Das älteste Kindertheater der Schweiz feiert Jubiläum. Wie die Leiterin Mónica Wohlwend weiss, ist es für die Kinder mehr als nur Theater.
Vor 50 Jahren war es eine schweizweite Neuheit und mit nur einem weiteren Theater in Amsterdam gar das einzige in Europa. Heute gehört es längst zum Inventar von Basel: Das Kindertheater, das sich im Keller eines unscheinbaren Wohnhauses am Schützengraben versteckt. Nur die Schlossminiatur am Eingang verrät, dass sich dahinter eine Märchenwelt verbirgt.
Und diese feierte am Samstag ein halbes Jahrhundert Theaterbetrieb. Seit 1971 haben Kinder zwischen vier und sechzehn Jahren über 200 Stücke aufgeführt. Theaterleiterin Mónica Wohlwend meint, es seien wohl über 5000 Kinder, die bereits auf der Bühne des Kindertheaters standen.
Am Festtag quellt das Theater über vor Kindern mit ihren Eltern im Schlepptau. Ein Clown zaubert farbige Tiere aus Luftballons. Junge Schauspieler sowie Mitwirkende des Theaters verkaufen Lose für die Tombola. Viele haben sich mit Kinder-Schminke in Zauberfeen oder kleine Spiderman verwandeln lassen. Um 16 Uhr geben die Kinder einen ersten Einblick in die neue Rumpelstilzchen-Inszenierung.
Die Ränge sind dicht gefüllt, trotzdem drängen sich noch mehr Menschen in den Raum. Erst als das Schauspiel beginnt, wird es leise im Saal. Aber die gebannte Ruhe währt nur kurz, das junge Publikum gibt Kommentare ab, stellt den Eltern Fragen. Doch Müllerstochter Magdalena und das Rumpelstilzchen auf der Bühne lassen sich nicht davon beirren – sie sind vollends damit beschäftigt, Stroh zu Gold zu weben. Und dann ist die kurze Vorschau wieder vorbei. Das Stück wird in einer Woche die neue Saison im Kindertheater einläuten.
«Wir wollten weg vom ‹Theäterle› und spielen mit den Kindern mittlerweile auf relativ hohem Niveau. Viele trifft man danach auf den Bühnen des Theater Basel oder im Jungen Theater an.» Aufgeführt werden im Kindertheater hauptsächlich klassische Märli. «Ich finde, es gibt schon genügend abstrakte und moderne Theater», sagt Wohlwend. Und mit den Märchen könne man sowohl Kinder als auch – auf komplexeren Ebenen – die Erwachsenen begeistern. Wer bei den Stücken welche Rolle übernehme, hänge von verschiedenen Faktoren ab.
Die Geschlechtergrenzen spielen dabei aber keine zu grosse Rolle: «Wir haben meistens mehr Mädchen als Jungs, deshalb gehört es dazu, dass diese auch männliche Rollen übernehmen», sagt Wohlwend. So wurde aus dem König im Rumpelstilzchen eine Königin und dem Wächter Florian schaut ein langer Zopf unter dem Helm hervor. Es komme aber auch vor, dass ein Junge auf eine weibliche Rolle passe. «Die Kinder wissen, dass das im Theater dazu gehört», so Wohlwend. «Wir lernen dadurch beim Spielen viel über die Kinder, was sie selbst noch gar nicht wissen.» Ausserdem sei es einmalige Chance, auf der Bühne in das andere Geschlecht zu schlüpfen.
«Wir bieten eine Schule des Lebens», sagt Wohlwend. Es seien viele Kulturen, die bei ihnen zusammenkommen. Wohl gerade, weil die Kinder für das Mitspielen nichts bezahlen müssen. Im Theater treffen laut Wohlwend nicht nur Kinder mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen, sondern auch Kinder mit sprachlichen Schwierigkeiten oder körperlichen Handicaps aufeinander.
Das Kindertheater sei mehr als nur Theater: Es sei ein wichtiger Begegnungsort in Basel für viele Kinder, ist Wohlwend überzeugt. Und das Interesse, auf der Bühne in andere Rollen zu schlüpfen, scheint nicht abzureissen: Derzeit seien 500 Kinder angemeldet – pro Saison könne das Theater rund 100 Kinder berücksichtigen. Vier Stücke studieren die Kinder jedes Jahr ein.
Der Rumpelstilzchen-Inszenierung folgen diese Saison Aufführungen von «Des Kaisers neue Kleider», «Die Prinzessin auf der Erbse» und «Die Wikinger». Letzteres werde eine Zusammenarbeit mit der Musikschule Basel-Stadt sein, wie Wohlwend sagt. Man wolle künftig mehr Kooperationen mit anderen Institutionen eingehen. «Neue Ideen ausprobieren», sei dann auch Wohlwends Devise für die Zukunft des Theaters.