Kopf oder Zahl? Wie ein Münzwurf das Leben erleichtern kann

Eine Münze werfen, um eine Entscheidung zu treffen, soll eher dazu führen, sich für einen neuen Weg zu entscheiden – und auf Dauer glücklicher zu machen.

Deborah Gonzalez
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Manchmal müssen wir uns grossen Veränderungen stellen. Keine leichten Entscheidungen, die man von heute auf morgen treffen sollte. Oder doch?

Manchmal müssen wir uns grossen Veränderungen stellen. Keine leichten Entscheidungen, die man von heute auf morgen treffen sollte. Oder doch?

Symbolbild: Slobo / iStockphoto

Soll ich aufstehen oder doch lieber liegen bleiben? Kaum sind wir wach, müssen wir Entscheidungen fällen und uns den Konsequenzen daraus stellen. Denn, wer länger liegen bleibt, kommt zu spät. Aber bei kleinen Entscheidungen bleibt es nicht immer. Manchmal müssen wir uns grossen Veränderungen stellen. Den Job kündigen, den Partner verlassen oder in ein anderes Land ziehen. Keine leichten Entscheidungen, die man von heute auf morgen treffen sollte. Oder doch?

Eine aktuelle neue Studie des Wirtschaftswissenschafters Steven Levitt von der Universität von Chicago legt nahe, dass die weniger zögerlichen, mutigen Entscheider zufriedener sind mit ihren Entschlüssen, als jene die lange abwägen und sich dann für den vermeintlich sicheren Weg entscheiden. Für die Studie, die in der Fachzeitschrift «The Review of Economic Studies» erschienen ist, richtete Levitt eine Website ein, auf der Menschen, welche vor wichtigen Lebensentscheidungen standen und festgefahren waren, eine virtuelle Münze werfen konnten.

Kopf stand für verändere dein Leben. Zahl für bleibe beim Alten. Die Teilnehmer konnten für allerlei Fragen ein Formular ausfüllen und eine Münze werfen lassen: ob sie ein Kind kriegen sollen oder ein Unternehmen gründen möchten, oder auch nur, ob sie sich tätowieren oder eine Diät machen sollen. Rund 20'000 Menschen nahmen an der Befragung teil.

Als Levitt und sein Team nach zwei und sechs Monaten die Teilnehmenden wieder kontaktierten, stellten sie fest, dass diejenigen, die aufgrund des zufälligen Münzwurfs grosse Veränderungen in ihrem Leben vorgenommen hatten, deutlich glücklicher waren als diejenigen, die nichts verändert hatten.

Den Partner verlassen? Ein neues Tattoo?

Ein Beweis für Levitts Theorie ist die 28-jährige Melissa. Auswandern oder nicht? Eine Frage, die sie lange beschäftigt hat. Sollte sie zu ihrem Freund in ein fremdes Land ziehen und von Null anfangen? «Ich hatte Angst. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, wenn es dann nicht klappt», sagt sie heute. Melissa stand vor der womöglich grössten Entscheidung ihres Lebens. Nach mehreren Gesprächen habe sie sich dann getraut: «Für die Liebe habe ich alles hinter mir gelassen.» Melissa hat mit ihren Verwandten und Freunden über die Entscheidung gesprochen und eine Pro- und Kontraliste erstellt. Doch nicht alle handhaben es so. Levitts Studie legt nahe, dass es nicht wenige Menschen gibt, die ihre Entscheidungen gerne in fremde Hände geben, respektive dem Zufall eines Münzwurfs überlassen wollen.

«Es gibt verschiedene Ursachen dafür. Hauptsächlich liegt es an der mangelnden Entscheidungskraft der jeweiligen Person», sagt die pensionierte Psychologin Sabine Schaffner. Viele Menschen wünschen sich, dass der Zufall entscheidet, damit sie es selbst nicht tun müssen, und dadurch weniger verantwortlich für die Konsequenzen daraus sind.» Aber sobald man eine Münze werfe, hoffe man auf ein bestimmtes Ergebnis. «Also ist der Wurf lediglich eine Hilfestellung», sagt Schaffner. Auch dass diejenigen, denen die Münze zum Verlassen des Ist-Zustands rät, laut Studie, auf Dauer glücklicher sein sollen, überrascht Schaffner nicht: «Der Münzwurf ist nur der letzte Schubser, um das zu machen, was man schon lange machen möchte», so die Baslerin.

Die Ergebnisse der Studie interpretiert Wirtschaftswissenschafter Steven Levitt dahingehend, dass Menschen bei lebensverändernden Entscheidungen möglicherweise übermässig vorsichtig seien. Und: «Die Gesellschaft lehrt uns, dass Sieger nie aufgeben und wer doch aufgibt, nie siegt. Aber die Daten meiner Studie zeigen das Gegenteil.» Wenn man sich nicht entscheiden kann, solle man immer das wählen, was die grössere Veränderung darstellt. «Das ist eine gute Faustregel um zufriedener zu werden», schreibt Levitt.

Auch andere Studien kommen zum Schluss, dass wir auf lange Sicht viel eher Dinge bereuen, die wir nicht getan haben, als Dinge, die wir versucht haben und bei denen wir versagt haben. Im Durchschnitt scheinen wir Menschen die Dinge wahrscheinlich zu lange durchzuhalten und unsere quälenden Träume und unruhigen Instinkte zugunsten der Trägheit und der Erwartungen anderer Menschen zu ignorieren. Kopf oder Zahl? Eine Münze werfen, um eine Entscheidung zu treffen, soll eher dazu führen, sich für einen neuen Weg zu entscheiden – und auf Dauer glücklicher machen.