Startseite Kultur Film/TV
Die 91. Oscarverleihung ist zu Ende. Der Hauptpreis ging nicht an «Roma». Auch sonst gab es ein paar faustdicke Überraschungen.
Zum ersten Mal seit 1989 ging die Oscarverleihung ohne Moderator über die Bühne. Das machte sich bemerkbar. Die Show hatte ein hohes Tempo und war nach etwas mehr als drei Stunden bereits zu Ende. Aber es fehlte jemand, der die Filmbranche auf die Schippe nimmt und dem Ganzen etwas Würze verleiht. Wer bloss zuschaute, um die Gewinnerinnen und Gewinner zu erfahren, war bedient. Alle anderen langweilten sich fast zurück ins Bett.
«Ich kann nicht fassen, dass ein Film über Menstruation gerade einen Oscar gewonnen hat», brüllte Rayka Zehtabchi, die Regisseurin des Netflix-Kurzfilms «Period. End of Sentence», ins Mikrofon. Sie war eine von insgesamt 15 Frauen, die an diesem Abend einen Oscar gewannen. Rekordverdächtig!
Glenn Close («The Wife») war die Favoritin. Die Frau, die zwischen 1983 und 1989 fünf Mal für den Oscar nominiert war (aber nie gewann) und derzeit ein Karriere-Revival feiert, sollte endlich gewinnen. Doch die Auszeichnung für die beste Hauptdarstellerin ging an Olivia Colman für ihre Rolle als Königin Anne in «The Favourite». Die Britin war perplex: «Glenn, du bist mein Idol, so sollte das nicht passieren.» Doch passiert ist es. Verdientermassen! Colman hielt die beste, lustigste und emotionalste Rede des Abends und widmete den Preis schliesslich ihren Kindern zuhause in London: «Seid ihr noch wach? Ich hoffe es! Denn das passiert nur einmal.»
Dass Hauptdarsteller Rami Malek für seinen fulminanten Auftritt als Freddie Mercury den Oscar holt, bezweifelte im Vorfeld niemand. So kam es auch. Doch dass «Bohemian Rhapsody» am Ende des Abends gleich vier Oscars mit nach Hause nimmt, überrascht. Keiner der Preisträger bedankte sich bei Regisseur Bryan Singer, der gegen Ende des Drehs gefeuert worden war. Einer, der das Chaos hinter den Kulissen aufräumen musste, war der Cutter John Ottman. Sein Lohn ist nun ein Oscar. Zwei weitere erhielt der Film für den besten Tonschnitt und die beste Tonmischung.
Da steht der ganze Saal und applaudiert: Der afroamerikanische Regieveteran Spike Lee gewinnt für sein Drehbuch zum Rassismusdrama «BlacKkKlansman» endlich seinen ersten Oscar. Lee gab sich auf der Bühne politisch und feurig wie immer: «Die Präsidentschaftswahl 2020 kommt immer näher. Let’s all do the right thing!» Mit Regina King (für «if Beale Street Could Talk») und Mahershala Ali («Green Book») gingen auch zwei der vier Darsteller-Oscars an Afroamerikaner. Und der Superheldenfilm «Black Panther» reüssierte in drei Kategorien: beste Kostüme, bestes Produktionsdesign und bester Soundtrack.
«Roma» war für 10 Oscars nominiert und deshalb in der Favoritenrolle. Und nachdem Alfonso Cuarón drei Goldmännchen - für die beste Kamera, die beste Regie und den besten nicht-englischsprachigen Film - abholen durfte, schien der letzte grosse Preis nur noch Formsache zu sein.
Doch es kam anders: Nicht die Netflix-Produktion wurde als bester Spielfilm ausgezeichnet, sondern «Green Book» (insgesamt drei Oscars). Das Rassismusdrama von US-Regisseur Peter Farrelly polarisiert: Während «Green Book» bei den meisten Kinozuschauern gut ankam, bezeichnen ihn nun viele prominente US-Filmkritiker als den schlechtesten Oscar-Gewinner seit «Crash» (2006).
- Film: «Green Book».
- Regie: Alfonso Cuarón für «Roma».
- Hauptdarstellerin: Olivia Colman in «The Favourite».
- Hauptdarsteller: Rami Malek für «Bohemian Rhapsody».
- Nebendarstellerin: Regina King in «If Beale Street Could Talk».
