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Zwei Auktionshäuser lockten kürzlich mit angeblichen Gemälden Adolf Hitlers – die meisten sind gefälscht. Der Markt mit den öden Bildern Hitlers und Nazi-Devotionalien wirft jährlich Millionen ab.
Schlichte Zeichnungen, öde Landschaften, Bilder mit Namen wie «Alpenlandschaft», «Rheinlandschaft» oder Niederthal, Vent». Versehen mit der Signatur «Adolf Hitler».
Diese Werke des Diktators Adolf Hitler wurden Ende Januar in einem Berliner Auktionshaus zur Versteigerung angeboten. Mindestgebot pro Bild: 4000 Euro. Das Landeskriminalamt ist wegen Fälschungsverdachts eingeschritten, hat die angeblichen Hitler-Gemälde noch vor der Auktion beschlagnahmt. Zwei Wochen später trug sich Ähnliches zu, dieses Mal in Nürnberg. Ursprünglich sollten in dem Nürnberger Auktionshaus 31 Zeichnungen und Aquarelle Adolf Hitlers aus der Zeit zwischen 1909 und 1936 zur Auktion freigegeben werden. Nach Intervention der Behörden gingen am Ende 5 Zeichnungen und angeblich aus dem Nachlass Hitlers bestehendes Mobiliar – darunter ein Korbsessel und eine Vase – in den Verkauf. Bei den restlichen Zeichnungen bestand laut der Staatsanwaltschaft der Verdacht, dass «diese Werke nicht von Hitler stammen», wie es hiess.
Hitler betätigte sich in seinen frühen Jahren in Wien und München als Zeichner und Maler, oftmals kopierte er Postkartenmotive. Zwei Mal bewarb sich Hitler vergeblich an der Wiener Kunstakademie um ein Studium der Malerei. Einen höheren künstlerischen Wert hatten die Aquarelle und Zeichnungen des obersten Nazis nie, dennoch erzielen Hitler-Werke heute bei Auktionen stattliche Summen. Bei einer früheren Auktion in Nürnberg erwarb ein anonymer Käufer das Hitler-Werk «Standesamt München» für 130 000 Euro. Ein Bild Hitlers vom Schloss Neuschwanstein ging 2015 für 100 000 Euro zu einem Sammler nach China.
Verboten ist der Handel mit den Aquarellen des Diktators nicht – solange keine Nazi-Symbole wie Hakenkreuze oder SS-Runen auf den Werken zu sehen sind. Schätzungen zufolge soll Hitler in seinem Leben 2000 bis 3000 Bilder angefertigt haben. Nach Einschätzung von Kunstexperten ist diese Zahl allerdings «eindeutig zu hoch», wie auch Marc-Oliver Boger auf Anfrage sagt. Boger führt in der Nähe von Stuttgart ein Museum mit den Werken des bekannten Fälschers Konrad Kujau, der Anfang der 1980er-Jahre der Illustrierten «Stern» 62 angebliche Tagebücher Adolf Hitlers für über 9 Millionen DM angedreht hatte und Kunstwerke mit der von ihm perfektionierten Signatur von Adolf Hitler versehen und teuer verkauft hatte. «Seine produktivste Phase als Zeichner hatte Hitler vor dem 1. Weltkrieg. In der späteren Zeit hatte er kaum mehr Zeit, sich seinen Aquarellen zu widmen, schon gar nicht als Reichskanzler», sagt Boger.
Andere Experten schätzen, dass bis zu 98 Prozent der im Handel befindlichen Bilder mit Hitler-Signaturen Fälschungen sind. Bereits nach Hitlers Machtergreifung wurden Hitler-Werke in rauen Mengen gefälscht, um mit den angeblichen «Führer»-Gemälden Geld zu machen. Hinzu kommen Hunderte Bilder und Zeichnungen von Landschaften und Altstadtplätzen aus der Zeit zwischen 1900 und 1930 von gänzlich unbekannten Malern, die erst nachträglich mit einer Hitler-Signatur versehen worden sind. Der niederländische Journalist Bart FM Droog hat sich eingehend mit den Arbeiten Hitlers auseinandergesetzt. «Niemand wird je wissen, wie viele Bilder Hitler wirklich gemalt hat», sagte er gegenüber der «Welt». Nach Recherchen Droogs hat die NSDAP bis 1940 mehrere Hitler-Bilder zurückerworben. Die Partei hat danach zwei professionelle Kunstmaler damit beauftragt, Hitler-Werke zu kopieren, um diese treuen Parteigenossen als Entschädigung für die eingezogenen Originale zu überlassen.
Wer sich solche Gemälde für oftmals sehr viel Geld erwirbt, ist in den meisten Fällen unbekannt. Oftmals erfolgt der Verkauf an Auktionen via Telefon, die Bilder gehen nach Asien, in den Nahen Osten, in die USA oder bleiben in Europa. Marc-Oliver Boger bezeichnet die Käufer nicht als Kunstsammler, vielmehr gehe es dem Gros darum, «sich ein Stück Hitler, sozusagen die Aura Hitlers» ins Wohnzimmer zu holen. Der Historiker Axel Drecoll sagte schon vor einiger Zeit gegenüber unserer Zeitung, dass eine «merkwürdige Anziehungskraft» ausgehe von Dingen, die Menschen wie Hitler besessen oder eben gemalt haben. «In diesen Gegenständen liegt für manche Menschen die Faszination am Bösen.»
