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Es waren Anhänger der QAnon-Politsekte, Lokalpolitiker und Geschäftsleute, die versuchten, die US-Demokratie aus den Angeln zu heben.
Die Bilder gingen um die Welt. Sie zeigen einen weissen Mann, gekleidet in einem Pullover der Politsekte QAnon, der einen dunkelhäutigen Polizisten der Capitol Police am Mittwoch gegen 14.15 Uhr im Capitol vor sich hertreibt. Der Polizist fuchtelt mit einem Schlagstock, und der Mann, der an der Spitze einer Meute steht, scheint immer wütender zu werden.
Here’s the scary moment when protesters initially got into the building from the first floor and made their way outside Senate chamber. pic.twitter.com/CfVIBsgywK
— Igor Bobic (@igorbobic) January 6, 2021
Er treibt den Polizisten stetig weiter. Dass sich der Pöbel buchstäblich wenige Meter vom Eingang des Senats entfernt befand, scheint der Mann nicht zu wissen – obwohl die Meute doch die Absicht hatte, die Senatoren - und Vizepräsident Mike Pence, der am Mittwoch die Sitzung des Senats leitete - zu konfrontieren.
The officer initially scopes out the door, sees it's not guarded, and tries to block the way. More rioters pour up the stairs after them, and the officer seems to go with a new strategy – he shoves the first rioter, pissing him off, and then leads the whole mob the other way. pic.twitter.com/EPmOvDGEEP
— Susan Simpson (@TheViewFromLL2) January 10, 2021
Der Mann, der sich an der Spitze des Pöbels befand, heisst Doug Jensen. Er ist 41 Jahre alt, stammt aus Des Moines (Iowa) und er arbeitete bis zu seiner fristlosen Entlassung für eine lokale Baufirma. Seit dem frühen Samstagmorgen befindet sich Jensen in Haft; ihm droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe, auch weil er die Anweisungen des Polizisten ignorierte.
Jensen ist einer von Hunderten, die am Mittwoch das Kapitol stürmten und versuchten, die Zertifizierung des Wahlsiegs von Joe Biden, dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten, zu stoppen. Fünf Menschen starben. Und nicht nur in Amerika fragt man sich seit den schockierenden Ereignissen auf dem Capitol Hill, wer denn diese Menschen waren, die glaubten, sie könnten Präsident Donald Trump im Amt halten.
Die Antwort ist nicht einfach. Das Beispiel Doug Jensen zeigt, dass sich im Pöbel zahlreiche Extremisten befanden. Menschen wie Jake Angeli, den «QAnon Schamanen», der nach dem Sturm aufs Kapitol im Gespräch mit dieser Zeitung damit prahlte, wie seine Mitstreiter die Volksvertreter vertrieben hätten. Angeli wurde am Samstag ebenfalls verhaftet. Oder Tim Gionet, der auf den sozialen Medien unter dem Namen «Baked Alaska» sein Unwesen treibt und rechtsradikale Parolen verbreitet.
Bereits in Haft befindet sich auch ein gewisser Cleveland Meredith aus dem Bundesstaat Georgia, auch er ein Anhänger der QAnon-Sekte, der die Absicht hegte, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, zu erschiessen.
Erschreckender aber ist, wie viele Biedermänner sich am Mittwoch in der Menge befanden, die zuerst Trump zujubelte und dann die Polizeibarrikaden überstieg. Derrick Evans, 35 Jahre alt, stammt aus dem Nest Prichard in West Virginia, offizielle Einwohnerzahl 527. Im Dezember hatte Evans, ein Republikaner, nach seiner Wahl ins Staatsparlament von West Virginia seinen Amtseid abgelegt.
Am Mittwoch filmte er sich, wie er sich Zutritt ins Capitol verschaffte, und dabei notabene einen Helm trug. «Derrick Evans ist im Kapitol», sagte er mehrmals. Evans wurde mittlerweile ebenfalls verhaftet; am Samstag gab er seinen Rücktritt als Volksvertreter bekannt.
A Newly Elected West Virginia GOP Delegate Was Part Of The Violent, Pro-Trump Mob That Stormed The Capitol
— Jon Cooper 🇺🇸 (@joncoopertweets) January 7, 2021
“Patriots inside, baby!” Derrick Evans, a newly elected member of the state's House of Delegates, shouted as he livestreamed on Facebook. https://t.co/yzoLKtpuV0
Seinen Job verloren hat auch Bradley Rukstales, bis am Freitag Geschäftsführer des Internet-Unternehmens Cogensia in Schaumburg (Illinois). Der 52 Jahre alte Geschäftsmann zeigte sich am Tag nach dem Sturm auf das Kapitol tief bestürzt über «die schlimmste persönliche Entscheidung», die er jemals gefällt habe. Auch ihm droht nun eine mehrjährige Gefängnisstrafe.
Exclusive:
— Charlie De Mar (@CharlieDeMar) January 8, 2021
Brad Rukstales is back in his suburban Inverness home and admits to entering the capitol
He’s talking to @cbschicago at 10p
"It was the single worst personal decision of my life; I have no excuse for my actions and wish that I could take them back." pic.twitter.com/9YJA8JeSkG
Auch Kriegsveteranen befanden sich unter den Aufrührern. Ashli Babbitt war eine von ihnen. Die 35 Jahre alte Frau diente jahrelang in der Luftwaffe und der Nationalgarde, und war vorübergehend Teil einer Einheit, die im Krisenfall das Kapitol in Washington beschützen würde. Am Mittwoch wurde sie von einem Polizisten erschossen, als sie im Kapitol versuchte, die Türe zu einem Komplex aufzubrechen, in dem sich das Büro von Nancy Pelosi befindet. Auf Twitter hatte Babbitt, eine Anhängerin von Donald Trump, zuvor einem Bekannten auf die Frage, «Wann werden wir endlich auf die Siegesstrasse zurückkehren», geantwortet: Am 6. Januar 2021, dem Tag, an dem sie starb.