Urteil gefällt
Wegen Mord am Gemeindepräsidenten von Metzerlen: Serbe und Holländer müssen lange Jahre hinter Gitter

2010 wurde der damalige Gemeindepräsident von Metzerlen in seinem Haus überfallen. Nun müssen die beiden Hauptangeklagten, ein 44-jähriger Serbe und ein 41-jähriger Holländer, wegen Mordes ins Gefängnis. «Die beiden liessen den Mann qualvoll alleine zurück», sagte die Gerichtspräsidentin in der Urteilsbegründung.

Dimitri Hofer und Hans-Martin Jermann
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Die Spurensicherung spielt bei der Bewertung des Falls eine tragende Rolle.

Die Spurensicherung spielt bei der Bewertung des Falls eine tragende Rolle.

Symbolbild: Stock&people / Imago

Darum ging es im Prozess:

  1. Ein 44-jähriger Serbe und ein 41-jähriger Holländer sind am Montagmorgen vom Amtsgericht Dorneck-Thierstein wegen Mordes und versuchten bandenmässigen Raubes zu 19 Jahren respektive 17 Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die beiden am 14. März 2010 ins solothurnische Leimental fuhren und dort den damaligen Gemeindepräsidenten von Metzerlen überfielen. Laut Tipp soll sich im Tresor seines Hauses Bargeld in Millionenhöhe befunden haben. Tatsächlich erbeuteten die beiden letztlich bloss einen Haus- sowie einen Fahrzeugschlüssel.
  2. Der damals 71-jährige Gemeindepräsident erlitt beim Überfall durch zahlreiche Schläge mit Gegenständen schwere Kopfverletzungen. Er starb vier Monate nach dem Überfall an den Folgen.
  3. Die beiden Hauptangeklagten sind neben dem Mord auch in Nebenpunkten verurteilt worden. Der 44-jährige Serbe für einen bewaffneten Raubüberfall auf ein Uhrengeschäft in Wettingen im Februar 2010, der 41-jährige Holländer für den Einbruch in ein Schmuckgeschäft in Spreitenbach im Juni 2010.
  4. Die Untersuchungen zogen sich über Jahre in die Länge. Ebenfalls wurde der Prozess verschoben. Der Prozess fand an einem geheimen Ort statt. Nur so könne die Sicherheit aller Beteiligten garantiert werden, heisst es seitens des zuständigen Amtsgerichts Dorneck-Thierstein. Die beiden Hauptangeklagten sollen Verbindungen zu einem internationalen kriminellen Netzwerk haben. Es handelt sich um das aufwendigste Verfahren in der Geschichte des Amtsgerichts.

Montag, 28. Juni, der Morgen: Das Urteil

Das Amtsgericht verkündet im aufsehenerregenden Prozess das Urteil: Die beiden Hauptangeklagten, ein 44-jähriger Serbe und ein 41-jähriger Holländer, werden im Fall Metzerlen des Mordes und des versuchten bandenmässigen Raubs für schuldig befunden und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt: 19 Jahre sind es im Fall des 44-jährigen Serben, 17 Jahre und acht Monate für den 41-jährigen Holländer. Neben dem tödlichen Überfall auf den Gemeindepräsidenten in Metzerlen im März 2010 wird auch ein Raubüberfall auf eine Bijouterie in Wettingen sowie ein Einbruch in ein Schmuckgeschäft in Spreitenbach (beide im selben Jahr) verhandelt. Neben den beiden Hauptangeklagten müssen sich zwei weitere Männer, die zum selben Netzwerk gehören, vor Gericht verantworten. So sehen die Urteile des Gerichts im Detail aus:

Zum tödlichen Überfall auf den Gemeindepräsidenten von Metzerlen

Gerichtspräsidentin Georgia Marcionelli Gysin spricht von grossem Egoismus, Skrupellosigkeit und Gefühlskälte, den die beiden Hauptangeklagten beim Überfall in Metzerlen an den Tag legten. Die beiden hätten eine gewalttätige Auseinandersetzung mit dem Opfer eingeplant, dies zeige unter anderem das mitgeführte Material. Der 71-jährige Mann sei den jungen, körperlich fitten Tätern unterlegen und wehrlos ausgesetzt gewesen. Nachdem sie ihn gefesselt hatten, schlugen die beiden Täter mehrere Male mit einem Gegenstand auf den Kopf des Mannes ein. Marcionelli Gysin konstatiert:

«Sie haben das Opfer qualvoll alleine gelassen. Es war den Tätern schlicht und einfach egal, was mit ihm passiert.»

Ja, die beiden Täter erschwerten auch die Hilfe, indem sie das Haus abgeschlossen und den Hausschlüssel mitgenommen hatten. Auch wenn das Opfer Monate nach der Tat im Spital verstarb, ist laut Gericht der Tod ursächlich auf die Verletzungen durch den Überfall zurückzuführen: Der Metzerler Gemeindepräsident erlitt dabei schwere Hirnschäden und musste im Spital über längere Zeit beatmet werden. Als Komplikation resultierte eine Lungenentzündung, an welcher er schliesslich starb. Die zugefügten Verletzungen seien geeignet gewesen, um den Tod herbeizuführen oder diesen zumindest zu begünstigen, sagt die Gerichtspräsidentin.

Der Tatort: Dass die beiden Räuber im März 2010 dieses Haus in Metzerlen aufsuchten, bewies unter anderem ein Schal eines Täters.

Der Tatort: Dass die beiden Räuber im März 2010 dieses Haus in Metzerlen aufsuchten, bewies unter anderem ein Schal eines Täters.

