Flüchtige Kunst auf vier Rädern: Mit dem gelben Stadtbus Berna bringt das Kollektiv Streunender Hund bildende Kunst, Literatur und Tanz in sieben Appenzeller Gemeinden. Ein Interview mit der Kulturvermittlerin Maria Nänny aus Bühler. Sie ist Teil des achtköpfigen Kollektivs.
Das Ausserrhoder Künstlerkollektiv Streunender Hund zeigte schon Kunst in der Appenzeller Stube und im Dorfcafé. Jetzt ist es vom 19. bis 28. August im alten Oltner Stadtbus mit einer fahrenden Ausstellung auf Tour durchs Appenzellerland. Das gelbe Büssli wurde dafür in ein begehbares Kunstwerk mit Beiträgen aus Film, Rauminstallation, Malerei und Literatur verwandelt.
Vor zwei Jahren spielten Sie mit dem Gedanken, eine Garage zur Kunstgalerie zu machen. Fanden Sie dort stattdessen den Stadtbus «Berna»?
Maria Nänny: Ja, fast. Tatsächlich brachte ich bei einem Besuch bei Freunden in Bühler den Gedanken vor, in einer Garage eine Ausstellung einzurichten. Sie meinten, bei ihnen wäre das schwierig, denn dort stehe ein alter VW-Bus. So entstand die Idee. Den gelben Oltner Stadtbus fand die Künstlerin Harlis Schweizer, die zu unserem Kollektiv gehört, dann zufällig in Stein.
Und der Besitzer bot sich direkt als Chauffeur an?
Genau. Urs Hugener hatte sowieso mit der Idee gespielt, die Berna als Eventbus zu etablieren. Von Beruf ist er Schreiner. Er baut mit seiner Bodenständigkeit vielleicht eine Brücke zu den «verrückten Künstlern». (lacht)
Die Ausstellung in der Streunenden Berna steht unter dem Motto Unterwegssein. Wie einigen sich acht kreative Köpfe auf ein Thema?
Alle müssen bereit sein, Kompromisse einzugehen. Eine Idee steht im Raum, dann wird gemeinsam getüftelt. Niemand hat das Zepter in der Hand. Für die Streunende Berna lud etwa jedes Mitglied des Kollektivs einen externen Beitrag ein. Diese Kunstwerke oder Veranstaltungen zueinander in Beziehung zu setzen, war eine Herausforderung. Wir mussten lernen, gemeinsam zu kuratieren.
Der Bus ist nicht nur Galerie, sondern auch Literaturhaus, Kino und Tanzbühne. Künstlerische Interdisziplinarität ist im Trend. Welche Chancen sehen Sie darin?
Unser Ziel war, verschiedene Zugänge zu schaffen. Wir stehen nicht als Kollektiv im Zentrum, sondern sind eine Plattform für andere zeitgenössische Kunstschaffende. Solche nicht-institutionellen Räume, sogenannte «Off-Spaces», gibt es im Appenzellerland wenig. Sie bieten die Chance, sich gegenseitig zu inspirieren und die Ideen gemeinsam weiterzuspinnen.
Der Bus wird mit vielfältigen Beiträgen und Begleitveranstaltungen aus den Sparten bildende Kunst, Literatur, Film und Tanz ausgestattet. Zu Gast ist unter anderem das Literaturhaus & Bibliothek Wyborada St.Gallen, das folgende zwei Lesungen programmiert hat: 27. 8., 18 Uhr, Urnäsch, Silvia Tschui liest aus «Der Wod», Musik Philipp Schaufelberger; 28. 8., Appenzell, 14 Uhr: Lesung mit Daniel Mezger aus «Land spielen».
Birgt so ein Potpourri nicht auch Risiken?
Sicher. Die Gefahr ist, dass man sich verzettelt oder eine Unschärfe entsteht. Das kann passieren, wenn sich eine Ausstellung ohne den Schirm eines Gesamtkonzeptes entwickelt. Oder wenn ein Individuum das Gefühl hat, zu kurz zu kommen.
Zugespitzt gesagt: Kommen die Dörfler nicht ins Museum, kommt das Museum eben ins Dorf. Ist das Resignation oder Innovation?
Weder noch. Wir wollen nicht missionieren und irgendwen überreden, sich mit Kunst zu beschäftigen. Stattdessen erhoffen wir uns Begegnungen und zufälligen Austausch. Unser Aufenthalt ist flüchtig, die Kunst bleibt nicht im Dorf. Aber ja: Vielleicht können wir so jemandem die Berührungsängste nehmen. Um Kunst anzuschauen, muss man sie nicht verstehen. Man braucht kein Vorwissen, um einen Blick in die Berna zu werfen. Und vielleicht hinterlässt sie trotzdem einen bleibenden Eindruck.
Vernissage Freitag, 19. August, 17 bis 21 Uhr, Bühler, Eschlerpark.
An folgenden Orten macht die Streunende Berna Halt: Samstag, 20. August, 10 bis 14 Uhr, Heiden, Parkplatz evang. Kirche; Samstag, 20. August, 15 bis 19 Uhr, Herisau, Obstmarkt; Sonntag, 21. August, 12 bis 17 Uhr, Gais, Dorfplatz; Samstag, 27. August, 10 bis 14 Uhr, Stein, Volkskundemuseum; Samstag, 27. August, 15 bis 19 Uhr, Urnäsch, Kronengaragen; Sonntag, 28. August, 12 bis 17 Uhr, Appenzell, Landsgemeindeplatz.