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Leben
Da stand er, ein paar Stunden nach der Geburt seines Sohnes: alleine. Keine Frau an Prinz Harrys Seite, die aussah, als käme sie gerade aus dem Wellnessurlaub. Auch kein Baby war da, als der junge Vater die Geburt verkündete.
Er stand alleine eineinhalb Minuten da, sprach mit fahrigen Gesten, die Hände ringend, vor Aufregung lachend. Sagte: «Es war das wunderbarste Erlebnis, das ich mir je hätte vorstellen können» und muss mitten im Satz lachen, als wäre ihm der Ausnahmezustand, den er erlebt hat, wieder eingefallen. Sagt: «Wie die Frauen tun, was sie tun, geht über das Vorstellbare hinaus» und führt seine Hände von den Schläfen weg.
Für Hebammen ist das Musik in den Ohren. Denn die meisten Väter sagen nichts über die erlebte Geburt. Während sie selbst noch unter Schock stehen, halten die Frauen das Kind in den Armen und sind meist schneller glückselig.
«Väter sagen aus Rücksicht oft nicht, wie sie die Geburt empfunden haben», sagt die Geburtsvorbereiterin Gabrielle Susan Rüetschi aus Baden. «Dabei hätte es einen stärkenden Effekt auf die Frauen, wenn sich die Väter bewundernd äussern würden. Manche sagen zum Beispiel: ‹Ich hätte nie gedacht, dass meine Frau solche Kräfte mobilisieren kann.›»
Harry hats getan. Er sagte: «Es ist absolut wunderbar, absolut unglaublich und ich bin so unglaublich stolz auf meine Frau.» Das ist mehr als strahlende, königliche Fassade. Prinz Harry öffnete mit seinen Sätzen ganz kurz ein Fenster auf eine Geburt, wie sie halt ist: zermürbend, beängstigend archaisch und überwältigend – vielleicht mal auch im negativen Sinne. Eine gebärende Herzogin Kate, Frau von Thronfolger William, kann man sich bis heute nicht vorstellen, da sie jeweils nur Stunden nach ihren Geburten wie aus dem Ei gepellt vor dem Spital posierte.
Eine gebärende Meghan Markle? Harry findet es jetzt noch «jenseits des Vorstellbaren» und hat damit angedeutet, dass das Ganze kein Spaziergang durch den königlichen Park war. «Prinz Harry zeigte die Normalität und holt viele Väter ab damit», sagt Rüetschi dazu. Er habe mehr gemacht, als nur den stolzen Vater zu mimen.
Als Geburtsvorbereiterin ist es Rüetschi ein Anliegen, dass realistische, differenzierte Bilder von der Geburt in der Öffentlichkeit kursieren. Aber sie stellt fest: «Oft sind sie schwarz-weiss.» Entweder erzählten die Eltern, wie wahnsinnig schön das Erlebnis gewesen sei oder wie absolut schlimm. «Ich denke, das hat damit zu tun, dass man in beiden Situationen als Held dastehen kann.»
Ein frischgebackener Vater sagt zu Harrys Auftritt: «Es ging ihm wie allen: Als Mann schnallt man erst eine Weile nach der Geburt, dass man ein Kind bekommen hat. Da kommen die Emotionen wie eine Flut.» Er schildert, wie er selbst nach der Geburt seines Babys in der Spitalcafeteria am liebsten jedem vom Erlebten erzählt hätte. «Dafür, wie absurd dieses Erlebnis ist, und dafür, wie froh man ist, dass es die Frau geschafft hat, wirkte Harry eigentlich immer noch sehr gefasst.»
Gestern präsentierten sich die drei erstmals als Familie. Rüetschi lobt die Entscheidung von Meghan und Harry, sich erst am dritten Tag fotografieren zu lassen. Und dies nicht von einer Horde Fotografen. «Diese Frau setzt die Prioritäten richtig», findet Rüetschi. Anwesend waren nur ein Reporter, ein Fotograf und ein Kameramann plus ein Vertreter der US-Presse. Später folgte die Bekanntgabe des Namens: Archie Harrison Mountbatten-Windsor.