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Die Regierung von Rodrido Duterte will mit fadenscheinigen Vorwürfen erreichen, dass die grösste unabhängige Nachrichtenseite «Rappler» mundtot gemacht wird.
Die philippinische Regierung will die wichtigste unabhängige Nachrichtenseite des 105-Millionen-Einwohner-Landes vom Netz nehmen. Diesmal sind es Vorwürfe der Steuerhinterziehung, die zur Schliessung von «Rappler» führen und dessen Chefredaktorin Maria Ressa womöglich hinter Gitter bringen soll. Am Freitag teilte die Staatsanwaltschaft mit, sie habe Beweise, dass Ressa auf umgerechnet drei Millionen Franken aus Anleiheverkäufen keine Steuern gezahlt habe. Ob am Montag wie geplant ein Verfahren eröffnet wurde, war am Abend noch unklar. Sollte sie verurteilt werden, könnte Ressa für zehn Jahre hinter Gitter wandern.
Ressa und Anwälte der 2012 gegründeten Nachrichtenseite weisen die Vorwürfe von sich. Die Vorwürfe seien «lächerlich», «Rappler» sei im vergangenen Jahr vom Staat als «vorbildlicher Steuerzahler» ausgezeichnet worden, sagte Ressa. Menschenrechtler und Medienvertreter in aller Welt warnten, die Anschuldigungen gegen die hochdekorierte Journalistin zeigten, dass Duterte vor nichts zurückschrecke, um sich Kritiker vom Hals zu schaffen. «Dieses Verfahren ist ein Angriff auf die Pressefreiheit auf den Philippinen und Teil des Versuchs der Duterte-Regierung, Kontrolle zu umgehen», sagte Brad Adams, Direktor von Human Rights Watch Asien. Duterte hat seine Verachtung für die Medien immer offen zur Schau getragen. Reporter, die kritische Fragen stellen, nennt er gern «Spione», und hat gewarnt, dass «Journalisten nur aufgrund ihres Berufs nicht davon ausgenommen sind, ermordet zu werden». Der Onlinedienst «Rappler» ist eine der einflussreichsten Websites der Philippinen. Knapp vier Millionen Fans folgen ihm auf Facebook. Bereits im Februar hatte Manila der Seite die Lizenz entzogen, weil sie angeblich in ausländischem Besitz sei. Ein endgültiges Urteil steht noch aus.
Duterte hasst den «Rappler», weil er sich nicht scheut, kritisch über den Drogenkrieg auf den Philippinen zu berichten. Seit dem Amtsantritt Dutertes 2016 wurden nach offiziellen Angaben im Zuge eines Anti-Drogen-Feldzugs etwa 4850 Menschen von Sicherheitskräften getötet. Menschenrechtler – und der «Rappler» – sprechen jedoch von mehr Opfern und bezichtigen die Regierung, unter dem Deckmantel des Drogenkriegs mit der Hilfe von Todesschwadronen politische Gegner aus dem Weg zu räumen. So war am vergangenen Mittwoch erneut ein Menschenrechtsanwalt erschossen worden. Benjamin Ramos war der 34. Anwalt, der in den vergangenen zwei Jahren getötet wurde. Auch Journalisten leben auf den Philippinen gefährlich. Die Reporter von «Rappler» werden regelmässig mit Todesdrohungen überzogen. Der Redaktion in Manila arbeitet hinter schusssicherem Glas und wird von Sicherheitskräften geschützt.
Gegen den Strich geht Duterte auch, dass der «Rappler» die wachsenden wirtschaftlichen Probleme offenlegt, mit denen seine Regierung zu kämpfen hat. Manila versucht, das Ausmass der Wirtschaftskrise zu vertuschen. Im September kletterte die Inflationsrate auf 6,7 Prozent, der höchste Wert seit neun Jahren. Seit Anfang des Jahres die Steuern erhöht wurden, sind Grundnahrungsmittel wie Reis und Zucker, aber auch Benzin und Zigaretten etwa 10 Prozent teurer geworden. Viele Einwohner sind darauf angewiesen, von der Regierung subventionierten Reis zu kaufen, für den man allerdings stundenlang Schlange stehen muss. Angesichts dessen ist fraglich, wie Dutertes PDP-Laban-Partei bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr abschneiden wird. In Umfragen verzeichnete Dutertes Regierung zeitweise nur noch 45 Prozent Zustimmung.