- Nebendarsteller: Mahershala Ali für «Green Book».
- Kamera: Alfonso Cuarón für «Roma».
- Originales Drehbuch: Nick Vallelonga, Brian Currie und Peter Farrelly für «Green Book».
- Adaptiertes Drehbuch: Spike Lee, Charlie Wachtel, David Rabinowitz und Kevin Willmott für «BlacKkKlansman».
- Foreign Language Film: Alfonso Cuarón für «Roma».
- Dokumentarfilm: Elizabeth Chai Vasarhelyi, Jimmy Chin, Evan Hayes und Shannon Dill für «Free Solo».
- Soundtrack: Ludwig Goransson «Black Panther».
- Song: Lady Gaga, Mark Ronson, Anthony Rossomando und Andrew Wyatt mit «Shallow» für «A Star Is Born».
- Makeup & Hairstyle: Greg Cannom, Kate Biscoe und Patricia Dehaney für «Vice».
- Kostüm: Ruth Carter für «Black Panther».
- Visual Effects: Paul Lambert, Ian Hunter, Tristan Myles und J.D. Schwalm «First Man».
- Production Design & Set Decoration: Hannah Beachler und Jay Hart für «Black Panther».
- Sound Editing: John Warhurst und Nina Hartstone für «Bohemian Rhapsody»
- Sound Mixing: Paul Massey, Tim Cavagin und John Casali für «Bohemian Rhapsody»
- Schnitt: John Ottman für «Bohemian Rhapsody».
- Animationsfilm: Bob Persichetti, Peter Ramsey, Rodney Rothman, Phil Lord und Christopher Miller für «Spider-Man: Into the Spider-Verse».
- Kurzfilm: Guy Nattiv and Jaime Ray Newman für «Skin».
- Kurzer Animationsfilm: Domee Shi und Becky Neiman-Cobb für «Bao».
- Kurzer Dokfilm: Rayka Zehtabchi und Melissa Berton für «Period. End of Sentence».
- Outstanding Personality of the Night: Hader.
Wir haben einen Film über einen schwulen Mann gedreht, einen Einwanderer, der sein Leben lang er selbst war, ohne sich dafür zu entschuldigen. Und die Tatsache, dass ich ihn und seine Geschichte heute mit Ihnen feiern kann, beweist, dass wir uns nach solchen Geschichten sehnen. (...) Ich bin der Sohn ägyptischer Einwanderer. Ich bin ein Amerikaner erster Generation. Teil meiner Geschichte wird in diesem Moment geschrieben.
Die 70 Millionen Haushaltshilfen in der Welt ohne Arbeitserlaubnis sind Figuren, die in der Geschichte des Films in den Hintergrund verbannt wurden. Es ist unser Job hinzuschauen, wo andere wegschauen. Diese Verantwortung wird noch viel wichtiger in Zeiten, in denen das Wegsehen gefördert wird.
(Quelle: Regisseur Alfonso Cuarón, Beste Regie ("Roma"))
Vor 400 Jahren wurden unsere Vorfahren aus Afrika geraubt und versklavt. (...) Vor der ganzen Welt erweise ich unseren Vorfahren, die dieses Land aufgebaut haben, meine Ehre. Wenn wir mit unseren Vorfahren in Kontakt treten, erfahren wir Liebe, Weisheit und erlangen unsere Menschlichkeit zurück. (...) Die Präsidentschaftswahlen von 2020 sind nicht mehr weit weg. Lasst uns aktiv werden und auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. (...) Lasst uns das Richtige tun!
(Quelle: Regisseur Spike Lee, Bestes adaptiertes Drehbuch ("BlacKkKlansman"))
Das hier ist tatsächlich ziemlich stressig. Köstlich, ich habe einen Oscar! (...) In einer Kategorie mit all diesen aussergewöhnlichen Frauen zu sein. Und Glenn Close, du bist schon so lange mein Idol und ich wollte nicht, dass es so ausgeht. Du bist unglaublich, ich liebe dich sehr. Ich liebe euch alle.
(Quelle: Schauspielerin Olivia Colman, Beste Hauptdarstellerin ("The Favourite"))
Und auch nach der Oscar-Verleihung kommt es zum Schaulaufen der gut gekleideten Promis an der «Vanity Fair Oscar Party»: