Umbruch in Spanien
Adieu Zweiparteiensystem: Der Rächer der vergessenen Generation

Podemos-Chef Pablo Iglesias erinnert mit seinem Auftreten und seinen Parolen an den früheren griechischen Finanzminister Giannnis Varoufakis. Trotzdem möchte er lieber nicht mit ihm in einen Topf geworfen werden.

Ralph Schulze, Madrid
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Pablo Iglesias, das Enfant terrible der spanischen Politik.

Pablo Iglesias, das Enfant terrible der spanischen Politik.

Keystone

Pablo Iglesias, der Spitzenmann der triumphal ins spanische Parlament eingezogenen Linkspartei Podemos («Wir können»), schart vor allem die enttäuschte junge Generation hinter sich. Seine Bewegung ist aus den Strassenprotesten empörter Bürger gegen die Sparpolitik entstanden.

Der 37 Jahre alte Politologe, dessen Markenzeichen sein Zopf ist, gilt bei den etablierten Parteien als das Enfant terrible der Politik. Wohl weil der Politologe mit seinem legeren Auftreten nicht dem bürgerlichen Bild entspricht. Und sich zudem gerne als linker Revolutionär gibt, der als eine Art moderner Robin Hood das Establishment das Fürchten lehrt. Und Angst haben sie vor ihm, weil er der vermutlich beste Redner in der spanischen Parteienlandschaft ist.

Die beiden grossen Wahlkampf-Debatten, zu denen alle wichtigen Spitzenkandidaten eingeladen waren, bei denen aber der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy kniff, gewann unbestritten Iglesias.

Koalitionspartner verzweifelt gesucht

Spanien steht nach der Parlamentswahl vor politisch ungewissen Zeiten. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat zwar mit seiner konservativen Partei (Partido Popular, PP) die Wahl gewonnen. Doch die absolute Mehrheit hat die PP verloren; Rajoy muss nun Koalitionspartner suchen. Das Unterfangen dürfte sich schwierig gestalten, denn sowohl die linken Parteien wie auch die neue liberale Partei Ciudadanos (Bürger) lehnen eine Koalition mit der PP ab. «Wir gehen Zeiten entgegen, die nicht einfach sind», rief Rajoy seinen Anhängern nach den Wahlen zu. Eigentlich wäre Ciudadanos der naheliegende Koalitionspartner für Rajoy. Doch kommen Konservative und Liberale zusammen auf lediglich 163 Mandate, was nicht ausreicht, um eine Koalition zu schmieden. Die Sozialisten (PSOE), erteilten Spekulationen über eine mögliche Grosse Koalition eine Absage. «Die Sozialisten werden gegen Rajoy und gegen die PP stimmen», sagte der Vizeparteichef César Luena. Und auch Pablo Iglesias, der Chef der neuen Linkspartei Podemos, schloss kategorisch aus, der PP zur Macht zu verhelfen. Allerdings will er mit allen anderen Parteien über mögliche Vereinbarungen sprechen. König Felipe VI. als Staatschef obliegt es, nach Gesprächen mit den Chefs aller im Parlament vertretenen Parteien einen Regierungschef vorzuschlagen. (sda/nch)

Mit hochgekrempelten Ärmeln und meist ohne Krawatte verspricht Iglesias, «die Gesellschaft durchzufegen», mit der Korruption aufzuräumen und für «soziale Gerechtigkeit» zu sorgen. Er will Wohlhabende mehr besteuern, niedrige Löhne und Mini-Renten sollen derweil steigen.

Das alles erinnert an den ehemaligen griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis. Es ist zudem kein Geheimnis, dass er mit der griechischen Syriza-Regierung sympathisiert. Weswegen Rajoys Konservative die Podemos-Politiker als «radikale Linke» bezeichnen und behaupten, dass mit Iglesias’ Aufstieg das Chaos ausbreche.

Zahmer geworden
Dass jedoch mit Podemos die Welt nicht untergeht, kann man derzeit in den Grossstädten Madrid und Barcelona sehen. Dort regieren seit Juni, als Podemos in der Kommunalwahl triumphierte, linksalternative Bürgermeisterinnen, die aus der Empörten-Bewegung stammen.

Auch etliche prominente Köpfe und Intellektuelle, die für Podemos kandidieren, signalisieren, dass diese Protestbewegung mit Kompetenz werben kann. Podemos habe sich in eine politische Kraft verwandelt, die reif genug sei, auch zu regieren, sagt Iglesias. In der Tat sind die Strassenrevolutionäre zahmer geworden. Ihr Wort von der «politischen Kaste», wie sie die in Spanien herrschenden Parteien – Konservative und Sozialisten – früher schimpften, ist aus den Reden verschwunden.

Antikapitalistische Töne sind einem eher sozialdemokratischen Kurs gewichen. Wohlwissend, dass die Empörten ihre Wähler zwischen der politischen Mitte und dem linken Spektrum suchen müssen. Und dass die Eroberung der Macht wohl nur mit einem Pakt zwischen Podemos und Sozialisten, die in Regionen und Rathäusern schon zusammenarbeiten, möglich sein wird.

Die Syriza-Parteibrüder aus Griechenland waren übrigens ausdrücklich nicht zum Wahlkampf nach Spanien eingeladen worden. «Syriza und Podemos, wir werden gewinnen», hatte Iglesias vor Monaten die Schwesterpartei in Athen angefeuert. Doch nach dem griechischen Schleuderkurs, der Europa in Atem hielt, möchte Iglesias nun lieber nicht mehr mit Syriza-Chef Alexis Tsipras in einen Topf geworfen werden.