Nicole Nars-Zimmer

Als Beweis für die Anwesenheit des 44-jährigen Serben im Haus in Metzerlen dienten DNA-Spuren am Schal, der am Tatort zurückgelassen wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Spuren vom Haupttäter stammen, sei milliardenfach höher als jene, dass das nicht so sei, sagt die Gerichtspräsidentin mit Verweis auf die Untersuchungen der Rechtsmedizin. Die Behauptung des Täters, der Schal sei ihm in einem Club in Zürich gestohlen worden, sei aus verschiedenen Gründen nicht glaubhaft.

Ebenfalls als unglaubwürdig taxiert das Gericht das Alibi des 41-jährigen Holländers für die Tatzeit: Dieser behauptete, im März 2010 wegen Nierenproblemen in einem Spital in Serbien behandelt worden zu sein. Den von ihm vorgelegten Austrittsbericht beurteilt das Gericht nach Befragungen als Fälschung: Unter der erwähnten Patientennummer war eine andere, weibliche Person registriert. Entsprechende Krankenkassen-Abrechnungen lagen keine vor. Und der verantwortliche Chefarzt sagte, die Unterschrift unter dem Austrittsbericht sei nicht seine. «Der Mann wurde im besagten Spital nicht behandelt», fasst die Gerichtspräsidentin zusammen. Das gefälschte Dokument bringt ihm eine zusätzliche Verurteilung wegen Urkundenfälschung ein.

Zu weiteren Delikten der beiden Hauptangeklagten

Die beiden Haupttäter sind vom Amtsgericht wegen weiterer Delikte verurteilt worden: Der 44-jährige Serbe wegen bandenmässigen Raubs, einem bewaffneten Überfall auf eine Bijouterie im Februar 2010 in Wettingen (AG). Dem 41-jährigen Holländer konnte eine Beteiligung an diesem Delikt indes nicht nachgewiesen werden. Es habe nachweislich einen Zweit- und Dritttäter gegeben, betont die Gerichtspräsidentin. «Ob er dabei war, bleibt allerdings unklar.» Allerdings verurteilt das Gericht Letzteren wegen bandenmässigen Diebstahls, dies wegen eines Einbruchs im Juni 2010 in ein Schmuck- und Uhrengeschäft in Spreitenbach (AG).

Und das sind die Strafen für die zwei Nebenangeklagten

Das Gericht verurteilt zwei Nebenangeklagte, die die beiden Hauptangeklagten kennen und teilweise mit diesen Delikten verübten. Ein heute 67-jähriger Serbe, der als Drahtzieher des Überfalls auf den Gemeindepräsidenten von Metzerlen angesehen wird, wird wegen versuchten bandenmässigen Raubs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Er erhielt den Tipp, wonach sich im Haus in Metzerlen Bargeld in Millionenhöhe befinde. Er nahm aber nicht am Überfall teil. Auch hat er sich gemäss einem Zeugen sehr geärgert darüber, dass der Überfall in Metzerlen eskalierte.

Zu 16 Monaten bedingt verurteilt das Gericht einen 45-jährigen kroatischen Staatsbürger, der zusammen mit dem Holländer in das Schmuckgeschäft in Spreitenbach einbrach und zudem für einen weiteren Einbruch in einen Denner-Laden in Füllinsdorf im März 2009 verantwortlich gemacht wird. Auch hielt sich der Mann längere Zeit ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz auf und war hier erwerbstätig, was ihm eine Verurteilung wegen Zuwiderhandlung gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz einbrachte. Insgesamt festigte sich vor Gericht das Bild einer gut organisierten und weitherum vernetzten Bande, die wiederholt und in unterschiedlichen personellen Konstellationen delinquiert.

Genugtuung für die Witwe des getöteten Gemeindepräsidenten

Das Gericht spricht der Frau des getöteten Gemeindepräsidenten von Metzerlen als Privatklägerin eine Genugtuungssumme von 35'000 Franken (zuzüglich Zinsen) zu, die von den Tätern bezahlt werden muss. Sie hatte nach dem Überfall Monate mit Ängsten und Ungewissheit zu kämpfen. «Und auch elf Jahre später leidet die Frau immer noch an einem Trauma», betont Gerichtspräsidentin Marcionelli Gysin. Eine geringere Genugtuungssumme erhält zudem eine junge Angestellte des Uhrengeschäfts in Wettingen, die nach dem Überfall unter Panikattacken litt.

Der Fernsehsender TeleM1 hat mit dem Anwalt des einen Angeklagten und der Solothurner Staatsanwaltschaft geredet.

TeleM1

Mittwoch, 2. Juni, der Nachmittag: Der Angeklagte redet

Zu Beginn des Nachmittags widmet sich Anwalt Daniel Helfenfinger dem bandenmässigen Raub in Wettingen. Am 3. Februar 2010 sollen der Serbe und der Holländer, denen auch der Mord an Ivo Borer zur Last gelegt wird, in der aargauischen Gemeinde ein Uhrengeschäft ausgeraubt haben.

Auch bei der Tat in Wettingen wurden die beiden Beschuldigten vom Kronzeugen mit serbischem Nachnamen, der sich in einem Zeugenschutzprogramm befindet, stark belastet. Um diesen Zeugen entbrannte in den vergangenen Tagen eine Kontroverse: Die Anwälte der zwei Hauptbeschuldigten sowie der weiteren Angeklagten stellten allesamt die Glaubwürdigkeit des Mannes in Frage. Dem schliesst sich auch Daniel Helfenfinger an, der den Serben vor Gericht vertritt. Wie die anderen Verteidiger verlangt er, die Aussagen des Zeugen nicht zu verwenden. Letztlich plädiert auch er für seinen Klienten in sämtlichen Anklagepunkten auf einen Freispruch.

