«Tatort»: Jakob der Lügner

Die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz dringen freundlich, aber bedrohlich ins Leben eines Verdächtigen ein.

Julia Stephan
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Bei Jakob Gregorowicz, einem Geschäftsmann mit Muster­gesicht und Musterfamilie, randloser Brille und dem Sanftmut im Blick, weiss man nicht, was er denkt, und er sagt auch nicht, was er weiss. Das macht der Stuttgarter «Tatort» schon mit seiner anklagenden Betitelung («Der Mann, der lügt») unmissverständlich klar. Nur, was leugnet er? Hat er den Anlageberater Uwe Berger nun umgebracht und dessen Sohn verschleppt? Oder ist Gregorowicz der tragische Held aus Jurek Beckers berühmtem Holocaust-Roman «Jakob der Lügner», der aus bester Absicht ins routinierte Lügen verfällt?

Das Drehbuch von Sönke Lars Neuwöhner und Regisseur Martin Eigler, nach dem blutigen Vampirgrusel aus Bremen spektakulär unspektakulär, nimmt Anteil an der Ohnmacht von Verdächtigen, die von der Polizei nur bruchstückhaft darüber in Kenntnis gesetzt werden, welches Puzzleteil sie in den Hypotheseszenarien der Polizeiermittlungen sind.

Regisseur Martin Eigler hat die Präsidiumsermittlungsarbeit von Thorsten Lannert und Sebastian Bootz ganz aus dem Film verbannt. Die Kamera ist dauernd auf den verdächtigten Gregorowicz gerichtet. Plötzlich sind Lannert und Bootz distanzierte Cops, die freundlich, aber bedrohlich ins Leben eines Verdächtigen eindringen, der mit dem wachsenden Misstrauen seines Umfelds leben lernen muss.

Ein gelungenes Experiment, welches die rechtliche Grau­zone in der Polizeiarbeit, die manchmal nur ungenügend zwischen Zeugenbefragung und Verdächtigenverhör unterscheidet, spannend reflektiert.

«Tatort» aus Stuttgart – «Der Mann, der lügt.» Heute, So, SRF 2, 20.05 Uhr.