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Landwirte auf dem Subkontinent rebellieren gegen eine von der indischen Zentralregierung beschlossene Agrarreform. Bekannte Persönlichkeiten solidarisieren sich mit der Bewegung.
«Es sind jetzt fast drei Monate vergangen, aber der Enthusiasmus der Demonstranten hat sich überhaupt nicht verändert», sagt Arpan Manjneek, eine 29-jährige Krankenschwester aus dem nordindischen Chandigarh. Sie schloss sich Ende November den 250 Kilometer entfernten Bauernprotesten um die Metropolregion Delhis an und befindet sich derzeit im grössten Camp an der Singhu-Grenze. Doch sie ist nicht alleine, Hunderttausende demonstrieren gegen neue Agrarreformen an mehreren Grenzübergängen.
Immer wieder sind die Proteste in den Schlagzeilen, denn bislang konnte der Konflikt zwischen der Zentralregierung und Indiens Bauern, die zunächst vor allem aus den «Kornkammerstaaten» Punjab und Haryana im Norden des Landes anrückten, auch nach zahlreichen Verhandlungsrunden nicht beigelegt werden.
Zuletzt wurde die Versorgung von Camps mit Strom, Wasser und Lebensmitteln sowie die Internetverbindung unterbrochen. Doch trotz oder gerade wegen jüngster Konflikte lassen sich Vertreter und Sympathisanten der Bauern auch bei den kalten Wintertemperaturen nicht unterkriegen.
Mit zahlreichen Strassenblockaden, Traktorparaden und Aktionen während des Generalstreiks haben die Bauern bisher Druck auf die Regierung ausgeübt, ihre Forderungen zu erfüllen: Dass alle drei Agrarreformen, die im September durchs Parlament gewunken wurden, rückgängig gemacht werden und sie nicht, wie das letzte Angebot der Regierung, um anderthalb Jahre verschoben werden. Denn das würde nichts an der Befürchtung ändern, dass die Bauern bei einer Liberalisierung der Landwirtschaft den kürzeren ziehen werden und so eine Welle der Privatisierung eingeläutet werde, in der es keine Preissicherheit gäbe.
Das Problem sei, dass der Staat die Bauern sich selbst überlassen und über ihre Köpfe hinweg Reformen beschlossen habe, so Kavitha Kuruganti. Die 50-Jährige reiste ebenfalls im November Richtung Hauptstadt. Sie kam aus dem Süden, um sich den Bauern anzuschliessen.
Der Aufruf von Premierminister Narendra Modi am vergangenen Montag, die Protestcamps zu räumen, half nicht viel. Zu gross ist das Misstrauen in die Regierung. Modi von der hindunationalistischen Volkspartei BJP erklärte zuvor, dass man das neue Jahrhundert nicht mit Gesetzen aus dem vergangenen gestalten könne.
Manche Beobachter sehen die indischen Bauern gar als die bislang grösste Herausforderung der Modi-Regierung, die seit 2014 an der Macht ist und 2019 mit überragender Mehrheit im Amt bestätigt wurde.
«Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob das die Wählerbasis der Regierung schwächen wird», sagt Kuruganti. Doch sie geht davon aus, dass sich die öffentliche Stimmung gegen die BJP wende werde. In den Grossstädten ist man wenig beeindruckt, doch die Landwirtschaft ist einer der grössten Arbeitgeber Indiens, der allerdings nur etwa 17 Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt. Nach wie vor lebt die Mehrheit der Inder auf dem Land.
Es fällt auf, dass die Regierungspartei und lokale Medien in ihrer Rhetorik schärfer werden. Nachdem eine friedliche Traktor-Rallye am Tag der Republik Ende Januar eskalierte und ein Bauer starb, wurden die «unzufriedene Bauern» zu «Unruhestiftern».
«Was am 26. Januar geschah, war ein grosser Rückschlag für uns», sagt 32-jährige Jassi Sangha, Tochter eines Landwirtes aus Punjab. Doch es habe die Landwirte nur entschlossener gemacht. Die Regierung dagegen legte nach.
Eine weitere Eskalation folgte, nachdem sich Anfang Februar Pop-Sängerin Rihanna und die Klimaaktivistin Greta Thunberg auf Twitter mit den indischen Bauernprotesten solidarisierten. Erboste zündeten Bilder von ihnen an. Premier Modi warnte danach vor «ausländischer Einmischung».
Kavitha Kuruganti hat trotz der verworrenen Lage Hoffnung, dass die Regierung bald einlenken werde. «Sie haben alles versucht, was in ihrem Arsenal gegen diese Bewegung möglich ist, und dennoch wird sie trotz Rückschlägen stärker.» Am Freitag warnte der populäre Bauernführer und Sprecher der indischen Bauerngewerkschaft Rakesh Tikait erneut, dass die Bauern breit sind, bis auf unbestimmte Zeit ihren Protest weiterzuführen.