Auf die Ausführungen der Anwälte der beiden Beschuldigten rekurriert Staatsanwalt Raphael Stüdi nur kurz und äussert sich zu vielen Punkten nicht. Seine wahrscheinlich wichtigste Aussage: Die «Drecksarbeit» habe im Mordfall Metzerlen der Serbe machen müssen, weshalb seine DNA-Spuren vor Ort gefunden wurden. Der Holländer hinterliess im umgebauten Bauernhaus im solothurnischen Leimental keine Spuren.

«Auf den Raub in Mulhouse bin ich nicht stolz»

Als Gerichtspräsidentin Georgia Marcionelli Gysin anschliessend die beiden Beschuldigten um letzte Worte bittet, ist nicht davon auszugehen, dass sie die Möglichkeit in Anspruch nehmen. Bei der Befragung am Montag verweigerten sie die Aussage und sagten nichts zu den verschiedenen Taten, die ihnen vorgeworfen werden.

Der 41-jährige Holländer schweigt auch dieses Mal. Zum Erstaunen der Anwesenden redet der 44-jährige Serbe jedoch. Mit tiefer Stimme sagt er einige Sätze auf Serbisch, die von der Dolmetscherin übersetzt werden:

«Auf den Raub in Mulhouse, für den ich verurteilt wurde, bin ich nicht stolz. Mit den anderen Taten, die mit zur Last gelegt werden, habe ich nichts zu tun. Sonst würde ich es zugeben.»

Dies schliesse auch einen Mord am ehemaligen Gemeindepräsidenten von Metzerlen mit ein. Er äussert sich auch kurz zu seiner persönlichen Situation: «Ich habe meine Tochter seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen.» Im Mai 2010 war er nach auf einem Raubüberfall auf eine Bijouterie in Mulhouse verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Seither sass er immer wieder in Untersuchungshaft.

Mit den Worten des Serben endet die Hauptverhandlung. Das Urteil wird am 14. Juni verkündet. Für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Mittwoch, 2. Juni, der Vormittag: Anwalt äussert Kritik

Der Anwalt des angeklagten Holländers forderte gestern für seinen Mandanten einen Freispruch. Wird dies der Verteidiger, welcher den Serben vertritt, auch tun? Daniel Helfenfinger hält heute Vormittag sein Plädoyer – und kritisiert darin die Arbeit der Verfolgungsbehörden stark. Es sei bei der umfangreichen Untersuchung zu zahlreichen Verfahrensfehlern gekommen.

Die Solothurner Staatsanwaltschaft habe keinerlei Anstrengungen unternommen, um entlastende Beweise für seinen Mandanten zu finden. Dies sei eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes.

«Man hat Tausende Mannstunden investiert. Es wurden verdeckte Ermittler eingesetzt, Telefone überwacht, Häuser durchsucht. Nach all dieser Arbeit darf es nicht zu einem Freispruch für die Beschuldigten kommen. Das ist die Taktik der Staatsanwaltschaft.»

Auch Helfenfinger stellt die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen im Mordfall Metzerlen in Frage. Der Mann mit serbischem Nachnamen befindet sich in einem Zeugenschutzprogramm und identifizierte die beiden Beschuldigten als Täter von Metzerlen. «Es handelt sich beim Zeugen um einen Kriminellen und einen Opportunisten.» Ihm drohe wegen verschiedener Vergehen eine Ausschaffung aus der Schweiz, die er wohl dank seiner Aussagen nun umgehen könne. Der Zeuge erkaufe sich Privilegien.

Eine Mitgliedschaft seines Mandanten bei den weltweit tätigen Juwelenräubern Pink Panthers sei nicht erhärtet worden – trotz enormen Aufwands. «Der Fall Metzerlen passt auch überhaupt nicht ins Schema der Pink Panthers. Das ist völlig atypisch.» Bei deren minutiös durchgeführten Einbrüchen gehe es nie darum, Menschen zu töten. Staatsanwalt Raphael Stüdi hatte gestern die Beschuldigten als Pink Panthers bezeichnet.

War der Serbe im Mordfall Metzerlen nur ein Bauernopfer?

Als Beweis für eine Täterschaft legte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer einen Schal mit DNA-Spuren des Serben vor, der am Tatort in Metzerlen gefunden wurde. «Die Lage des Schals im Haus hat sich auf den Fotos mindestens dreimal verändert», sagt Daniel Helfenfinger. «Dass der Schal meinem Mandanten gestohlen und dort hingelegt wurde, um den Verdacht auf ihn zu legen, hat die Staatsanwaltschaft nicht in Betracht gezogen.» Der Schal sei dem Serben vor der Tat bei einem Nachtclubbesuch zusammen mit seinem Pass gestohlen worden.

Der Anwalt hatte bereits am Montag zu Beginn der Verhandlungen den Antrag gestellt, den Schal nicht als Beweismittel zuzulassen. Der Antrag wurde von Gerichtspräsidentin Georgia Marcionelli Gysin abgewiesen. «Neben dem Schal ist auch auf bloss einem einzigen Kabelbinder eine DNA-Spur des 44-jährigen Serben gefunden worden. Wieso nur an einer einzigen Stelle auf einem Kabelbinder?», fragt Helfenfinger. Auch der Kabelbinder sei auf den Fotos mehrmals umplatziert worden.

