FDP-Stadträtin Manuela Stiefel wird sich nicht für den zweiten Wahlgang ums Stadtpräsidium zur Verfügung stellen. Im Interview erklärt sie, welche Faktoren dabei den Ausschlag gegeben haben.
Nachdem sie sich vergangene Woche aus dem Rennen ums Schlieremer Stadtpräsidium nahm, habe sie viel Zuspruch erhalten, sagt Manuela Stiefel (FDP) und legt ihre Hand auf eine faustdicke Beige Papier auf dem Esstisch ihres Wohnzimmers. Alles ausgedruckte E-Mails von Unterstützern, die sie nach der Bekanntgabe des Verzichts auf den zweiten Wahlgang vom 10. Juni erhielt – Whatsapp- oder Facebook-Nachrichten gar nicht mitgezählt. Ihr Konkurrent Markus Bärtschiger (SP), der am Wahlsonntag, dem 4. März, 160 Stimmen weniger erhalten hatte als Stiefel, äusserte sich seither noch nicht. Bis auf eine kurze Mitteilung stand auch Stiefel nicht für ein Interview bereit. Bis jetzt.
Manuela Stiefel: Eine Rückmeldung, die mich besonders gefreut hat, kam von einem Mitglied der SP. Er sagte, er bedauere es, dass ich nicht die Unterstützung erhalten hätte, die ich verdiente. Zudem fand er es schade, dass ich nun nicht Stadtpräsidentin werde, bezeichnete mich dann als «unumstrittene Königin der Herzen».
Es ist einer von mehreren. Die Unterstützung der Wirtschaftsvereine war an die Unterzeichnung des 5-Punkte-Programms geknüpft. Hinter dieses konnten sich jedoch weder die FDP noch ich stellen, da ich darin Versprechungen gemacht hätte, die ich alleine nicht einhalten kann.
Mit meinen 977 Stimmen hatte ich deren 160 mehr als Markus Bärtschiger und mir fehlten 97 Stimmen zum Absoluten Mehr. Hätten nur schon jene Wähler, welche die SVP-Stadträte Christian Meier und Pierre Dalcher fürs Präsidium aufschrieben, mich gewählt, wäre ich heute Stadtpräsidentin. Dieser Umstand drückt eine Unzufriedenheit mit meiner Person oder meiner Arbeit aus. Darüber hinaus zeigt er eine Zerrissenheit der Bürgerlichen. Unter dieser Prämisse hätte ich wohl wenig Rückhalt bei der Ausführung des Amts der Stadtpräsidentin gehabt. Die bürgerlichen Wähler spielten taktische Spielchen, indem sie andere Stadträte wählten. Es steht jedem frei, so zu stimmen, aber für solche Spiele gebe ich mich nicht her.
Ja. Ich wollte das Stadtpräsidium und bin mir sicher, dass ich das Amt gut ausgeführt hätte. In den vergangenen acht Jahren verrichtete ich meine Arbeit als Finanz- und Liegenschaftsvorsteherin auf eine Art und Weise, die zeigen sollte, dass ich auch eine gute Stadtpräsidentin sein würde.
Das sehe ich nicht so. Linke Wähler standen geschlossen hinter ihm. Dies fiel mir auch im Wahlkampf immer wieder auf. Auch wenn manche linke Wähler teilweise nicht zu 100 Prozent mit der Person Bärtschiger warm wurden, wählten sie ihn trotzdem. Ich bekam von bürgerlichen Wählern jedoch öfters zu hören, sie könnten mir ihre Stimme nicht geben. Sei es wegen Geschäften wie der Begegnungszone am Bahnhof oder der Geissweid. Auch bezog ich klar Stellung für die Limmattalbahn, was einige Bürgerliche abschreckte.
Das habe ich zwar von einigen gehört. Aufgrund von solchen Spielchen einen zweiten Wahlgang herbeizuführen, war aber nicht nötig. Man hätte Bärtschiger bereits im ersten Wahlgang verhindern können. Auf Zürichdeutsch sagt man ‹brünzlet me öpperem as Bei, dörf me nöd erstuunt sie, wenns nass wird.› Und ausserdem: Dass mich zahlreiche Wähler aufgrund von Geschäften wie der Geissweid oder der Limmattalbahn nicht wählen, kann ich verstehen. Meine Qualitäten und meine Haltung sind dieselben wie im ersten Wahlgang. Ich habe nicht vor, in einem zweiten Wahlgang Zugeständnisse an ebendiese Wähler zu machen, die nicht meiner Grundhaltung entsprechen.
Links wittert die Chance, das Stadtpräsidium weitere vier Jahre zu halten. Um dagegen siegreich zu sein, müssten wir Bürgerlichen geeint auftreten. Das wäre sehr schwierig geworden.
Ja, diese Geschichte hat sicherlich geschadet. In einem Brief an mich schreibt ein Wähler, dass er mich nicht ins Präsidium wählte, weil ich nicht auf einem Podium zu sehen war. Wer mich kennt, der weiss, dass ich redegewandt bin und weder den öffentlichen Auftritt noch ein Podium scheue.
Es war ein Aspekt. Mit dem Nein zum Architekturwettbewerb nimmt sich Schlieren ein Stück Dynamik weg. Beispielsweise wird sich niemand für den Bau eines Hotels im Zentrum interessieren, wenn keine Veranstaltungslokalität dort steht. Diese richtungsweisende Entscheidung der Stimmbürger entspricht nicht jener Stossrichtung, der ich als Stadtpräsidentin gerne gefolgt wäre.
Ich denke gut. Wir sind beide acht Jahre im Stadtrat und er kennt die Punkte, die es als Stadtpräsident anzupacken gilt genauso gut wie ich.
Davon gehe ich aus. Wird Bärtschiger Stadtpräsident, wird sein Ressort Bau und Planung, ein Schlüsselressort, frei.
Dem ist vermutlich so. Auch ich sagte ganz klar, dass ich bei meinem Ressort Finanzen und Liegenschaften bleiben möchte. Es bieten sich aber trotzdem neue Möglichkeiten für die Bürgerlichen. Alles Weitere wird jedoch an der konstituierenden Sitzung des Stadtrates entschieden.
Genau. Ich werde weiterhin an der Schule Urdorf unterrichten können und mich ebenfalls weiter in der Schulkommission der Kantonsschule Limmattal einsetzen. Auch entschied ich mich, eine Weiterbildung im Bereich integrative Förderung in Angriff zu nehmen. Zudem wurde ich kürzlich als erste Frau in den Lions Club Limmattal gewählt und freue mich mit meinem Mann auf eine Japan-Reise zu gehen. Seit dem Wahlsonntag vom 4. März habe ich sehr viel Wertschätzung erfahren. Ich werde meine Aufgaben im Stadtrat, im Beruf und in anderen Gremien mit vollem Einsatz weiterführen.