Amerika
Joe Bidens Traum platzt: Der andere Joe sagt Nein zum Vorzeigeprojekt des US-Präsidenten

Ein einflussreicher Demokrat sagt Nein zu den ambitionierten sozialpolitischen Vorschlägen des Weissen Hauses. Damit ist das Vorzeige-Paket von Joe Biden, das er unter dem Slogan «Build Back Better» anpries, erst einmal gescheitert.

Renzo Ruf, Washington
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Joe Manchin, Senator aus West Virginia, hat «alles Menschenmögliche» versucht, ist aber auf der Suche nach einem Kompromiss mit Präsident Joe Biden gescheitert.

Joe Manchin, Senator aus West Virginia, hat «alles Menschenmögliche» versucht, ist aber auf der Suche nach einem Kompromiss mit Präsident Joe Biden gescheitert.

J. Scott Applewhite / AP

Am Freitag war Vizepräsidentin Kamala Harris gefragt worden, wer denn eigentlich in Washington das Sagen habe: Präsident Joe Biden oder der andere Joe, Parteikollege Joe Manchin – ein demokratischer Senator, der aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse in der kleinen Kammer des Kongresses häufig das Zünglein an der Waage spielen kann.

Harris gab sich empört. Sie sagte dem Interviewer, dem bekannten afroamerikanischen Moderator Charlamagne tha God: «Komm jetzt! Es ist Joe Biden. Und sprich nicht wie ein Republikaner, indem du fragst, ob er Präsident ist oder nicht.»

Am Sonntag aber hatte nun der andere Joe, Senator Manchin, das letzte Wort in dieser anhaltenden Debatte. In der Gesprächssendung «Fox News Sunday» verkündete der Volksvertreter aus dem strukturschwachen West Virginia, dass er das sozial- und wirtschaftspolitische Vorzeigeprojekt des Weissen Hauses nicht unterstützen könne.

Er habe «alles Menschenmögliche versucht», um in monatelanger Kleinarbeit mit Biden im Streit um «Build Back Better», wie das Paket von der Regierung genannt wird, einen Kompromiss zu finden. Aber «ich kann nicht dafür stimmen, mit diesem Gesetzesentwurf weiterzumachen».

Und weil dieses «Nein» vielleicht noch Raum für Interpretationen offenliess, schob Manchin eine schriftliche Stellungnahme nach. In dieser warf der seit elf Jahren amtierende Senator seinen Parteikollegen kurzerhand vor, das Land derart «dramatisch» umgestalten zu wollen, dass es letztlich verletzlicher sei. So sprach Manchin über die Bedrohung, die von einer allzu hohen Staatsverschuldung ausgehe.

Das Paket, das neue Ausgaben von mehr als 2000 Milliarden Dollar vorsieht, ist damit gescheitert. Ohne Manchin haben die Demokraten, die 50 der 100 Abgeordneten im Senat stehen, keine Mehrheit in der kleinen Kammer. Biden wird nun versuchen, die Sitzungspause über Weihnachten und Neujahr dazu zu nutzen, Abstriche an «Build Back Better» zu machen. Solche Zugeständnisse an Manchin (und einige andere skeptische Parteikollegen, die sich allerdings nicht derart weit aus dem Fenster lehnten) stossen am linken Flügel der Partei auf Kritik.

Kehrt Manchin nun den Demokraten den Rücken zu?

Biden und Manchin verstehen sich privat recht gut, auch wenn das Weisse Haus am Sonntag mit einer äusserst scharfer Stellungnahme auf das Nein des anderen Joes reagierte. Der Präsident, der seinen Bundesstaat Delaware 36 Jahre lang im Senat vertrat, ist mit den Besonderheiten der kleinen Kammer wohlvertraut. Er weiss deshalb auch: Setzt er Manchin zu stark unter Druck, dann könnte der Senator versucht sein, das politische Lager zu wechseln. «Es wäre eine grossartige Idee», wenn Manchin sein demokratisches Parteibuch aufgeben würde, sagte vorige Woche Mitch McConnell, der Fraktionsführer der Republikaner im Senat.