«Es drängt sich die Frage auf, ob der Tatort manipuliert wurde und mein Mandant ein Bauernopfer ist?»

Noch vor dem Eintreffen der Polizei seien drei Bekannte des Opfers im Haus gewesen, denen der Schal nicht aufgefallen sei. Dasselbe gelte für einige Rettungssanitäter. «Als alle durch waren, fand man den schwarzen Schal.» Es sei zudem Ausdruck von schlechter Ermittlungsarbeit, dass der Schal nach dem Fund während dreier Tage bei der Ehefrau des Opfers gelassen wurde.

Anwalt des Serben kritisiert die behandelnden Ärzte von Ivo Borer

Die Krankenakte von Ivo Borer sei von der Solothurner Staatsanwaltschaft bei ihren Untersuchungen wenig berücksichtigt worden. «Der Gesundheitszustand des Opfers hat sich nach der Einlieferung ins Spital kontinuierlich gebessert», so Verteidiger Daniel Helfenfinger. Gestorben sei der damalige Gemeindepräsident von Metzerlen letztlich an einer Lungenentzündung. Von der Familie Borer sei auf eine Behandlung mit Antibiotika, die ihm das Leben hätte retten können, verzichtet worden.

Den behandelnden Ärzten wirft Helfenfinger eine Missachtung der Sorgfaltspflicht vor. Das Fehlverhalten der Ärzte habe beim Opfer zu einem Hydrocephalus, einer Erweiterung der mit Gehirnwassers gefüllten Flüssigkeitsräume des Gehirns, geführt.

Zum Abschluss kommt der Anwalt auf den Tatbestand des Mordes im Fall Metzerlen zu sprechen: «Zu keinem Zeitpunkt der Tat bestand der Wille zur Tötung von Ivo Borer. Nur aufgrund des grossen Verteidigungswillens des Opfers hat der eine Täter zu Gewalt gegriffen.» Der Täter habe dabei jedoch nicht ahnen können, dass acht Schläge gegen den Kopf tödlich verlaufen würden. Es habe kein Vorsatz zu Mord bestanden.

Den bandenmässigen Raub in einem Wettinger Uhrengeschäft vom Februar 2010, für den der Serbe ebenfalls angeklagt ist, wird Daniel Helfenfinger am Nachmittag behandeln. Die Verhandlungen gehen in die Mittagspause.

Dienstag, 1. Juni, der Nachmittag: Lange Haft gefordert

Mit dem Mordfall Metzerlen, den er am Vormittag ausführlich behandelt hat, sind die Ausführungen von Staatsanwalt Raphael Stüdi noch längst nicht zu Ende. Den beiden Beschuldigten werden mehrere weitere Taten vorgeworfen, um die es am Dienstagnachmittag gehen wird.

Als Erstes spricht Stüdi über den Raubüberfall auf ein Uhrengeschäft in Wettingen im Februar 2010 – rund einem Monat vor der Tat in Metzerlen. Beide Beschuldigte hätten nach diesem Raub über liquide Mittel verfügt, was für die beiden eher ungewöhnlich war. Am Inhaber des Geschäftes im Aargau seien DNA-Spuren des 44-jährigen Serben gefunden worden. Dasselbe gilt für Kabelbinder, die in Wettingen verwendet wurden. «Beide Täter waren bewaffnet. Das passt zum bekannten Modus Operandi der beiden.» Hier laute die Anklage für beide auf bandenmässigen Raub.

Ein Einbruch in eine Bijouterie im Spreitenbacher Einkaufszentrum Tivoli wird nur dem 41-jährigen Holländer zur Last gelegt: Ende Juni 2010 soll er gemeinsam mit einem Mittäter in der Nacht ins Geschäft eingestiegen sein und Schmuck wie Fingerringe, Anhänger, Colliers, Ohrringe und Uhren im Wert von rund 160'000 Franken gestohlen haben. Beim Mittäter von Spreitenbach handle es sich um einen 45-jährigen Kroaten. Dieser wurde gestern von Gerichtspräsidentin Georgia Marcionelli Gysin vernommen und bestritt eine Beteiligung am Diebstahl.

Der Auftraggeber soll für 13 Jahre hinter Gitter

In der Anklageschrift heisst es, der Kroate sei für den Einbruch rekrutiert worden, weil kurz zuvor im Mai 2010 nach einem Raubüberfall in Mulhouse zwei andere Männer verhaftet wurden, und nicht mehr zur Verfügung standen: Den französischen Behörden gingen damals der Auftraggeber von Metzerlen sowie der Serbe, dem zur Last gelegt wird, Ivo Borer getötet zu haben, ins Netz. Der Holländer sei deshalb gezwungen gewesen, für den Einbruch in Spreitenbach «andere Bandenmitglieder einzuspannen».

Im Anschluss an die Worte des Staatsanwalts verliest eine Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft das geforderte Strafmass für die beiden Beschuldigten im Mordfall Metzerlen. Für die Taten in Schwarzbubenland sowie für weitere Delikte fordert die Solothurner Staatsanwaltschaft für den 44-jährigen Serben und den 41-jährigen Holländer jeweils eine Gefängnisstrafe von 20 Jahren. Für den Auftraggeber der beiden, ein 67-jähriger Serbe, werden 13 Jahre und zwei Monate gefordert.

Der 45-jährige Kroate, der beim Einbruch in Spreitenbach beteiligt gewesen sein soll, und der auch wegen mehrfachen rechtswidrigen Aufenthalts und mehrfacher Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung in der Schweiz angeklagt ist, fordert die Staatsanwaltschaft eine bedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten sowie eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Franken bei einer Probezeit von vier Jahren.

