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Region (LiZ)
Das Bildungs- und Begegnungszentrum des Schweizerischen Blindenverbands bietet nicht nur dem gelernten Koch Reto Frey eine wertvolle Tagesstruktur. Doch finanzielle Engpässe bedrohen den weiteren Betrieb.
Seit vier Jahren kocht Reto Frey im Bildungs- und Begegnungszentrum (BBZ) des Schweizerischen Blindenverbands (SBV) in Dietikon für die Benutzerinnen und Benutzer. «Wenn das Zentrum geschlossen würde, hätte ich nichts mehr», sagt der 48-Jährige. Hier im BBZ habe er zu seiner Berufung zurückgefunden, sagt der gelernte Koch.
Heute kocht er gleich für 25 Leute, denn heute findet auch die Benutzersitzung statt und so werden die meisten anwesend sein. Für sie alle kocht er nun ein dreigängiges Menu: Gerstensuppe, Riz Casimir und eine gebrannte Creme zum Dessert. Assistiert wird er dabei vom Volontär Aras Abdulhussein und vom angehenden Sozialpädagogikstudenten Marco Brunner, der hier sein Praktikum absolviert und über Frey sagt: «Er hat alle Rezepte im Kopf.»
Es war vor fünf Jahren, als Reto Frey an einem kalten Wintertag auf seinem Balkon ausrutschte, hinfiel, den Kopf an einer Tischkante anschlug und bewusstlos liegenblieb. Zwei Stunden lag er in der Kälte, während seine Katze Amoy so lange draussen miaute, bis die Nachbarn merkten, dass etwas nicht stimmen konnte. Also folgten sie dem Büsi und fanden den Schwerverletzten massiv unterkühlt.
Reto Frey, Koch im Bildungs- und Begegnungszentrum
Frey selber erinnert sich erst an die Geschehnisse, als er in der Reha wieder gehen lernt. Auch die Sprache muss er wieder erlernen und insgesamt üben, mit dem erschwerten Alltag umzugehen. Geblieben ist ihm eine schwere Sehbehinderung, die ihn nur noch dunkel und hell erkennen lässt. Aber Reto Frey ist keiner, der aufgibt.
Das BBZ gebe einem eine Tagesstruktur. Wenn es das nicht mehr gäbe, würde man daheim in der Stube hocken und könnte nichts tun. So oder ähnlich klingt es von praktisch allen Benutzerinnen und Benutzer, die zum Teil an unterschiedlichen Tagen hier sind. Sie heissen unter anderem Marco, Aras, Roberto, Yassmin, Samir, Sepp, Mario, Laith, Gabi, Susanne, Yousef, Päuli und Elsbeth und sie werken mit Holz und Textil, töpfern, giessen Kerzen, knüpfen Teppiche, stricken, filzen, machen Armketten, malen, erstellen Kunstwerke oder tanzen.
37 sehbehinderte und blinde Benutzerinnen und Benutzer profitieren von dieser seit zehn Jahren bestehenden Institution. Ihr Leiter, Martin Bühler, bringt eine breite Ausbildungspalette für seine Aufgabe mit und wird von den zwei Mitarbeiterinnen Susanne Truninger und Lea Halfhide unterstützt. Bühler kann sich nicht vorstellen, dass es diesen Ort nicht mehr gäbe. «Für unsere Klienten wäre das schlimm», sagt er.
Roberto Frijia, Benutzer im Bildungs- und Begegnungszentrum
Tatsächlich ist das Zentrum gefährdet. Der SBV mit seinen schweizweit 4500 Mitgliedern, die in sechzehn Sektionen aufgeteilt sind, schreibt seit Jahren rote Zahlen. Spendenreserven sind aufgebraucht und öffentliche Gelder sollen gekürzt werden. Die Überlegungen des Verbandsvorstands, auch am defizitären BBZ zu sparen, schwebt wie ein Damoklesschwert über dieser wertvollen Institution.
Jetzt sitzen sie gemeinsam am grossen Tisch und geniessen Freys kulinarisches Werk. «Wir sind hier wie eine Familie», sagt der junge Roberto Frijia, dem ein Tumor den Sehnerv so schädigte, dass er weitgehend blind ist.
Bleibt der Abwasch, und den übernimmt Brigitta Käser, die zweimal wöchentlich mit ihrem Blindenführhund zusammen den einstündigen Weg von der Mühlehalde Zürich nach Dietikon auf sich nimmt, um im BBZ Werkarbeiten zu machen. Zusammen mit den anderen Benutzerinnen und Benutzern bereitet sie Käufliches für den Weihnachtsmarkt vor, der am Wochenende vom 2. Dezember und 3. Dezember in Dietikon stattfindet. Dort wird das BBZ mit einem eigenen Stand anwesend sein. Man hofft auf möglichst viele Einnahmen, die zum Erhalt des BBZ beitragen könnten.