Comedy
Tür isch auf: Gestaltwandler Teddy Teclebrhan zu Besuch in Basel

Nach zweimaliger Verschiebung und etlichen Pandemiewellen holt der deutsche Entertainer seinen Auftritt im Musical Theater Basel nach.

Hannes Nüsseler
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«Was isch los?» Tedros «Teddy» Teclebrhan bei einem Auftritt in Köln im April dieses Jahres.

«Was isch los?» Tedros «Teddy» Teclebrhan bei einem Auftritt in Köln im April dieses Jahres.

Imago/Panama Pictures

Eines Tages stand Tedros Teclebrhan plötzlich in unserer Wohnung, einfach so. Niemand hatte ihm aufgemacht, doch da war der Gestaltwandler in seiner neuen Rolle: als Teenager, der Teclebrhans bekannteste Kunstfigur, Antoine Burtz, verblüffend authentisch nachahmt – halb Schläger, halb Schwabe. «Was isch los mit dir, ey?»

Als besorgter und leicht eingeschüchterter Vater auf Youtube den Namen eingegeben, wo die Figur mit Glatzkopf und hellem Schnäuzer in der «Umfrage zum Integrationstest» grandios abschifft («Wer war vor Merkel? Hitler, kann das sein?»), eine ganze Nation verwirrte (echt jetzt?) und dafür 43 Millionen Klicks in elf Jahren kassierte. Und apropos kassieren: «Lohn isch da», das Lied aus dem Jahr 2019, steht auch schon bei 14 Millionen Zugriffen.

«Asi-Rap ohne Nutten, Koks und Waffen», heisst es dazu in den Kommentaren, aber auch: «Freut uns dass das Geld ankam!» Schwache Interpunktion beiseite: Absender ist die echte Bundesagentur für Arbeit, mit deren Arbeitslosenunterstützung Antoine im Video fiktiv Party macht: «Leben isch zu kurz, Junge, tu des geniessen, du Bitch!» Verflixt eingängig und sympathisch, weil da eben auch vom Teilen die Rede ist, und es kommen erste Zweifel auf: Ist das nun schön schlicht oder genial gut?

Wer sich weiterklickt, ahnt bald, was der 39-jährige «Junge» so alles draufhat: Teclebrhan mimt fremdenfeindliche Rentner mit Schiebermütze («Kontrolle isch gut, Verachtung besser»), einen Nuschler mit Aggressionsstau («Figgo, ey!») oder einen affektierten Sänger aus den US of A. Und singen kann er: Seine Grönemeyer-Imitation ist eine vortreffliche Hommage, sein Queen-Cover «Save Me» berührt. «I’m naked and I’m far from home», singt Teclebrhan, und man fragt sich: Wo kommt der eigentlich her?

Mama zuliebe im Jugendheim

«Ich bin in Deutschland aufgewachsen und komme aus Eritrea», beantwortet Teclebrhan, der alle Interviews im Vorfeld seiner Schweizer Tour abgesagt hat, die unvermeidliche Frage auf Youtube. Kindheit im schwäbischen Mössingen, alleinerziehende Mutter, Armut, Alltagsrassismus und Probleme in der Schule – eine durchschnittliche Flüchtlingsbiografie eben. «Ich war der Klassenclown», erzählt der Komiker aufgeräumt, «aber voll lieb.» Regelmässiges Antraben beim Jugendamt gehört trotzdem dazu, dort findet Teclebrhan Gefallen am Rollenspiel.

Mit 15 geht er für ein Jahr in ein Jugendheim – freiwillig und der Mutter zuliebe, die mit drei Teenagern überfordert ist. Nach einem katastrophalen Abschluss reisen die Schulfreunde ins Austauschjahr, Teclebrhan quartiert sich für sieben Monate ersatzweise bei einer Tante in Kanada ein. Dort passiert etwas mit dem schüchternen und verpeilten Schlaks, er «räumt auf», wie er es bodenständig Schwäbisch formuliert, konkret: Er betet achtmal am Tag und kommt mit sich und seinen prekären Lebensumständen ins Reine.

«Für manche klingt das vielleicht komisch, aber ich habe einen starken Glauben an etwas, das grösser ist als wir – Gott, Universum, Leben», erzählt Teclebrhan im Podcast «Deutschland3000». Das schafft Vertrauen, vor allem auch in die eigenen Fähigkeiten. Schluss also mit der Bittstellerei: Dankbar sein, klar, aber auch Dank erwarten dürfen, weil man sich und seine Talente mitbringt in ein Land, dessen Resilienz Teclebrhan mit «Deutschland isch stabil» besingt – im Video korrekt sozial distanziert. Liebe, Toleranz, Celebration!

Solche Sachen hört und sieht man von Teddy, wie man ihn insgeheim längst nennt, und das Bedauern über das verpasste Interview wächst, zusammen mit der Zuversicht in das prima Bauchgefühl, das der Teenager zu Hause an den Tag legt.

Zwischen Bühne, Fernsehen und Privatleben

Nach seiner Rückkehr aus Kanada ergibt sich für den Entertainer jedenfalls alles wie von selbst, er vergleicht es mit «Malen nach Zahlen». Techlebrhan schliesst eine Schauspielschule ab, hat erste Fernsehrollen und ein Engagement in einem Musical («Hairspray»). Er zieht in seine Wahlheimat Köln, deren Leichtigkeit er feiert, und schweigt sich über sein Privatleben aus, weil Leute ohne Rückzugsmöglichkeit vom Erfolg überrollt werden. Und der kommt: Bühnenshows, Gastauftritte bei Stefan Raab, eigene Fernsehformate. Und natürlich Youtube, wo er nach dem Lustprinzip Songs veröffentlicht.

Wie nah Musik und Humor bei Teclebrhan beieinanderliegen, zeigt eine grossartige Session mit dem deutschen Jazzpianisten Pablo Held. Einsatz verpasst, Pointe verschenkt? Kein Stress, bei Aussetzern kommt die Improvisation erst richtig zum Zug. «Deshalb liebe ich meine Figuren ja auch so», sagt der Entertainer. «Weil sie unvollkommen sind.» Aus dem Fehlerhaften Funken schlagen – das erfordert Geistesgegenwart und Disziplin.

Drum wird sich Tedros Teclebrhan auch jetzt wieder ins Auto setzen (er fährt sich selber zu seinen Auftritten), vor der Show Sport treiben, etwas essen, sich nochmals kurz hinlegen und dann alles geben, um das Publikum und sich selbst zu überraschen. Und falls dazu ein Spontaninterview gehören sollte – ich bin bereit: «Sag Bescheid, wenn du da bisch, ich mach’ Tür unten auf».

«Teddy 2022», Musical Theater Basel. 8. und 9. Juli. www.musical.ch