Nun reden die Verteidiger der Angeklagten

Nach der Staatsanwaltschaft folgen die Plädoyers der amtlichen Anwälte der Beschuldigten. Zuerst spricht Thomas Fingerhuth, der den 41-jährigen Holländer vertritt. Er kritisiert ein verwendetes Rechtsgutachten zum Tatort in Metzerlen und weist darauf hin, dass dort an den Kabelbindern keine DNA-Spuren seines Mandanten gefunden wurden.

«Wäre er an der Tat beteiligt gewesen, müsste man am Tatort auch seine Spuren finden.»

Anwalt Fingerhuth bringt nun den Kronzeugen ins Spiel, der gestern über Videoschaltung die beiden Beschuldigten als Täter identifizierte. Dessen Aussagen «seien aus formellen und materiellen Gründen nicht verwertbar». Der Zeuge habe mit Verweis auf seine Sicherheit kaum persönliche Angaben gemacht und erhoffe sich durch seine Aussagen Vorteile. Zusammengefasst handle es sich bei ihm um eine «höchst unglaubwürdige Person».

Komme noch hinzu: «Meinen Mandanten hat der Zeuge lediglich mit Vornamen genannt.» Es wäre ein Skandal, wenn der Holländer lediglich aufgrund der Aussagen dieses Zeugen, welcher wiederum nur vom Hörensagen von der Tat wusste, verurteilt würde. Thomas Fingerhuth fordert für seinen Mandanten einen Freispruch und eine Genugtuung von 200 Franken pro Tag Haft.

Kronzeuge wolle von Vorteilen des Zeugenschutzprogramms profitieren

Auch Christoph Balmer, Verteidiger des 45-jährigen Kroaten, äussert Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen. Dieser habe erklärt, er sei «fast sicher», dass sein Mandant das Fluchtauto beim Diebstahl auf die Bijouterie in Spreitenbach gefahren habe. Im Fahrzeug seien jedoch keinerlei DNA-Spuren von ihm gefunden worden. Auch sonst seien die Aussagen des Zeugen nicht verwertbar, weshalb er ebenfalls einen Freispruch fordert.

Ins gleiche Horn stösst Alex Hediger, Anwalt des 67-jährigen Serben, der als Auftraggeber und Komplize des Überfalls auf Ivo Borer angeklagt ist.

«Die Anklage der Staatsanwaltschaft basiert einzig auf den Aussagen eines Zeugen. Mehr haben wir nicht.»

Der Zeuge handle aus Eigennutz, zeigt sich Hediger überzeugt: «In einem Zeugenschutzprogramm erhält man massive monetäre Vorteile. Das ist wie eine lebenslängliche Rente.» Die Solothurner Staatsanwaltschaft habe insgesamt in diesem Verfahren sehr viel spekuliert und sehr wenig bewiesen. Die Pink Panthers würden Einbrüche auf Bijouterien durchführen. Deshalb sei es völlig abwegig, dass sie an einem Sonntagmorgen ins beschauliche Metzerlen fahren würden. «In Metzerlen waren Amateure am Werk, keine Profis.» Auch er fordert für seinen Mandanten einen Freispruch.

Der vierte Anwalt, der den serbischen Beschuldigten im Mordfall Metzerlen vertritt, wird erst morgen Vormittag sein Plädoyer halten. Die Verhandlungen sind damit für heute beendet.

Dienstag, 1. Juni, der Vormittag: DNA-Spuren gefunden

Ohne jegliche Aussagen der beiden Angeklagten endete gestern das Beweisverfahren im Prozess zum Mordfall Metzerlen. Heute halten der fallführende Staatsanwalt Raphael Stüdi und die amtlichen Anwälte der Beschuldigten ihre Plädoyers. Beginnen wird der Staatsanwalt, der Beweise gegen die Beschuldigten vorlegen will. Seine Ausführungen sollen äusserst ausführlich sein und rund fünf Stunden lang dauern.

Für die Strafverfolgungsbehörden sei der Mordfall eine Herausforderung gewesen, sagt Staatsanwalt Stüdi einleitend. Es habe sich um einen der grössten Fälle gehandelt, mit dem man bisher zu tun hatte. «Nach der Tat ermittelten wir zuerst in alle Richtungen: Es war schnell war, dass der Gemeindepräsident nicht nur Freunde im Dorf hatte. Die Güterzusammenlegung sorgte für Misstöne.» Schon kurz nach der Tat habe die Polizei einen anonymen Anruf erhalten, bei dem der Anrufer sagte, dass die Täter im Umfeld des berüchtigten Juwelendiebesbandes Pink Panthers zu suchen seien.

Nun legt der Staatsanwalt Beweise vor:

«Spuren des 44-jährigen Serben sind auf einem Schal nachgewiesen worden, den die Ehefrau von Ivo Borer im Haus in Metzerlen gefunden hat. Am Schal finden sich auch Spuren des Gemeindepräsidenten.»

Es sei davon auszugehen, dass der Schal während der Tat getragen wurde und am Tatort vergessen wurde. Auch an einem Kabelbinder, der in Metzerlen verwendet wurde, seien die DNA-Spuren des Serben gefunden worden. Bei einem späteren Raub in Mulhouse, für den der Angeklagte in Frankreich bereits verurteilt wurde, seien die identischen Kabelbinder benutzt worden. Dieser Typ Kabelbinder sei nicht sehr gebräuchlich.

