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Der renommierte US-Journalist, Buchautor und Mediendozent Jeff Jarvis über die Zukunft der Presse.
Jeff Jarvis: Ich beginne den Tag mit Twitter. Ich fluche dann meistens, aber so ist es nun mal. Dann gehe ich auf Facebook. Ich lese die «New York Times», «The Guardian» und die «Washington Post».
Bekanntheit erlangte Jeff Jarvis vor allem mit seinem Buch «What Would Google Do?». Darin vertritt Jarvis die These, die Art und Weise, wie Google handle, sei zukunftsweisend für andere Unternehmen. Der 62-Jährige ist Mitbegründer des Magazins «Entertainment Weekly», lehrt an der Graduate School of Journalism an der City University of New York «unternehmerischen Journalismus» und schreibt regelmässig Beiträge für das «People Magazine», den «San Francisco Examiner», «The Guardian» und die «Chicago Tribune». Zudem betreibt er den Blog «BuzzMachine».
Nein, elektronisch. Früher habe ich stapelweise Magazine gekauft, heute lese ich alles online. Und ich öffne viele Artikel, die von Leuten online empfohlen werden, denen ich vertraue. Diese Diversität gefällt mir.
Ich würde Google und Facebook nicht als klassische Medienunternehmen bezeichnen. Wir dürfen sie nicht in unseren Journalismus-Topf werfen. Nur weil Google und Facebook Seiten mit Bildern, Texten und Werbungen haben, sind sie noch keine Medienproduzenten. Sie sind etwas Neues. Facebook ist eine Maschine, die Menschen verbindet, und Google ist eine Maschine, die Menschen mit Informationen verbindet. Aber wir müssen mit ihnen arbeiten und keine Angst vor ihnen haben.
Ich habe ein Buch darüber geschrieben, «Geeks Bearing Gifts». Dort erkläre ich, dass wir die individuellen Leser besser kennen müssen. Dann lässt sich auch Werbung besser verkaufen. Man kann Events veranstalten, Dienstleistungen anbieten, neue Werbeformate testen, und, und, und.
Nicht, wenn Sie die Qualität des journalistischen Produkts erhöhen.
Die herkömmlichen Medien versuchen noch immer, mit alten Werkzeugen in einem neuen Spiel mitzumischen. Dabei hat Trump alles verändert, die Art und Weise, wie über Politik und Wahlen berichtet wird. Er hatte leichtes Spiel, uns Journalisten zu umgehen. Wir glaubten, dass er weiterhin Pressekonferenzen abhalten würde, dass er Zitate liefern würde, die wir dann mit Experten beurteilen können. Aber so war es nicht.
Nein, das ist unmöglich. Er lanciert neue Gesetze über Twitter, mein Gott, er könnte sogar einen Krieg über Twitter starten! Wir müssen seinen Tweets Aufmerksamkeit schenken. Aber wir müssen lernen, dass wir uns nicht ständig von ihnen ablenken lassen, sodass er die Agenda bestimmt.
Das ist leider so. Alle Massenmedien wollen mehr Katzen und Kardashians, mehr Scoops, mehr News, mehr Klicks. Das führt zu vielen Fehlern und viel Mist und unterminiert unsere eigenen Qualitätsstandards. Es gibt Umfragen, die zeigen, dass die Glaubwürdigkeit der Journalisten so tief ist wie jene der Politiker. Und die ist tief!
Ich kann nicht für Europa sprechen, aber für die USA. Als Vertreter der liberalen Medien glaube ich, dass wir die rechte Hälfte der Bevölkerung verstossen haben. Und sie hat uns verstossen. Sie hat uns nicht mehr zugehört und so hatten wir keine Möglichkeit mehr, ihre Weltansicht zu beeinflussen, weil wir sie nicht verstanden haben. Wir haben ein Vakuum hinterlassen, das von Rupert Murdochs ultrarechten Medien wie Fox News oder der Website Breitbart von Trumps rechter Hand Stephen Bannon und noch viel Schlimmerem gefüllt wurde. Es braucht viel, diesen Bruch wieder zu kitten. Massenmedien für Leser aller politischer Couleurs wird es nicht mehr geben.
Nein, aber ich weiss nicht, wie viel Geld sie in Zukunft noch verdienen werden.
Ja. Sowohl Barack Obama als auch Donald Trump wurden über die Existenz dieses Reports, in dem das Videomaterial erwähnt wird, unterrichtet. Wieso sollten sich die Journalisten dann nach wie vor als Gatekeeper aufspielen und die Leserschaft bevormunden? Die Implikationen eines solchen Dokuments können nun mal einen Einfluss auf die ganze Welt haben. Wenn Sie glauben, das Publikum sei zu dumm oder ignorant, sich damit auseinanderzusetzen, dann ist es unsere Aufgabe, es klüger zu machen. Und wir müssen auch sagen, was wir nicht wissen.
Das wäre natürlich falsch. Aber wir müssen schreiben, wenn sich etwas nicht bestätigen lässt und gleichzeitig den Zusammenhang erklären.