Die Gespräche mit der EU kommen nur zähflüssig voran. Derweil besucht eine Delegation der Grünen die EU und kritisiert den Bundesrat deutlich.
Bereits zum vierten Mal war Staatssekretärin Livia Leu am Donnerstag in der EU-Zentrale in Brüssel zu Sondierungsgesprächen. Wie weiter nach dem Aus des Rahmenabkommens, lautete dabei die immergleiche Frage.
Die Ausgangslage ist vertrackt, weil einfach und kompliziert zugleich. Einfach ist es, weil die Probleme zwischen der Schweiz und der EU hinlänglich bekannt sind. Es geht primär um die Personenfreizügigkeit, konkret den Schutz vor Lohndumping und einer Einwanderung in die Sozialsysteme.
Kompliziert ist es, weil sich sowohl die Schweiz als auch die EU in ihren Positionen eingegraben haben. Die Schweiz verlangt von der EU ein Zeichen der Flexibilität bei der Freizügigkeit. Die Rede ist von Ausnahmeregelungen und Schutzklauseln. Dann ist sie auch bereit, den Europäischen Gerichtshof als Streitschlichter zu akzeptieren.
Die EU-Seite fordert das Gleiche in umgekehrter Richtung. Das heisst: Bevor sie den Mitgliedsstaaten die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit der Schweiz empfiehlt, will die EU-Kommission wissen, wo sich der Bundesrat bewegen wird. Immerhin wurden exakt die gleichen Fragen beim Rahmenabkommen schon jahrelang verhandelt und Brüssel hat keine Lust, nochmals das Rad neu zu erfinden.
Im Juli haben Experten gemeinsam über dem Dossier der Personenfreizügigkeit gebrütet. Zeichnet sich nun eine Landezone ab? «Die Gespräche haben gezeigt, dass noch Differenzen bestehen. Wir sind also noch nicht soweit, dass wir in formelle Verhandlungen eintreten könnten», sagte Leu im Anschluss an das Treffen zu Journalisten. Eine nächste Sondierungsrunde wurde für den 12. Oktober vereinbart. Sie räumte aber ein: «Ewig kann man natürlich nicht sondieren». Ob die EU-Kommission schon Zugeständnisse bei der Freizügigkeit signalisiert hat, mochte Leu nicht sagen.
Kritik gab es derweil von den Grünen. Diese waren just einen Tag vor der Staatssekretärin selbst mit einer Delegation nach Brüssel gereist. Dabei waren Parteipräsident Balthasar Glättli, Fraktionschefin Aline Trede und Nationalrätin Sibel Arslan. Das Trio traf unter anderem den für die Schweiz zuständigen EU-Kommissar Maros Sefcovic.
Im Nachgang kritisierten die Grünen, der Bundesrat mache nicht genug, um das Verhältnis zu Europa zu kitten. Glättli: «Wenn der Bundesrat unseren Aussenminister öfter nach Peking als nach Brüssel schickt, dann ist das die falsche Prioritätensetzung».
Aus der Unterhaltung mit Sefcovic nehme er mit, dass es bei der EU offensichtlich Zweifel gebe, dass die Schweiz wirklich zu einer Lösung kommen wolle: «Es gibt kein positives Zeichen aus der Schweiz, das in Brüssel ankommt». Und das liege nicht einmal an Chefverhandlerin Leu, sondern daran, dass ihr der Bundesrat nichts mit auf den Weg gebe. Glättli: «Man darf eine Staatssekretärin nicht mit leerem Rucksack nach Brüssel schicken».
Kurz vor @SwissMFAStatSec reist Delegation @GrueneCH @bglaettli @alinetrede @SibelArslanBS @FlorianIrminger zum Treffen @MarosSefcovic nach BXL. @bglaettli verteidigt Besuch: "Wir machen keine Paralleldiplomatie" pic.twitter.com/M45QDWzBu9
— Remo Hess (@remohess) September 8, 2022
Den Vorwurf, die Grünen würden mit ihrem Besuch die Verhandlungsposition des Bundesrates schwächen, wies Glättli zurück. «Wir machen keine Paralleldiplomatie», so der Zürcher Nationalrat. Fraktionschefin Aline Trede forderte den Bundesrat auf, jetzt Lösungsvorschläge auf den Tisch zu legen. Man könne weder auf die Schweizer Wahlen 2023 warten, noch darauf hoffen, dass die EU von sich aus Hand biete. In Brüssel habe man im Moment ohnehin mehr als genug zu tun hat. Trede: «Es gibt einen Krieg in Europa. Hier hat niemand darauf gewartet, um endlich wieder mit der Schweiz zu verhandeln».