Raphael Stüdi kommt auch auf den Zeugen zu sprechen, der am Montag über Videoschaltung befragt wurde. Dieser hatte sich bei den Strafverfolgungsbehörden gemeldet, da er über brisante Informationen verfüge. Wie zuvor identifizierte er auch gestern die beiden Beschuldigten als die beiden Täter von Metzerlen. Zusammenfassend lasse sich zum Serben sagen: «Er ist einwandfrei als Täter überführt. Damit ist seine Tatbeteiligung erstellt.»

Tipp soll von Arbeitskollegin der Frau des Opfers stammen

In der Vergangenheit wurde immer wieder über eine Verbindung der beiden Beschuldigten mit den Pink Panthers, einer international agierenden Gruppe von Juwelendieben, spekuliert. Für den Staatsanwalt ist nach den langjährigen, sehr umfangreichen Ermittlungen mit Befragungen der unterschiedlichsten Personen klar, dass sie dem Netzwerk angehören. Er fragt:

«Wie kommt ein typischer Pink Panther dazu, in einem unscheinbaren Haus in Metzerlen einen Raub durchzuführen? Es ist sonnenklar, dass man sich erhoffte, bei Borers an viel Geld zu kommen.»

Einvernahmen unabhängiger Zeugen sowie Telefonüberwachungen hätten ergeben, dass alles mit einen Tipp begann: Eine Kellnerin, die gemeinsam mit der Frau des Opfers vor Ort in einem Restaurant arbeitete, habe «bei ihrer kriminellen Verwandtschaft die Information gestreut», dass es im Haus des Ehepaars Borer etwas zu holen gäbe, berichtet der Staatsanwalt. Die Rede sei von «einer Million Franken» gewesen. An jenem Sonntagmorgen, als Ivo Borer so heftig zusammengeschlagen wurde, dass er vier Monate danach im Spital starb, arbeitete seine Frau in der Beiz.

Die Information über das vermeintliche Geld in Metzerlen sei letztlich zum Auftraggeber der beiden Beschuldigten gelangt. Diese wurden dann vom Auftraggeber rekrutiert, um den Raub in Metzerlen durchzuführen. Der Auftraggeber, der von der serbischen Polizei als «kriminell» eingestuft werde, habe die beiden an den Tatort in Metzerlen gefahren, so Raphael Stüdi. Erbeutet wurden am 14. März 2010 im solothurnischen Leimental jedoch keine Vermögenswerte. Lediglich einen Haustür- und einen Autoschlüssel sollen der 44-jährige Serbe und der 41-jährige Holländer laut Anklageschrift mitgenommen haben.

Holländer fälschte Spitalaufenthalt während der Tatzeit

«Ich zeige ihnen jetzt auf, dass es sich um den Holländer handelt, der mit dem Serben gemeinsam die Tat in Metzerlen begangen hat.» Nach der Beweisführung gegen den einen Beschuldigten widmet sich der Staatsanwalt jetzt dem anderen.

Er kommt erneut auf den Zeugen mit serbischem Nachnamen zu sprechen, der beide Beschuldigten als Täter nannte. Der Zeuge befindet sich in einem Zeugenschutzprogramm, weshalb er gestern nicht vor Ort anwesend war, sondern über Video zugeschaltet wurde. «Zugegeben: Bis zum Zeitpunkt, als er ihn als zweiten Täter identifizierte, hatten wir den Holländer nicht auf dem Schirm.» Es mache jedoch Sinn, da der 41-Jährige wegen gemeinsamen Diebstahl in mehreren Fällen in Nordrhein-Westfalen vorbestraft ist. Auch habe er zusammen mit dem anderen Angeklagten einen bandenmässigen Raub auf ein Uhrengeschäft in Wettingen verübt.

Es gäbe eine Verbindung der beiden Angeklagten nach der Tat: Der Serbe flüchtete in die Niederlande und tauchte beim Vater des Holländers unter. Der Holländer wiederum stritt ab, um den Tatzeitpunkt herum in der Schweiz gewesen zu sein. «Seine damalige Freundin, die in der Schweiz lebte, sagte jedoch aus, dass sie im Jahr 2010 eine Beziehung hatten», führt Stüdi aus. Ebenso gäbe es andere Hinweise, die nahe legen, dass er damals in der Schweiz war.

«Sein Alibi, dass er damals hundert Prozent in Serbien arbeitete, ist falsch.»

Dies gelte auch für einen Spitalaufenthalt in Serbien während der Tatzeit. Der Holländer hatte ein Arztzeugnis vorgelegt, in welchem steht, dass er im März 2010, an den Tagen der Tat, in einem serbischen Spital behandelt wurde. «Das ist eine Vollfälschung. Das Spital hat keinerlei Belege, dass er damals als Patient im Spital war. Es ist keine Patientenakte vorhanden.» Das gefälschte Arztzeugnis überführe den Holländer als Tatbeteiligten im Tötungsdelikt in Metzerlen. So handle nur jemand, der ein Alibi benötige, um etwas zu verbergen.

Besonders skrupellose Tat: Deshalb lautet Anklage auf Mord

Bei der Tat in Metzerlen sei gemäss Gutachten von zwei Schlagwerkzeugen auszugehen, die verwendet wurden. Ivo Borer hatte seiner Frau, als diese nach der Arbeit im Restaurant am Sonntagabend nach Hause kam, noch berichten können, dass er von zwei Männern zusammengeschlagen worden sei. «Es liegt in der Natur der Sache, dass beide Angeklagte mithalfen, das Opfer zu überwältigen», sagt Stüdi. In der Anklageschrift heisst es, die beiden Beschuldigten hätten gewusst, dass es sich um eine bewohnte Liegenschaft handelt. Sie hätten deshalb beschlossen, «bereits im Vorfeld der Tat ausdrücklich oder zumindest konkludent, auf das Opfer gemeinsam Gewalt auszuüben».