Das gilt insbesondere auch für den Handel mit Gegenständen aus der Nazi-Zeit wie Uniformen, Parteiabzeichen, Dolche, Waffen oder Kleidungsstücke von Nazi-Grössen wie Hitler, Göring oder Goebbels. Das Münchner Auktionshaus Hermann Historica bringt immer mal wieder Hinterlassenschaften aus dieser Zeitepoche in den Verkauf. Eine Auktion von Nazi-Devotionalien im Münchner Auktionshaus sorgte im Sommer 2016 für internationale Schlagzeilen und teilweise geharnischte Reaktionen von jüdischer Seite.
Angeboten wurden etwa die Unterhosen von Hermann Göring. «Mächtige Unterhose aus feiner, leichter, heller Seide, der Bund mit dunkelblauen Vorstössen abgesetzt und dreimal geknöpft, eingesticktes blaues Monogramm H. G. Der Schritt nur einmal geknöpft. Bundweite 114 cm», hiess es im Katalog. Das Utensil brachte an der Versteigerung 3000 Euro ein, Hitlers Socke 18 000 Euro. Des Führers «feldgraue Feldbluse» und dessen Hose wechselten für über 300 000 Euro den Besitzer, für 2800 Euro erhielt jemand den Zuschlag für ein Segment des Stricks, mit dem Julius Streicher nach den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg an den Galgen gehängt wurde.
Jan K. Kube ist selbst Auktionator und Militariahändler in München, seine Sammlungen konzentrieren sich auf die Jahre bis 1918, mit der Zeit des Dritten Reiches befasst sich sein Auktionshaus «nur am Rande», wie Kube auf Anfrage sagt. Wie gross der Markt für Gegenstände der Phase 1933 bis 1945 tatsächlich ist und wie viel Geld damit jährlich umgesetzt wird, ist nicht abzuschätzen. Laut Kube floriere der Handel mit Gegenständen aus der Nazi-Zeit vor allem in den USA, in Europa soll Polen der grösste Umschlagplatz für Nazi-Devotionalien sein. Auch Kube bekommt gelegentlich aus privaten Familiennachlässen Utensilien der NS-Epoche angeboten, so etwa Uniformen der Wehrmacht, der Kriegsmarine oder der Luftwaffe oder Blankwaffen aus dieser Zeit.
Gut erhaltene Uniformen ohne verbotene Nazi-Symbole, versehen mit den Original-Abzeichen, seien laut Kube «einwandfreie historische Objekte», gegen deren Versteigerung nichts einzuwenden sei. «Diese zwölf Jahre sind ein Teil unserer Geschichte. Gerade Uniformen oder Ausrüstungen sind Zeitzeugen und daher sammelwürdig.» Uniformen kosteten – je nach Dienstgrad und Prominenz des einstigen Trägers – zwischen 2000 und 12 000 Euro. In falsche Hände – etwa von Rechtsextremen – gelangen die Gegenstände bei Auktionen in seinem Haus nicht, beteuert Kube. «Ich bin seit fünfzig Jahren in diesem Geschäft, Rechtsextremisten treten so gut wie nie als Interessenten auf. Meine Kunden sind seriöse Sammler oder Museen. Wer viel Geld für solche Gegenstände ausgibt, hat auch ein Interesse, Sorge dazu zu tragen.»
Mit dem Nationalsozialismus Geld zu machen, ist zynisch.
(Quelle: Matthias Quent, Historiker)
Der Historiker und Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena, Matthias Quent, beobachtet den Verkauf von Nazi-Devotionalien bei Auktionen, aber auch auf Flohmärkten und an kleineren Kunstmessen mit Skepsis. «Devotionalien des Nationalsozialismus gehören im Allgemeinen in Museen, Erinnerungs- und Gedenkstätten, wo sie historisch analysiert, eingeordnet und erklärt werden können», so Quent auf Anfrage. In «lückenhaften privaten Sammler- und Handelsstuben – zum Teil rechtsradikaler Personen – dienen solche Objekte mitunter nicht der historischen Aufarbeitung, sondern der Verklärung und Verherrlichung der Nazizeit.» Quent hält es für richtig, auf den Handel mit Nazi-Gegenständen zu verzichten. «Mit dem Nationalsozialismus Geld zu machen, ist zynisch.»
Seis drum: Das Berliner Auktionshaus, bei dem das Landeskriminalamt Ende Januar angebliche Hitler-Gemälde kurz vor der Auktion beschlagnahmen liess, würde mit den Bildern des selbst ernannten «Führers» jederzeit wieder handeln, meinte Heinz-Joachim Maeder, Sprecher des Auktionshauses, gegenüber der «Berliner Zeitung».
Es sei nicht verboten, Bilder eines Massenmörders zu verkaufen. Angst, dass die Gemälde in falsche Hände geraten könnten, hat Maeder offenkundig nicht: «Richtige Hitler-Fans können sich so ein Bild nicht leisten. Die sind geistig zu schlicht.»