedes Jahr leiste.
Dort, oder ich bereise Italien. Und plötzlich habe ich Zeit, der Kopf wird frei, und es entsteht Raum für Kreativität. Diesen Zustand kurz vor der Langeweile brauche ich, um auf neue Ideen zu kommen.
Es regnet von allen Seiten Ansprüche, ich bin nur am Erfüllen grade. Parallel dazu stecken wir mitten in den Vorbereitungen für die Adventsgasse. Das ist viel Arbeit, ich habe das völlig unterschätzt.
Klar, ich bin ein unabhängiger Macher. Es ist schön, nicht von 9 bis 17 Uhr arbeiten zu müssen, ein- und auszustempeln. Mit der Freiheit, die mir Floss und Rheingasse bringen, kommen jedoch die Sachzwänge, Konflikte mit Anwohnern und Behörden.
Kann sein, zumindest, was das Floss betrifft. Das dauerte aber seine Zeit, wenn man bedenkt, dass es seit 18 Jahren anlegt, und was für Scherereien wir hatten. Heute finden es die Anwohner grossartig, wenn sie von ihrer Terrasse aus die Konzerte erleben können. Viele behaupten, sie hätten nie etwas gegen das Floss gehabt.
Nein. Konflikte entstehen, wenn man Ideen hat. Sie erzeugen Widerstand, und dann gibts Ärger. Weil ich bereit bin, dafür zu kämpfen. Das ist, wie wenn man ein Kind beim Spielen stört. Grausam.
Weil meine Arbeit hier Sinn stiftet, das Resultat greifbar ist. Besonders das Floss. Es abzugeben, kommt für mich nicht infrage. Deshalb: Nein, ich bin es nicht leid.
Derzeit nichts Ausgereiftes, nein.
Gut. Sieht man mal davon ab, dass uns eine Gewitterfront an der Premiere fast das Segel zerfetzt hat. Um das Ganze drumherum mache ich mir keine Sorgen mehr. Die Abläufe sind eingespielt, das Publikum ist dank des Lineups gut durchmischt.
Es hätte schlimm werden können. In beiden Fällen.
Der Fahrtenschreiber Christian Platz war das. Er ist eine Drama Queen... Okay, ich auch.
Uns fehlten 120 000 Franken bei einem Budget von 460 000 Franken; ein Sponsor ist von Bord gegangen. Eine niederschmetternde Erfahrung, weil lange keine Hilfe kam. In dieser Stadt meinen alle, das Floss sei ein Selbstläufer. Ist es nicht!
Das kommuniziere ich nicht. Wichtig ist, dass das Floss weiter anlegen kann. Schon heute bereitet mir die Sponsorensuche für 2018 Bauchschmerzen. In dieser Branche gibt es keine Verträge mehr, erst recht nicht über mehrere Jahre. Es ist ein Kampf, jedes Mal aufs Neue.
Nö, gar nicht.
Troubas Kater sind grosse Klasse. Zudem bin ich gespannt darauf, wie Edoardo Bennato ankommt. Und ich geniesse es, mich während der Konzerte unter all die glücklichen Menschen zu mischen. Keiner weiss da, wer ich bin, aber ich weiss, dass ich etwas bewegt habe. Da klopfe ich mir manchmal gerne selber auf die Schulter.
Die ältere Generation zeigt sich sicher grosszügiger, steht solidarisch für die jüngere ein. Das ist schön. Im Schnitt zahlt jeder Besucher zwei Franken pro Konzert.
Es gibt immer noch viele, die gar nichts zahlen. Es kommt auf die Acts an. Eine altgediente Band zieht ältere Menschen an, die sind grosszügiger. Bei Hip-Hop-Acts nehmen wir nichts ein, müssen danach dafür stundenlang putzen.
Doch. Der Mischung zuliebe.
20 Franken. Das wär’s mir allemal wert.
Ja.
Ich lege viel Wert auf Schönheit und Ästhetik. Das hat wohl damit zu tun, dass ich Architekt bin. Wenn ich ein Haus umbaue, kommen nur beste Materialien zum Zuge.
Alles. Möbel, Häuser, Autos, Motorräder, Uhren. Das Schöne erfüllt mich. Bereits als Bub hatte ich eine Schatzkiste voller einzigartiger Dinge. Ich sammelte etwa schöne Steine. Die putzte und pflegte ich den ganzen Tag. Das ist auch heute noch so: Ich hasse es, wenn mir jemand etwas kaputt macht oder ein Chaos hinterlässt. Das macht mich wahnsinnig.
Nein, eher eine arme Sau. Ich musste schon als 10-Jähriger für die Familie kochen, putzen und einkaufen, weil alle so faul waren und auf ihrem Selbstverwirklichungstrip. Da habe ich gelernt, durchzuhalten und dranzubleiben. Das kommt mir heute zugute.