130 Kilometer Velovorzugsrouten will der Zürcher Stadtrat bis 2030 erstellen und massenweise Parkplätze dafür aufheben. Die erste Route ist eröffnet – und soll noch verbessert werden.
Selten hat ein Veloweg schon vor der offiziellen Eröffnung solche Diskussionen ausgelöst wie die erste Stadtzürcher Velovorzugsroute. Von Verkehrschaos beim Einkaufszentrum Letzipark war die Rede, von einer Bankrotterklärung für die Stadt. Velofreundliche Kreise hingegen kritisierten, es gebe immer noch zu viel Autoverkehr auf der Velovorzugsroute, die auf der Baslerstrasse vom Kreis 4 vorbei am Letzigrundstadion nach Altstetten führt. «Dabei ist aus Städten wie Utrecht, Kopenhagen oder Groningen schon seit Jahrzehnten bekannt, dass autofreie Velorouten die Sicherheit erhöhen», schrieb die Organisation Umverkehr in einer Medienmitteilung.
Am Donnerstag haben die Stadträtinnen Simone Brander (SP) und Karin Rykart (Grüne) die 2,9 Kilometer lange Strecke nun mit einer Medienkonferenz offiziell eröffnet – und auf die Kritik reagiert. Es gelte jetzt Erfahrungen zu sammeln und auszuwerten, sagte Brander. Schliesslich halte der Stadtrat am Ziel fest, bis 2030 insgesamt 130 Kilometer Velovorzugsrouten in Zürich zu schaffen.
Ausgangspunkt dafür war eine Volksabstimmung im September 2020 über die Initiative «Sichere Velorouten für Zürich». Brander hatte sie noch als Gemeinderätin mitlanciert. Gut 70 Prozent des Stadtzürcher Stimmvolks stimmten der Initiative zu, die den Bau eines mindestens 50 Kilometer umfassenden, grundsätzlich autofreien Veloroutennetzes forderte.
Brander betonte, bei der ersten Velovorzugsroute sei jetzt erst die zweite von drei Etappen der Umgestaltung vollzogen: Die Stadt habe die Route markiert und insgesamt 114 Parkplätze abgebaut, um möglichst freie Bahn für Velos zu schaffen. Zusätzliche Ampeln geben den Velofahrenden an manchen Kreuzungen vorzeitig grünes Licht.
Erkennungszeichen der Velovorzugsroute ist ein 40 Zentimeter breiter grüner Farbstreifen am Strassenrand. An gefährlichen Kreuzungen und Ausfahrten ist der Boden grossflächig rot gefärbt, um zu zeigen, dass hier Velofahrende Vorrang haben. Zwischendurch sind immer wieder in Gelb grosse Velo-Piktogramme auf den Boden gemalt.
Eine Testfahrt des Schreibenden ergab: Allzu viel hat sich nicht verändert. Die Baslerstrasse war schon vor der Umgestaltung ziemlich geeignet als schnelle Veloroute. Doch dass nun diverse Parkplätze aus dem Weg geräumt sind, ermöglicht eine ungebremstere Fahrt. Allerdings herrscht immer noch relativ viel Verkehr. Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmende, seien sie zu Fuss oder im Auto unterwegs, bleibt überlebenswichtig.
«Wir versuchen, den Durchgangsverkehr wegzubringen», sagte Stadträtin Rykart, die dem Sicherheitsdepartement vorsteht. Wichtigstes Mittel dabei sei momentan, dass die Baslerstrasse streckenweise für Autos nur noch Einbahnstrasse ist. Ganz verschwinden werde der motorisierte Verkehr aber nicht: Fahrten von Anwohnenden, Gewerbetreibenden, Blaulichtorganisationen sowie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen seien auch auf Velovorzugsrouten noch zulässig.
In der noch ausstehenden dritten Stufe der Umgestaltung gelte es dann, das ganze Verkehrssystem neu zu organisieren, sagte Tiefbauvorsteherin Brander. Das bedeute: Mehr Platz für Fuss- und Veloverkehr sowie für Pflanzen. Vorerst habe sich der Stadtrat aber pragmatisch auf das unmittelbar Machbare konzentriert. Bevor es zur dritten Stufe komme, wolle man nun erst einmal untersuchen, wie sich die bisherigen Massnahmen auswirken.
Insgesamt arbeite die Stadt Zürich derzeit an 45 Projekten für Veloschnellrouten. Drei davon – in Höngg, Schwamendingen und von Oerlikon nach Affoltern – seien momentan durch Einsprachen blockiert. Letztere hätten den Abbau von gegen 500 Parkplätzen zur Folge, wie Brander sagte. Dies schüfe Platz, sodass Velofahrende einander überholen könnten, sagte Rykart.
Sie betonte: Rechtlich bestehe kein Anspruch auf Parkplätze in der blauen Zone. Dies habe im Falle eines Projekts an der Zurlindenstrasse das Verwaltungsgericht festgehalten; der Entscheid sei inzwischen rechtskräftig. Allerdings müsse die Justiz bei Rekursen jeden Fall neu beurteilen.
Während die einen um Parkplätze kämpfen, sähen es andere gerne, wenn der Stadtrat bei der Umsetzung der Velo-Initiative noch einen Zacken zulegte: «Aktuell haben wir auf den Velovorzugsrouten noch viel zu viel Autoverkehr», sagte Umverkehr-Geschäftsleiter Silas Hobi am Rande der Medienkonferenz. «Aber ich finde es gut, dass es jetzt vorwärtsgeht.» Seine Forderung an den Stadtrat: Es bräuchte mehr grosse Velo-Piktogramme, um die Velovorzugsrouten klarer zu kennzeichnen.
Auf Kritik stiess der grüne Streifen als Erkennungszeichen der Velovorzugsrouten: Dieser sei nicht selbsterklärend, sagte Yvonne Ehrensberger, Geschäftsleiterin von Pro Velo Kanton Zürich. Auch sie forderte mehr grosse Velopiktogramme. Zudem seien vermehrt Fahrverbote und Pfosten nötig, um die Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich» umzusetzen.
Doch das nun mit der ersten Zürcher Velovorzugsroute Erreichte sei als Zwischenlösung besser als vorher: «Man kann jetzt in einem Schnurz durchfahren», sagte Ehrensberger.