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Leserbeitrag
Gebietsfremde Pflanzenarten mit hohem Ausbreitungspotential nehmen im Aargau stetig zu. Die Schäden an naturnahen Lebensräumen sind bereits gross und der Aufwand für die Verminderung von Ertragseinbussen in der Landwirtschaft und die Vermeidung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen hoch. Der Kanton hat zwar eine Bekämpfungs-Strategie erarbeitet, für eine zielgerichtete Umsetzung fehlt aber das Geld. Im Naturama Aargau diskutierten Fachpersonen aus Kantonen, Gemeinden und von Pro Natura Wege aus dieser Sackgasse. Über 100 interessierte Gäste verfolgten das Podium und brachten eigene Ideen ein.
Um den invasiven Neophyten besser Herr zu werden, haben die zuständigen Verwaltungsstellen des Kantons Aargau eine Strategie ausgearbeitet, die klare Prioritäten setzt. Angesichts der beschränkten Ressourcen sollen nur die acht aktuell problematischsten Arten bekämpft bzw. in Schach gehalten werden. Eingreifen will man nicht überall, sondern nur da, wo wirtschaftliche, gesundheitliche oder ökologische Werte in Gefahr sind. Der Regierungsrat ist zwar mit der Stossrichtung der Strategie einverstanden, hat aber auf einen Antrag an den grossen Rat für die jährlich rund 1 Mio. zusätzlich benötigter Mittel verzichtet.
Die Fachleute auf dem Podium und das Publikum waren sich einig: Die geringen Mittel zwingen zu grossen Einschränkungen in der bereits als Verzichtsplanung bezeichneten Strategie. In der Politik fehle offenbar der Leidensdruck, um die (heute noch) überschaubaren Mittel für eine zielgerichtete, wirksame Bekämpfung zur Verfügung zu stellen. Wie das Beispiel England zeige, kann sich das in Zukunft bitter rächen: Allein für die Bekämpfung des Japan-Knöterich, der an Gebäuden und Infrastruktur grosse Schäden anrichten kann, werden dort Unsummen ausgegeben, Investoren schrecken davor zurück, mit Knöterich befallene Grundstücke überhaupt zu bebauen und Banken verlangen Zertifikate, die belegen, dass ein Grundstück Neophyten-frei ist, bevor sie Hypotheken vergeben.
Es fehlt aber nicht nur an Geld: Dringend nötig ist gemäss den Fachleuten auf dem Podium eine Koordination zwischen allen Akteuren, im Besonderen zwischen Gemeinden und Kanton, aber auch auf der Ebene Kantone. Da sich invasive Neophyten speziell entlang von Gewässern und Verkehrswegen über alle Grenzen hinweg ausbreiten, macht nur eine gemeinsame und koordinierte Bekämpfung Sinn. Eine nationale Strategie, angestossen durch die in der Neophytenbekämpfung federführenden Kantone ist in Anhörung und sollte dereinst verbindliche Vorgaben für eine koordinierte Bekämpfung liefern.
Auf Seiten der Gemeinden wird zu Recht kritisiert, dass eine Bekämpfung auf kommunalen Flächen wenig Sinn macht, solange der Kanton an grossflächig befallenen Flussufern und Strassenböschungen nichts unternimmt. Wenig Sinn macht auch, dass die meisten erwiesenermassen invasiven Neophyten immer noch verkauft werden dürfen, obwohl sie auf der schwarzen Liste stehen. Ob die 2008 eingeführte Deklarationspflicht, die eine invasive Pflanze auf einer Etikette als problematisch ausweist, wirklich von Nutzen ist, wird kontrovers diskutiert.
Trotz aller Schwierigkeiten kommen aus dem Publikum und vom Podium auch positive Botschaften: eine erfolgreiche Bekämpfung auf Gemeindeebene ist möglich, wie das Beispiel der Gemeinde Schupfart zeigt. Hier bekämpfen zwei Neophyten-Verantwortliche im Auftrag der Landschaftskommission seit einigen Jahren erfolgreich Japanknöterich, Springkraut sowie Goldruten und Co. und halten die Gemeinde weitgehend frei von invasiven Neophyten. Wichtig für den Erfolg sei die regelmässige Kontrolle des Gemeindegebiets und eine kontinuierliche, mehrjährige Bekämpfung. Dass eine erfolgreiche Bekämpfung auf Kantonsebene möglich und machbar ist, zeigt das aktuelle Beispiel Ambrosia. Diese die Gesundheit gefährdende Art kann durch regelmässige Kontrollen und konsequente Bekämpfung gut in Schach gehalten werden.
An den in einzelnen Gemeinden organisierten Aktionstagen zur Bekämpfung von invasiven Neophyten nehmen jeweils viele motivierte Personen aus verschiedensten Bevölkerungskreisen teil. Leider haben diese Aktionen meistens nur eine kurzfristige Wirkung. Aus dem Publikum kommt hierzu der Vorschlag, dass der Kanton die Gemeinden bei der Ausarbeitung einer langfristig wirkenden kommunalen Bekämpfungsstrategie inklusive Massnahmenplan unterstützt und jede Gemeinde einen Neophyten-Beauftragten bestimmt, der die Tätigkeiten koordiniert und begleitet. Die Fachleute auf dem Podium waren sich einig, dass dieser Vorschlag die Wirkung des Engagements der Bevölkerung, aber auch der Bekämpfungsmassnahmen der Gemeindebörden wesentlich erhöhen könnte. Weitere Vorschläge aus dem Publikum umfassten die Etablierung einer Ranger-Organisation für Kontrollgänge in den Gemeinden, die Ausscheidung von zusammenhängenden Landschaftskammern für eine effiziente Bekämpfung über die Gemeindegrenzen hinaus sowie das sorgfältige Putzen der Forstgeräte nach dem Einsatz in Neophyten-Flächen, um den Sameneintrag in neue Flächen zu vermeiden.
Zum Schluss das Fazit aus dem Podium: Die Schweiz kann sich beim aktuellen Ausbreitungsstand der invasiven Neophyten eine erfolgreiche Bekämpfung leisten und täte gut daran, diese so rasch wie möglich in Angriff zu nehmen. Nicht zuletzt um zukünftige, um ein Vielfaches höhere Kosten zu vermeiden.