Niederlande
Nach Kritik von Historikern: Verlag zieht umstrittenes Buch über Verrat an Anne Frank zurück

Der niederländische Verlag Ambo Anthos hat, nachdem er von Historikern kritisiert worden war, das Buch über den «Verrat an Anne Frank» aus dem Handel genommen. Dass ein jüdischer Notar der Verräter gewesen sei, lasse sich nicht beweisen.

DPA
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Das Schicksal von Anne Frank bewegt auch Jahrzehnte nach ihrem Tod 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Hier eine Gedenkveranstaltung in Gossau.

Das Schicksal von Anne Frank bewegt auch Jahrzehnte nach ihrem Tod 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Hier eine Gedenkveranstaltung in Gossau.

Michel Canonica

Der Verlag Ambo Anthos teilte die Entscheidung am Mittwoch in Amsterdam mit. Am Vorabend hatten Historiker eine kritische Analyse zu dem Buch präsentiert. Sie sprachen von einem «schwankenden Kartenhaus». In dem umstrittenen Buch wird ein jüdischer Notar als Verräter des Verstecks des jüdischen Mädchens genannt. Die Enkelin des beschuldigten Notars rief nun auch den US-Verleger HarperCollins auf, das Buch weltweit aus dem Handel zu nehmen. «Mit diesem Werk beutet ihr die Geschichte von Anne Frank aus und tragt zu einem grossen Unrecht bei», sagte Mirjam de Gorter dem niederländischen Radio.

Durch ihr Tagebuch weltberühmt geworden

Anne Frank lebte zwei Jahre lang gemeinsam mit ihrer Familie und vier anderen Juden in einem Hinterhaus in Amsterdam im Versteck vor den deutschen Nationalsozialisten. Dort schrieb Anne (1929-1945) ihr heute weltberühmtes Tagebuch. 1944 wurde das Versteck verraten und die Bewohner wurden in Konzentrationslager deportiert. Nur Annes Vater Otto überlebte.

Ein sogenanntes Coldcase-Team von internationalen Untersuchern unter Leitung eines ehemaligen FBI-Agenten hatte untersucht, wer das Versteck verraten hatte, und seinen Bericht im Januar präsentiert. Der jüdische Notar sollte der Verräter sein, um sich und seine Familie zu retten.

Stümperhaft und auf falschen Annahmen beruhend

Sofort nach Erscheinen aber gab es heftige Kritik von namhaften Historikern. Sie legten nun eine Gegen-Studie vor. Das Buch sei stümperhaft, beruhe auf falschen Annahmen, Quellen seien falsch genutzt worden. Auf dieser Grundlage rief der Amsterdamer Verlag nun alle Buchhändler auf, ihre Vorräte zurück zu schicken. Er entschuldigte sich «bei all denjenigen, die durch den Inhalt des Buches verletzt wurden.»

Das Coldcase-Team hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Sie hätten nur eine Theorie dargestellt, die allerdings sehr wahrscheinlich sei.