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Das Buch «Alles bleibt anders» würdigt die Schauspielerin und Musikerin Christine Lauterburg. Der Baselbieter Autor Robert Bösiger hat dafür eine spannende Form gefunden.
Wie wird ein Autor dem Leben eines Menschen gerecht? Wie bringt er die Summe einer Existenz zwischen zwei Buchdeckel? Es gibt das leichtfüssige Porträt, die tief schürfende Biografie oder den ausschweifenden Lebensroman. Der Baselbieter Autor und Medienschaffende Robert Bösiger präsentiert in seinem neusten Buch eine Alternative.
Sein Sujet: die Berner Schauspielerin, Musikerin und Jodlerin Christine Lauterburg. Seine Form: Er inszeniert Begegnungen mit der Künstlerin. 25 Menschen, die im Leben der heute 62-Jährigen wichtig waren, treffen sie zum Kaffee oder zu einem Glas Wein. Gemeinsam blicken sie zurück, plaudern, erinnern sich. Bösiger und der Basler Fotograf Christian Roth sitzen dabei.
Dieses Konzept ist natürlich abhängig davon, wie interessant und spannend die aufgesuchten Personen sind. Im Fall von Christine Lauterburg geht der Plan auf.
Sie wird nicht zu Unrecht als Paradiesvogel der Schweizer Kulturszene bezeichnet. Wer ihr schon begegnet ist, weiss: Christine Lauterburg ist eine eigenwillige, zuweilen ausufernde Persönlichkeit. Immer charmant, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Der Zugang zur Kreativität begann schon zu Hause in Bern. Die Eltern waren Grafiker, im Haus wohnte eine Malerin, die Kulturszene der Stadt ging ein und aus, Mani Matter war ein Freund der Familie.
Erst kam der Geigenunterricht, die Ausbildung als Lehrerin, dann die Schauspielschule. Die unruhigen Achtziger standen an und Lauterburg wurde zur Protagonistin gewichtiger Filme aus dieser Zeit: «E Nacht lang Füürland» und «Der Ruf der Sibylla» von Clemens Klopfenstein, «Akropolis Now» von Hans Liechti oder «Restlessness» von Thomas Imbach.
Am Ende dieses bewegten Jahrzehnts wendet Lauterburg sich ganz der Musik zu und wird bald landesweit bekannt. 1994 produziert sie mit Cyrill Schläpfer «Echo der Zeit» und vermischt Volksmusik und Jodeln mit Techno. Der konservative Jodlerverband steht Kopf, zumal sich die rothaarige Bernerin auch noch um die Kleidervorschriften beim Jodeln foutiert.
Der Rest ihrer Karriere ist ein Stück Schweizer Musikgeschichte. Mit Formationen wie «Doppelbock», «eCHo» oder «Aërope» liefert die Musikerin einen gewichtigen Beitrag zur Neuentdeckung der Schweizer Volksmusik. Und sie ist immer noch auf Tour mit ihren Spielleuten und Mitmusikerinnen. Nur das Kiffen habe sie aufgegeben, sagt sie im Gespräch mit Tochter Piroska Marffy.
Das vom Autor Bösiger begleitete Treffen mit ihrer Tochter ist einer der Texte im Buch, der nahe an die Privatperson heranzoomt. Diese Nähe bieten auch andere Begegnungen: etwa diejenige mit ihrem ersten Ehemann, dem Schauspieler Max Rüdlinger. Oder der Besuch bei ihren Noch-Ehemann Zsolt Marffy, von dem sie jedoch seit 20 Jahren getrennt lebt.
Die Gespräche mit Weggefährten wie Cyrill Schläpfer, Hank Shizzoe, Michael von der Heide oder Dide Marfurt beleuchten ihren Werdegang als Musikerin. Beim Essen im Haus von Gardi Hutter im Tessin geht es um die Frauen im Theaterbetrieb und egomanische Regisseure. Die Ex-Bundesräte Adolf Ogi und Moritz Leuenberger erzählen, was sie an der quirligen Sängerin fasziniert. Der Autor Hansjörg Schneider erklärt, warum er Lauterburg für eine wichtige Frau in der Schweizer Kulturszene hält, und Peter Bichsel, der mit Lauterburg einst nach einer Lesung gejodelt hat, outet sich als Fan ihrer Musik.
In jedem der Gespräche taucht der Leser in den Mini-Kosmos einer Beziehung, eines Zeitabschnitts, eines Themas ein. Und so wird dieses Buch zu einem veritablen Kaleidoskop der Kulturszene aus Lauterburgs Generation. Ein Buch, das nicht nur ihre Biografie aus unterschiedlichster Perspektive beleuchtet, sondern auch ein Stück Schweizer Kulturgeschichte. Ergänzt werden die Reportagen durch biografische Daten, einen Spaziergang in Bern und weitere Stimmen zur Sängerin.
«Alles bleibt anders» Robert Bösiger/Christian Roth. 336 Seiten. Werd-Verlag.