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Leben
«Arena»-Moderator Jonas Projer sieht sich heftigen Anfeindungen ausgesetzt: Aus dem Lager der «No Billag»-Initianten genauso wie von anonymen Twitterern. Der 37-jährige Senkrechtstarter ist der Dompteur im Auge des Orkans.
Seit Tagen übertreffen sich Newsportale und Zeitungen mit Schlagzeilen. Der «Tages-Anzeiger» wirft ihm «unnötige Selbstinszenierung» vor, die «Basler Zeitung» nennt ihn «eloquent und arrogant», und in der «Weltwoche» verunglimpft ihn PR-Berater Klaus J. Stöhlker als «Murmeli im Jeff-Koons-Look». Kurzum: Der Mann steht im Kreuzfeuer der Kritik.
Und weil ihn das nicht kalt lässt, ja er am Telefon gar niedergeschlagen und demoralisiert wirkt, sagt «Arena»-Moderator Jonas Projer nichts mehr zur letzten Sendung, zu seiner Strafanzeige oder zu seinem Rollenverständnis im Abstimmungskampf. In Absprache mit seinem Arbeitgeber schweigt er. So will ihn das Schweizer Fernsehen SRF auf dem Höhe- respektive Tiefpunkt der «No Billag»-Auseinandersetzungen schützen.
Doch der Reihe nach: Zwei Diskussionen über die «No Billag»-Initiative übersteht Projer im November und im Januar unbeschadet, für seine souveräne Moderation erhält er gar Lob des Ja- und des Nein-Lagers. Dann lädt er am vergangenen Freitag erneut zur «Arena». Unmittelbar vor Aufzeichnungsbeginn provoziert Kessler vor versammelter Gästeschar einen Eklat.
Die «Abstimmungsarena» zur «No Billag»-Initiative vom 2.2.18:
Projer sei als «Zwangsgebühren-Profiteur» nicht unabhängig genug, um Bundesrätin Doris Leuthard zu interviewen, sagt er. Daher werde er diese Aufgabe übernehmen. «Dieser Knall hat Projer – nachvollziehbarerweise – aus dem Konzept gebracht», sagt der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder, der im TV-Studio dabei war. Wie Kessler sei danach auch Projer rechthaberisch aufgetreten und sämtlichen Gästen noch häufiger ins Wort gefallen als bei früheren Sendungen.
Sofort gehen in den sozialen Medien die Wogen hoch. Die oft unqualifizierten Gifteleien gipfeln in einer Morddrohung eines anonymen Twitterers, man werde Projer mitten in der Nacht aufsuchen «und dich richten». Der Moderator selbst verbreitet den Tweet weiter, versehen mit einer Frage an seine Follower: «Soll man das der Polizei melden, oder wäre das überreagiert?» Auf Anraten der Community erstattet er am Montag Anzeige wegen Drohung.
Auch wenn sich Projer Kritik gewohnt sei: Solche Anwürfe wie nach seiner 135. «Arena» träfen ihn hart, ist sich Thomas Schäppi sicher, der in der SRF-Chefredaktion für die Programmentwicklung zuständig ist. «Jonas ist weder cool noch überheblich, sondern sensibel und empathisch.» Weil er sich stets verbessern wolle, hinterfrage er sich ständig. «Sein Perfektionismus kann für ihn zur Belastung werden.»
Schäppi kennt Projer besser – und länger – als jeder andere beim Schweizer Fernsehen. Eines Nachmittags vor gut zehn Jahren sei Projer auf einmal bei ihm im Büro gestanden, als er Redaktionsleiter von «Schweiz aktuell» war, erinnert sich der 61-Jährige. «Er hatte soeben das Filmstudium abgeschlossen und sagte mir, dass ich ihn unbedingt anstellen müsse. Er brauchte keine zehn Minuten, um mich zu überzeugen.»
Da nur eine Assistentenstelle frei ist, betreute Projer fortan drei Mal pro Woche die Studiogäste und bereitete Einblender vor. «Sein Talent fiel schnell auf», sagt Schäppi. «In rekordverdächtigem Tempo stieg er erst zum Inland- und dann zum Brüssel-Korrespondenten und schliesslich zum ‹Arena›-Chef auf.»
2011 wird Projer vom Branchenmagazin «Schweizer Journalist» zum Newcomer des Jahres gewählt, 2017 kürt man ihn zum Journalisten des Jahres. Am Leutschenbach ist man des Lobes voll für den 37-Jährigen: SRF-Chefredaktor Tristan Brenn sieht in ihm einen «echten Überflieger», der in jeder Sendung der «Chef im Ring» sei. Und Schäppi sagt: «Die ‹Arena› hatte in den Jahren nach Filippo Leutenegger ihr Profil verloren – Jonas hat es ihr zurückgegeben.»
Den Quotenrückgang allerdings hat auch Projer nicht aufhalten können: Von 2014 bis 2017 verlor der Polittalk kontinuierlich Zuschauer. Der Jahresschnitt brach von 189 000 auf 151 000 ein, der Marktanteil von 19,8 auf 18,5 Prozent. Dass die «Arena» längst nicht mehr sehen muss, wer in der Schweizer Politik mitreden will, ist zwar nicht primär ihm anzulasten: Schuld haben der miserable Sendeplatz am späten Freitagabend sowie veränderte Nutzungsgewohnheiten.
Dass man über die «Arena» aber fast nur noch spricht, wenn es zum Eklat kommt, muss auch für Projer frustrierend sein. Bis gestern Abend gingen bei der Ombudsstelle der SRG 25 gültige Beanstandungen gegen die jüngste Ausgabe ein.
Am Freitagabend, wenn es in der «Arena» um die Pauschalbesteuerung reicher Ausländer geht, hat Projer die Chance zur Korrektur. In einem Interview hat er mal gesagt: «Im Gegensatz zu Chirurgen haben unsere Fehler und Versäumnisse glücklicherweise geringe Auswirkungen. Denn schon nächste Woche können wir es noch besser machen.»