Ist die Welt noch zu retten? In «Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch» zählt jede Minute, und nicht nur Sechsjährige fiebern kichernd mit, wenn Geldhexe und Giftmischer ihr Höllenwerk vollenden wollen. Mit Theo Fransz hat ein echter Zauberkünstler des Kinder- und Jugendtheaters das Familienstück am Theater Konstanz inszeniert.
Pavianpopel, Hexenzehennägel, frische Elfenkotze: In der Zauberküche des grossen Beelzebub Irrwitzer fehlt es nicht an guten Zutaten für allerlei verderbliches Gebräu. Dennoch ist der Magier im Minus; er hat gebummelt und seine höllischen Verträge nicht eingehalten. Steht es nicht schwarz auf weiss in den Akten, die ihm der Abgesandte von ganz unten unter die Nase hält? Zehn Tierarten soll er bis Jahresende ausrotten, fünf Flüsse vergiften, das Klima um ein paar Grad anheizen und mindestens eine neue Seuche in die Welt setzen. Und nun ist schon Silvester, später Nachmittag – ihm droht die Seelenpfändung.
Da tickt die Standuhr in der Zauberkammer plötzlich aufdringlich laut; umso mehr ist jede Minute für das Publikum ab sechs Jahren ein Genuss. Schon letztes Jahr im November hätte, Obacht, schwieriges Wort, «Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch» im Stadttheater Konstanz auf die Bühne kommen sollen; der zweite Lockdown allerdings kam der Premiere in die Quere. Hat er wohl doch nicht ganz so schlecht gearbeitet, der Irrwitzer. Zum Unglück der Menschheit.
Michael Ende sah die aktuellen Bedrohungen in seinem letzten, 1989 erschienenen Buch voraus; er mahnte vor dem Super-GAU, der Umweltzerstörung durch Gift und Geldgier – aber nicht moralinsauer, sondern in einem urkomischen Zaubermärchen, das sich auch bestens für die Bühne eignet.
Wenigstens die Seuche scheint Irrwitzer brav geliefert zu haben, denn noch bevor Ingo Biermann als teuflischer Gerichtsvollzieher Maledictus Made mit dem säumigen Zauberrat Tachles redet, macht er sicherheitshalber erst einmal einen Nasenabstrich. Und der geht schaurig in die Tiefe. Man gönnt es Maledictus und ist froh, derweil gesund und zertifiziert im Parkett sitzen zu dürfen. Die Freude geht so weit, dass man fast sogar Irrwitzer sympathisch findet, auch später seine Tante Tyrannja Vamperl – weil Burkhard Wolf und Sabine Martin ihre Sache auf der Bühne einfach teuflisch gut machen. Wie eine Heldin der Barockoper zieht die Tante ein, macht Irrwitzer Feuer unterm Hintern, und nie, wirklich nie stolpern die beiden über den zungenbrecherischen Namen des Gebräus.
Noch sympathischer sind ihre Gegenspieler: Bineta Hansen als fetter, fauler Kater und Möchtegern-Minnesänger Maurizio und Julian Mantaj als zerzauster, gesundheitlich angeschlagener Rabe Jakob Krakel. Im Auftrag des Hohen Rates der Tiere haben sie sich als Spione bei den Bösewichten Irrwitzer und Tante Vamperl eingenistet. Nun, da die Lage richtig brenzlig wird – ein idealer Auftakt für einen Roman oder ein gut einstündiges Bühnenstück –, verbünden sich die beiden. Natürlich nicht ohne anfängliches Gekrächze und ausgefahrene Krallen. Was ebenfalls sehr vergnüglich ist, gerade weil die Zeit so drängt.
Schaffen es Irrwitzer und Vamperl, vor Mitternacht den Punsch aller Pünsche zu brauen und alle guten Wünsche beim ersten Ton des Neujahrsläutens in ihr Gegenteil zu verkehren? Es wäre kein gutes Kinderstück mit diesem desaströsen Schluss. Dem holländischen Regisseur Theo Fransz gelingt es, den Ernst der Lage klar zu machen, ihm aber durchwegs mit Verve und Witz zu begegnen.
Dazu tragen neben den fabelhaften Schauspielern ganz wesentlich auch die Ausstattung (Bettina Weller) und die schaurig schöne Musik (Octavia Crummenerl) bei: Eine von den Harry-Potter-Filmen inspirierte Szenerie. Wünsche bleiben da keine offen, aber zu tun gibt es nach dem tosenden Applaus weiterhin viel für Gross und Klein. Wenn man das Happy End nicht einem Wunder des Heiligen Silvester überlassen will.