Kolumne
Querbeet von Silvia Schaub: Einst als Unkraut verschmäht, ist Moos heute der grosse Star

In ihrer aktuellen Gartenkolumne schreibt unsere Autorin Silvia Schaub über einen Trend, der von Japan aus die ganze Welt erobert hat.

Silvia Schaub
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In der Schweiz kommen über tausend Arten von Moos vor.

In der Schweiz kommen über tausend Arten von Moos vor.

Bild: Getty

Ich gebe es zu, manchmal bin ich in Sachen Garten etwas inkonsequent. Das zeigt sich bei mir insbesondere beim Moos. Zauberhaft, wenn ich es auf einem Waldspaziergang als samtigen Teppich über Wurzeln und Steine sehe. Aber wehe, es taucht bei mir im Garten auf. Dann gibt’s nur eines: Weg damit! Das war jedenfalls bis vor einigen Jahren so. Mit der Zeit bekam ich eine andere Sicht auf das vermeintliche Unkraut. Liegt es am Trend für die Wandbegrünung von Innenräumen? Oder ist es einfach das bessere Verständnis und Wissen über dieses samtweiche Gewächs?

Es ist eine besondere Welt, die sich einem da auftut. Schaut man nämlich genauer hin, entdeckt man Moos überall. Noch so kleine Ritzen im Beton genügen ihm, um daraus zu wachsen. Im Prinzip braucht die Pflanze nicht einmal Erde, um sich anzusiedeln, sondern bloss eine Oberfläche. Vor allem aber entdeckt man die verschiedensten Arten von Moos. Allein in der Schweiz kommen über tausend Arten und Unterarten vor.

Moos ist keine anspruchsvolle Pflanze und braucht neben Licht nur Wasser, um zu gedeihen. Dennoch ist es für das Ökosystem wichtig. Moos ist eine sogenannte Pionierpflanze und bereitet die Bodenbildung für Blütenpflanzen vor. Es hilft auch, in den Hochmooren das CO2 zu senken. Also sehr gute und wichtige Gründe, das Moos im Garten nicht zu verbannen, sondern es vielmehr bewusst anzusiedeln. Japan macht dies schon seit Jahrhunderten vor und setzt Moos in Gärten als wichtiges Gestaltungselement ein. Moosgärten gelten dort gar als höchste Stufe der Gartenkultur. Irgendeine schattige oder halbschattige Stelle gibt es schliesslich in jedem Garten.

Für den Fislisbacher Gartengestalter Alain Diebold ist Moos eine tolle Pflanze, «weil sie den Garten überall dort in ein grünes Refugium verwandelt, wo andere Arten nicht wachsen».

Zudem bringen die sanften Grüntöne eine beruhigende, fast meditative Atmosphäre in den Garten. Er rät, zum Beispiel unter Bäumen Moos als Wurzelschutz zu pflanzen.

«Es kann wie ein Schwamm Wasser aufsaugen, speichern und bei Hitze wieder abgeben.»

Hat man nur einen kleinen Garten, kann ihn eine Moosfläche grösser erscheinen lassen, als er ist. Oftmals wird Moos auch als Bodendecker verwendet und dort gepflanzt, wo Lücken sind. Und wenn die Autorin Robin Wall Kimmerer in ihrem Kultbuch «Gathering Moss» (ab 12.5. auch auf Deutsch erhältlich unter dem Titel «Das Sammeln von Moos») schreibt, man müsse das Moos sehen oder vielmehr lauschen, dann kann man diese bescheidene Pflanze nicht länger ignorieren – oder gar verbannen.