«Carmen Mola» ist in Spanien für ihre heftigen Crime-Romane bekannt geworden. Seit Freitagabend weiss man: Hinter dem literarischen Grosserfolg steckt nicht eine Frau, sondern drei Männer.
Die Debatten über Würde oder Unwürde des weitgehend unbekannten Literaturnobelpreisträgers Abdulrazak Gurnah sind kaum verstummt, da sorgt schon die nächste Literatur-Auszeichnung für Aufregung: Am späten Freitagabend verkündete die Jury des «Premio Planeta de Novela» - mit einem Preisgeld von einer Million Euro der höchstdotierte Buchpreis der Welt – in Barcelona die diesjährige Gewinnerin: Carmen Mola’s jüngster Thriller «La Bestia» sei das beste der 654 eingereichten Bücher, erklärte die Präsentatorin auf der Bühne vor dem rangelvollen Saal.
Doch oh wunder: Statt der jungen Uni-Professorin, die man bislang hinter dem Pseudonym vermutet hatte, erhoben sich drei gesetzte Herren von ihren Plätzen und traten strahlend ins Rampenlicht. Carmen Mola, die spanische Erfolgsautorin, ist weder eine Frau noch wirklich jung, sie ist Jorge Díaz, Agustín Martínez und Antonio Mercero.
Erschrockene Blicke auf der Bühne, Strahlenrunzeln in den maskenversperrten Gesichtern der Gewinner, Applaus für «Carmen Mola»: Diversität mal anders rum – und alles unter dem staunenden Blick von König Felipe, der der Preisverleihung persönlich beiwohnte.
Die drei Herren arbeiten seit Jahren als Drehbuchautoren für spanische Fernsehserien wie «Central Hospital», die die Alltagsdramen der Belegschaft eines fiktiven Madrider Spitals nachzeichnet. Kein Stoff, mit dem sich literarische Preise gewinnen lassen. Man kann verstehen, dass Díaz, Martínez und Mercero nebenher nach tieferen Themen schürften. Das noch nicht veröffentlichte Sieger-Buch «La Bestia» etwa befasst sich mit den brutalen Kindermorden während der Madrider Cholera-Pandemie 1834.
Nur: Darf man das, sich als männliches Dreier-Kollektiv hinter eine weibliche Fassade verstecken und als «Carmen Mola» die literarische Welt mit blutrünstigen Thrillern beliefern, die sich nicht selten um wilden Sex, harten Alkohol und die Kombination der beiden Dinge dreht? Ist das Täuschung? Oder nur die konsequente Umsetzung der alten Theorie, dass es schlicht egal ist, wer einen Text getippt hat, weil es sowieso die Lesenden sind, die ihn mit Bedeutung versehen? Der französische Philosoph Roland Barthes verkündete jedenfalls schon in den 1960er Jahren den «Tod des Autors».
Von solchen literaturtheoretischen Debatten liessen sich die drei «Planeta»-Gewinner nicht aufhalten. Sie seien einfach drei Freunde, die sich entschieden hätten, gemeinsam Bücher zu schreiben, sagte Jorge Díaz. Und weil es in der Literaturszene schwierig sei, als Team zu publizieren, hätten sie sich eben ein Decknamen verpasst.
Ihr Sieger-Buch erscheint im November – natürlich unter dem Pseudonym Carmen Mola.