Auch blutige Schuhabdrücke zweier verschiedener Schuhmarken am Tatort würden darauf hindeuten, dass beide Beschuldigten auf den Gemeindepräsidenten einschlugen. Wer derart auf den Kopf einschlage, habe vor, oder nehme zumindest in Kauf, das Opfer zu töten. Die Beschuldigten seien «äusserst skrupellos» zum Zweck eines Raubs vorgegangen, weshalb der Tatbestand des Mords erfüllt sei.

«Ivo Borer führte einen quälend langen Kampf um sein Leben. Der 70-Jährige hatte gegen die beiden jungen Männer nicht den Hauch einer Chance. Er wurde stark blutend, mit Kabelbindern gefesselt, zurückgelassen.»

Gegen die beiden Beschuldigten lautet die Anklage im Fall Metzerlen auf Mord und bandenmässigen Raub. Der Organisator der Tat und Auftraggeber der beiden, ein 67-jähriger Serbe, der die beiden zum Tatort fuhr und ihnen danach zur Flucht verhalf, ist wegen qualifizierten Raubs angeklagt. Er ist nicht im Gerichtssaal, sondern wurde für die Hauptverhandlung dispensiert, und befindet sich in Serbien.

Mit den Ausführungen des Staatsanwalts zu Metzerlen endet der Vormittag. Nach der Mittagspause geht es mit den weiteren Taten, die den Angeklagten zur Last gelegt werden, weiter.

Montag, 31. Mai, der Nachmittag: Kronzeuge spricht

Nach der Mittagspause wird ein über Video zugeschalteter Mann mit serbischem Nachnamen befragt. Dieser befindet sich in einem Zeugenschutzprogramm, weshalb er nicht vor Ort anwesend ist. Seine Aussagen sind aufgrund der Videoschaltung kaum zu verstehen. Gerichtspräsidentin Marcionelli Gysin muss immer wieder nachfragen.

Er sagt, dass ihm der mutmassliche Auftraggeber der Tat in Metzerlen davon berichtet und erzählt habe, dass es sich bei den Tätern um die beiden Angeklagten handle. Über den Tathergang kann er jedoch nichts erzählen. Auch über die Rolle der beiden Beschuldigten sei ihm nichts bekannt. Der Auftraggeber der Angeklagten sei sehr gefährlich.

Nun stellt ihm Staatsanwalt Raphael Stüdi Fragen zu einem Raubüberfall in Dubai und zu einer Geiselbefreiung im Jahr 2006. Diese Fragen zeigen, dass es hier nicht bloss um den Mordfall Metzerlen geht. In der Vergangenheit war immer wieder die Rede davon, dass die Beschuldigten Verbindungen zur internationalen Juwelendiebesbande Pink Panthers hätten.

Befragt zum Raub in Wettingen sagt er, dass die beiden Beschuldigten daran beteiligt gewesen seien. Hinter einem bandenmässigen Diebstahl im Spreitenbacher Einkaufszentrum Tivoli im Juni 2010 stünden der Holländer sowie ein 45-jähriger Kroate. Letzterer steht als dritte Person vor Gericht. Ihm wird mehrfacher Diebstahl vorgeworfen. Beteiligt an den Geschehnissen in Metzerlen war er jedoch nicht.

Zusammengefasst ist der Erkenntnisgewinn der Aussagen des Zeugen gering.

Die beiden Beschuldigten im Mordfall Metzerlen sagen nichts

Weiter geht es mit der Befragung eines dritten Beschuldigten, der mit dem Fall Metzerlen nichts zu tun hat, aber wegen mehrfachen Diebstahls angeklagt ist. Der Kroate spricht – im Gegensatz zu den beiden Hauptangeklagten – schweizerdeutsch. Einleitend sagt er, dass es ihm gut gehe, er jedoch noch Schulden habe und sich mit Gelegenheitsjobs durchschlage.

Eine Beteiligung am Vorfall in Spreitenbach, bei dem er gemäss Anklageschrift das Fluchtauto gefahren habe, streitet er ab. Einen weiteren Diebstahl auf eine Denner-Filiale in Füllinsdorf im Jahr 2009, an dem er ebenfalls beteiligt gewesen sein soll, kommentiert er mit den Worten: «Sagt mir nichts.» Zum Anklagepunkt, sich mehrfach rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten zu haben, sagt er:

«Aus meiner Sicht war das nie so.»

Nun geht es endlich um den Mordfall Metzerlen. Was damals in der Gemeinde im solothurnischen Leimental geschah, bleibt jedoch unklar. Der 44-jährige Serbe und der 41-jährige Holländer sind beide im Saal anwesend und werden nacheinander von Gerichtspräsidentin Marcionelli Gysin befragt. Die Dolmetscherin übersetzt jeweils – ohne Erfolg: Beide Beschuldigten verweigern die Aussage und sagen nichts zu den Taten, die ihnen vorgeworfen werden.

Mit dem Schweigen der beiden Beschuldigten ist das Beweisverfahren abgeschlossen und die Verhandlungen für heute beendet. Morgen Dienstagvormittag stehen die Plädoyers an. Staatsanwalt Raphael Stüdi hat bereits angekündigt, dass seine Ausführungen rund fünf Stunden dauern werden.

