Animationsfilme
Starke Mädchen überwinden menschliche Zwietracht – wir fragen: Welche Schlüsse zieht daraus eine 10-Jährige

Disney schneidet in seinem neuen Animationsfilm grosse Themen an. Unser Filmredaktor hat sich den neuen Disney-Film mit seinem Göttimeitschi angeschaut.

Daniel Fuchs
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«Süss» statt furchteinflössend: Drache Sisu mit der Disney-Heldin Raya.

«Süss» statt furchteinflössend: Drache Sisu mit der Disney-Heldin Raya.

Bild: Disney/Alamy

Es war auf gutem Weg, zu einer schönen Tradition zu werden: Vor einem Jahr lud ich mein Göttimeitschi Malia erstmals ins Kino ein. Ein Besuch, der unbedingt zu wiederholen ist, machten wir aus. Dann kam die Pandemie. Statt ins Kino habe ich die Zehnjährige nun gebeten, sich den neuen Animationsfilm «Raya und der letzte Drache» von Disney auf dem hauseigenen Streamingkanal Disney+ anzuschauen. Getrennt wegen der Pandemie, liessen wir beide uns auf die Geschichte ein. Nun hilft Malia mir mit ihren Eindrücken.

Vorweg: Auch wenn Disney bei Filmen wie «Raya» keine Altersfreigabe nennt, Stoff für kleine Kinder ist das nicht. Malias jüngere Schwester Juna, 7, konnte im ersten Drittel «aus lauter Angst fast nicht hingucken», sagt ihre Mutter. Die Angst, etwas zu verpassen, wog jedoch schwerer. Juna und Malia hielten durch.

Um starke Mädchen geht es auch in «Raya», der in einem zerstrittenen Reich namens Kumandra handelt. Die verfeindeten Stämme sind benannt nach den Körperteilen von Drachen, der fast ausgelöschten Schutzmacht längst vergangener friedlicher Tage. Ein Krieg liegt in der Luft.

Keine Freude bei Drohnenpiloten und Katzenfreunden

Im Mittelpunkt steht die junge Prinzessin Raya. Malia fasst das Geschehen zusammen:

«Sie gefällt mir, weil sie ein starkes Mädchen ist. Sie nimmt die Sache in die Hand und will, dass die Völker zu Frieden finden.»
Das Resümee einer 10-Jährigen: Malia Horger (10) aus Bern.

Das Resümee einer 10-Jährigen: Malia Horger (10) aus Bern.

Bild: zvg

Raya will vollenden, was ihrem Vater, dem Oberhaupt des Stammes «Herz», misslungen ist. Als der die anderen Clanchefs an einen runden Tisch einlädt, werden er und seine Tochter von Namaari, der künftigen Anführerin des Stammes «Fangzahn», hintergangen. Als Folge zerbricht ein leuchtender Kristall, der die Menschen vor den feindlichen Übergriffen der in ganz Kumandra lauernden «Drohnen» schützt. Die Stammesführer schnappen sich die fürs Überleben noch ausreichend leuchtenden Einzelteile des magischen Kristalls und bringen sie in ihre Stammesgebiete.

Malia und ich schauten uns den Film in der deutschen Fassung an, in der Originalfassung ist die Rede von «Druuns». Die deutsche Fassung bringt einen mit den Drohnen als Sinnbild für die grösste Plage der Menschheit eher zum Schmunzeln.

Exklusivität dank hohem ­Streamingpreis

Die Drohnen im Film jedenfalls sind toxische Wolken, die nur vom leuchtenden Kristall und von Wasser abgehalten werden. Menschen wie Drachen, die davon getroffen werden, erstarren zu Stein. So auch Rayas Vater. Was haben Katzen und Drohnen gemeinsam?, fragt der Film. «Beides sind seelenlose Wesen», antwortet der letzte Drache Sisu, der Raya in ihrem Kampf beistehen wird. «Die Drohnen wurden geboren aus der Zwietracht der Menschen.»

Hier geht's zum Trailer (zum Weiterlesen runterscrollen):

Disney

Malia ist angetan von der Geschichte. Und von der Optik. Über die bild­gewaltigen Höhepunkte sei an dieser Stelle nicht mehr verraten, tatsächlich reisten die Filmemacher von Disney zur Inspiration für ihr Fantasiereich ­Kumandra durch mehrere Länder Südostasiens. Im Film folgt eine Art Roadtrip Rayas durch ­witzig angedeutete Länder und Kul­turen. Als Gefährt dient ihr das ge­panzerte Tier Tuktuk, das, zusammengerollt, zum genauso unzerstörbaren Gefährt wird wie die in Asien weitverbreitete motorisierte Vorlage für den Namen.

Malias Lieblingsfigur neben Raya allerdings ist der bereits erwähnte letzte Drache Kumandras, Sisu. Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein, vor allem Sisus naiv-tollpatschiger Charakter bereitet einen Riesenspass. «Ich finde ihn süss. So hellblau, wie er ist, und mit seinem farbigen Haar ist er ja kein furchteinflössender Drache», beschreibt ihn Malia. Sisu kann Frauengestalt annehmen und kennt für sämtliche Probleme die eine Lösung: Geschenke machen. Und muss von der sehr weitsichtig agierenden Raya, die niemandem traut, wieder und wieder aus misslichen Situationen geführt werden. Sisus Leichtgläubigkeit fällt auch einer Zehnjährigen auf:

«Bei einem richtig grossen Streit bringt es nichts, wenn man jemandem ein Geschenk bringt.»

Ihre misstrauische Art bringt Raya nah ans Ziel, die Zwietracht der Menschen zu überwinden. Dass es schliesslich ohne Vertrauen zu anderen nicht klappt, ist ein schönes Fazit, das sich ziehen lässt. Malia mit ihren zehn Jahren wirkt ziemlich abgebrüht, als sie lakonisch sagt: «Wenn man jedem vertraut, dem man begegnet, dann weiss ich nicht, ob das gut kommt.»

Das Abo bei Disney+ allein reicht für diesen Film nicht. Wer ihn sehen will, muss für einen zusätzlich nötigen VIP-Zugang mit 29 Franken sogar tiefer ins Portemonnaie greifen als für einen Eintritt ins Kino, wo «Raya» laufen soll, sobald das wieder möglich ist.