Ein offener Brief zur Corona-bedingten Absage des Konzerts des britischen Gitarristen im Zürcher Hallenstadion.
Nun hat es Dich also doch noch erwischt. Ich bin untröstlich! Ausgerechnet mitten in der laufenden Tour wirst Du von Corona heimgesucht. Und wer den Infekt hat muss für den Spott nicht sorgen.
Denn jetzt kommen die gemeinen Kritiker und reden von Karma. Nur weil Du Dich im Lockdown gegen die Covid-Massnahmen gewehrt hast: «Alles nur gelogen» sangest Du in «Stand and Deliver» und dass Du Dich mit Maske im Gesicht wie ein Bankräuber fühlest.
Doch noch viel schlimmer: Das sei Freiheitsberaubung und Sklaverei! Aber auch da wurdest Du missverstanden, denn was sind schon lebenslange Arbeitsferien auf einer Baumwollplantage gegenüber den unsäglichen Qualen, die ein weisser Multimillionär auszuhalten hat, wenn er bei seinem Gang in den Supermarkt eine Hygiene-Maske tragen muss?
Überhaupt habe ich, lieber Eric, das Gefühl, dass Du zeitlebens missverstanden wurdest. Ja, es war vielleicht nicht die perfekte Wortwahl, als Du in den Seventies bei einem Gig in Birmingham alle Dunkelhäutigen aufgefordert hast, Dein Konzert und Dein Land zu verlassen. Aber auch da hätte man bloss auf deine Taten hören sollen, nicht auf deine Worte.
Oder warst es etwa nicht Du, der mit einer Version von «I Shot the Sheriff» Bob Marley ganz uneigennützig zu einem Nummer-1-Hit verholfen hat? Dass der Jamaiker das ein knappes Jahr zuvor mit dem Original nicht selber geschafft hat, ist ja nicht Dein Fehler.
Und wie war das damals mit deiner angebeteten Pattie Boyd, die dummerweise die Frau Deines besten Freundes George Harrison war? Hast Du da nicht ganz zurückhaltend um sie geworben, indem Du «Layla» für sie schriebst und in die Hitparaden der Welt stelltest? Da kann Dir freilich keiner etwas vorwerfen. Zur Sicherheit hast Du den Song ja unter dem Pseudonym Derek and the Dominos veröffentlicht. Dass man das nach wenigen Minuten durchschaute (die Plattenfirma verteile in den Plattenläden Badges mit der Aufschrift «Derek is Eric»), war auch nicht Dein Fehler.
So wie es auch nicht Deine Schuld war, dass besagte Frau sich nach nur zehn Jahren Ehe von Dir trennte, bloss weil du ausserehelich ein italienisches Model geschwängert hattest. Das war reichlich kleinlich, nicht? Schliesslich hattest Du der Gattin in «Wonderful Tonight» doch mehrfach gesagt, wie schön sie aussehe. Ganz abgesehen davon, war Sie seit «After Midnight» vorgewarnt: «Nach Mitternacht gibt es Pfirsiche mit Schlagsahne.» Wenn das nicht deutlich war...
Wenn Du also beim noch offenen Nachholtermin in Zürich (Tickets behalten ihre Gültigkeit) eine Schulter brauchst, um Dich richtig auszuheulen, dann bin ich gerne zur Stelle. Keine Angst, ich bin dreifach geimpft.
Dein Freund,
Stefan Strittmatter
stefan.strittmatter@chmedia.ch