Montag, 31. Mai, der Vormittag: Der Prozess geht weiter

Mehr als elf Jahre nach den Ereignissen soll in dieser Woche auskommen, was damals in Metzerlen passiert ist: Gemeindepräsident Ivo Borer wurde am 14. März 2010 in seinem Haus überfallen und zusammengeschlagen. Er starb später im Spital an seinen schweren Verletzungen. Ein 44-jähriger Serbe und ein 41-jähriger Holländer stehen wegen Mord vor Gericht.

Es handelt sich um eine Neuauflage des Prozesses, der an einem geheimen Ort ohne Besucherinnen und Besucher stattfindet. Die Medien können den Verhandlungen über eine Videoschaltung beiwohnen. Im vergangenen Dezember musste der Prozess nach kurzer Zeit abgebrochen und verschoben werden. Thomas Fingerhuth, Anwalt des einen Angeklagten, hatte mit scharfen Worten die Haftbedingungen seines Mandanten während der Zeit des Prozesses kritisiert, den Saal verlassen und sich geweigert, so weiter an den Verhandlungen teilzunehmen.

Eine Dolmetscherin wird für die Angeklagten übersetzen

Nun unternimmt das Richteramt einen neuen Versuch. Die Anklageschrift der Solothurner Staatsanwaltschaft schildern den Ablauf der Tat: Der Serbe und der Holländer sollen sich am 14. März 2010 in die Liegenschaft von Ivo Borer begeben haben, wo sie gegen den Gemeindepräsidenten Gewalt anwendeten. Sie fesselten den Gemeindepräsidenten mit Kabelbindern und schlugen ihm mit einem scharfkantigen Gegenstand «mindestens achtmal wuchtig auf den Kopf und mindestens zweimal entweder mit der Faust oder mit den vorhin beschriebenen Gegenständen gegen das Gesicht und den Oberkörper». Borer habe dadurch tiefgreifende Kopfverletzungen erlitten, an denen er vier Monate später im Spital verstarb.

Amtsgerichtspräsidentin Georgia Marcionelli Gysin eröffnet am Montagvormittag den Prozess nach der halbjährlichen Unterbrechung. Da die beiden wegen Mord angeklagten Männer kein Deutsch verstehen, ist eine Dolmetscherin im Saal, die übersetzt. Die Verhandlungen dauern bis am Freitag. Das Urteil soll Mitte Juni verkündet werden.

Zu Beginn der Verhandlungen stellt Anwalt Daniel Helfenfinger den Antrag, einen Schal als Beweismittel zu streichen. Auf Fotos vom Tatort sei der Schal immer wieder an einem anderen Ort zu sehen, was dafür spreche, dass der Schal vor Ort verschoben worden sei.

«Für mich ist dadurch klar der Anspruch meines Mandanten auf ein faires Verfahren verletzt worden»,

sagt Helfenfinger. Nach einer fast einstündigen Beratungspause erklärt Gerichtspräsidentin Marcionelli Gysin, dass man den Antrag ablehne. Man sehe nicht, dass bei der Spurensicherung vor Ort in Metzerlen schlecht gearbeitet worden sei.

Mitarbeiter von Uhrengeschäft können Täter nicht identifizieren

Nun beginnt die Einvernahme der verschiedenen Auskunftspersonen: Zuerst geht es jedoch nicht um den mutmasslichen Mord, sondern um weitere Taten, die den Angeklagten zur Last gelegt werden. Als Erstes wird eine Privatklägerin einvernommen, welche über die Anklage wegen bandenmässigen Raubs Auskunft geben wird: Im Februar 2010 sollen die beiden Beschuldigten ein Uhrenfachgeschäft in Wettingen überfallen haben. Gemäss Anklageschrift haben sie dort Objekte im Wert von rund 856'000 Franken erbeutet.

Die damalige Lernende, die mit Kabelbindern gefesselt und mit einer Waffe bedroht wurde, spricht über das Geschehen. Die Täter seien «sehr ruhig und professionell vorgegangen», berichtet sie. Identifizieren als Täterschaft von damals kann sie die beiden anwesenden Angeklagten nicht. Mehrmals sagt sie: «Ich kann mich nicht erinnern.»

Als Nächstes wird der Inhaber des Geschäftes in Wettingen einvernommen. «Für mich ist meine Sicherheit und die meiner Familie wichtig. Die Geschehnisse von damals sollen sich nicht wiederholen», stellt er klar, bevor er Auskunft gibt. Ein vermeintlicher Kunde habe damals das Geschäft betreten und sich zuerst eine Uhr präsentieren lassen. Kurz darauf habe dieser ihm eine Pistole in den Rücken gedrückt. Er und die Lernende seien gefesselt worden. Ein zweiter und möglicherweise sogar ein dritter Täter hinzugekommen.

«Sie haben allen Schmuck und alle Uhren in Denner-Taschen gepackt.»

Sie hätten ihm sogar seine eigene Uhr abgenommen. Über die Täter kann er nicht viel sagen. «Ich glaube nicht, dass es Schweizer waren. Vom Typus her osteuropäisch.» Auch er ist nicht in der Lage, die beiden Anwesenden als Täter zu identifizieren. Nach dem Vorfall sei er eingeschränkt gewesen: «Ich hatte mehrfach Angst, wenn unbekannte Menschen in den Laden kamen.» Die Frage des fallführenden Solothurner Staatsanwalts Raphael Stüdi, ob die Täter damals Handschuhe getragen hätten, kann er nicht beantworten.

Nach der Befragung des Geschäftsinhabers geht es in die Mittagspause. Am Nachmittag wird der Prozess fortgesetzt.