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Das Kantonsspital Aarau und kanadische Forscher haben Gen-Bausteine entdeckt, die das Risiko für aggressiven Prostatakrebs stark erhöhen.
Es ist nicht alltäglich, dass ein Schweizer Kantonsspital als Mit-Autor einer wichtigen internationalen Studie genannt wird: Doch nun ist es Ärzten des Kantonsspitals Aarau (KSA) zusammen mit Vertretern des Mount Sinai Hospital in Toronto gelungen, mehrere «Hochrisiko-Mutationen» auf der Erbgut-DNA von Chromosom 19 auszumachen. Dies teilte das KSA gestern mit. «Wer solche Mutationen besitzt, hat ein rund vierfach erhöhtes Risiko für die Entstehung eines aggressiven Prostata-Karzinoms», erklärt Franz Recker, Chefarzt der Klinik für Urologie am KSA.
Bereits entdeckt sind die sogenannten «Brustkrebs-Gene» BRCA 1 und 2. Diese besitzt Angelina Jolie, weswegen sie sich 2013 ihre Brüste und Eierstöcke präventiv entfernen liess und dies öffentlich machte. Das Risiko der Männer, an Prostatakrebs zu erkranken, ist hierzulande etwa gleich hoch wie jenes der Frauen, an Brustkrebs zu erkranken. In der Schweiz sind etwa 8 Prozent der Männer betroffen, die Hälfte stirbt daran.
Für die sehr aggressive Form von Prostatakrebs gibt es nun auch bei Männern eine genetische Warnung. Zwar handelt es sich dabei nicht um Gene, sondern nur um einzelne Bausteine eines Gens, sogenannte SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus). Diese Basenpaare der DNA sind auf einem Abschnitt von Chromosom 19 verändert zusammengesetzt. Dort ist die Herstellung von «Kallikrein 6», einem Enzym, welches mit Tumorwachstum in Verbindung gebracht wird, codiert. Wie die Studie zeigt, weisen 6 bis 14 Prozent der Männer mit Prostatakrebs diese Veränderungen auf.
Insgesamt wurden die Blutproben von 1858 Männern untersucht. 885 stammen von Schweizer Patienten, deren Gesundheitszustand die Ärzte seit 1998 kennen. «Das machte uns zu einem interessanten Partner für die Studie», sagt Maciej Kwiatkowski, Studienleiter in Aarau. «Andere Studien haben meist keine Daten von Patienten über mehrere Jahre hinweg und sind dadurch viel weniger aussagekräftig.»
Die Ärzte am KSA entnahmen den Männern damals im Rahmen einer grossen Schweizer Prostata-Vorsorge-Studie Blut, obwohl es noch nicht möglich war, das Genom so gut und günstig zu analysieren. In Toronto wurde das Realität. Die dortigen Forscher hatten viel Erfahrung mit den speziellen Enzymen auf dem Chromosom 19 – und sie wurden finanziell stark vom Staat Kanada unterstützt. Auf Schweizer Seite gab es Unterstützung von der Stiftung Prostatakrebsforschung. Die Studie wurde im «Journal of the National Cancer Institute» publiziert.
Mit der Entdeckung der Hochrisiko-Mutationen sollen Patienten mit Prostatakarzinom in Zukunft gezielter diagnostiziert und therapiert werden können. Recker ist überzeugt: «Die Entwicklung geht weg von der regelmässigen Vorsorge aller hin zur gezielten Vorsorge für Risikopatienten.»