Querbeet-Kolumne
Gniff, Blauschokker und Maikönigin: Wieso alte Sorten den Garten besonders bereichern

In ihrer aktuellen Kolumne schreibt unsere Autorin Silvia Schaub über fast vergessene Frucht- und Gemüsesorten, die besondere Formen und Farben zeigen können.

Silvia Schaub
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Schöne Überraschung: die Früchte der Black-Cherry-Tomate.

Schöne Überraschung: die Früchte der Black-Cherry-Tomate.

Bild: Silvia Schaub

Diesen Frühling brachte mir eine Kollegin einen Tomatensetzling vorbei, den sie selbst gezogen hatte, und machte mich gwundrig mit der Aussage: «Setze ihn an einen sonnigen Ort, und du wirst staunen.» Nach den Eisheiligen suchte ich ein Plätzchen im Garten, das besonders sonnenverwöhnt und trotzdem vor direktem Regen geschützt ist. Die Pflanze gedeiht seither prächtig, obwohl mein Garten auf knapp 1000 Meter über Meer liegt und in diesem Jahr einige kühle Wochen nicht eben wachstumsfördernd waren.

Vor ein paar Tagen lüftete sich das Geheimnis: An der Tomatenstaude wuchsen keine roten Früchte, sondern schwarze! Meine Kollegin hatte diese Black-Cherry-Pflanze vor ein paar Jahren gekauft – und davon nun selbst Setzlinge gezogen. In ihrem Garten wachsen auch violette Karotten namens Gniff, Blauschokker-Erbsen oder Maikönigin-Erdbeeren. Sie ist auch nicht die Einzige, die auf den Geschmack dieser alten und teilweise fast vergessenen Gemüsesorten gekommen ist. Das freut Mira Oberer, Projektleiterin Samenbibliothek bei Pro Specie Rara in Basel: «Bei den alten Sorten gibt es eine breite Palette an Formen und Farben, und auch geschmacklich haben sie meist einiges zu bieten.» Nicht zuletzt sei es ein wichtiger Beitrag zur Sortenerhaltung.

«Nur was genutzt wird, geht nicht vergessen oder gar verloren.»
Mira Oberer leitet die Samenbibliothek von Pro Specie Rara in Basel

Mira Oberer
leitet die Samenbibliothek von Pro Specie Rara in Basel

Bild: zvg

Einen Beitrag dazu leisten kann jede und jeder in seinem eigenen Garten, auch auf dem Balkon. Als Gartenneuling sollte man mit einfachen Arten einsteigen, etwa mit Tomaten oder Salaten, die auch sonst einfach anzupflanzen sind. «Schwieriger wird es, wenn man selbst aussäen will», so Oberer. Auch in der aktuellen Saison kann man noch erste Versuche wagen, etwa mit Kohlrabi, Fenchel, Salaten oder Radieschen.

Was die Pflege angeht, so unterscheiden sich die alten Sorten nicht von den heutigen. «Meist sind sie dafür nicht so ertragreich, nicht so einheitlich oder nicht so gut lagerfähig», erklärt die Fachfrau. Das sei auch der Grund, weshalb viele Sorten nicht mehr im Handel angeboten werden. Dafür blühen und fruchten sie über einen längeren Zeitraum. Das hat den Vorteil, dass nicht alles gleichzeitig reif ist.

Zu bekommen sind solche Raritäten glücklicherweise trotzdem noch. Zum Beispiel als Gönner*in von Pro Specie Rara. Auf deren Website findet man einerseits ein käufliches, für alle einsehbares Angebot. Wenn man sich als Gönner*in einloggt, sind Sorten bestellbar, die sonst nirgends erhältlich sind. Pro-Specie-Rara-Samen gibt es auch bei ausgesuchten Gärtnereien.

Die kleinen schwarzen Kirschtomaten sind übrigens wahre Aromabomben, würzig und süss-fruchtig zugleich. Noch landen alle auf dem Teller, sie sind einfach zu köstlich. Aber ich habe mir vorgenommen, Saatgut davon zu gewinnen und die Anzucht im nächsten Jahr selbst auszupro­bieren.