Energiewende
Auch der See soll Häuser wärmen: Zürich stimmt über eine halbe Milliarde für thermische Netze ab

Fernwärme und -kälte soll künftig auch aus dem Zürichsee und der Kläranlage Werdhölzli kommen. Mit einer halben Milliarde Franken wollen der Zürcher Stadt- und Gemeinderat dies vorantreiben. Nun entscheidet das Stimmvolk.

Matthias Scharrer
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Das Projekt «Cool City» mit Wärme und Kälte aus dem Zürichsee soll am meisten CO2 einsparen.

Das Projekt «Cool City» mit Wärme und Kälte aus dem Zürichsee soll am meisten CO2 einsparen.

Keystone

Zürich soll bis 2040 klimaneutral sein und die Treibhausgasemissionen auf Stadtgebiet auf Netto-null senken. Dies hat das Stadtzürcher Stimmvolk im Mai beschlossen. Nun geht es an die Umsetzung. Zentral ist dabei der Wechsel auf erneuerbare Heizenergie, denn: «Fossile Heizungen sind heute für 50 Prozent der direkten CO2-Emissionen verantwortlich», hält der Zürcher Stadtrat fest.

Mit 573 Millionen Franken will er daher den Ausbau sogenannter thermischer Netze durch das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) weiter ankurbeln. Über den Rahmenkredit entscheidet das Stadtzürcher Stimmvolk am 27. November.

Auch Altstetten, Höngg und Albisrieden sind betroffen

Es handle sich um ein «Generationenprojekt», schreibt der Stadtrat. Betroffen seien die Gebiete Albisrieden, Altstetten, Höngg, Aussersihl, City und Enge.

Mit dem Ausbau der thermischen Netze liessen sich gemäss Schätzungen jährlich rund 52’000 Tonnen CO2 einsparen. Die Wärme oder Kälte käme in Form von Wasser über Rohrleitungen zu den Häusern, wobei in Spitzenzeiten vorerst noch bis zu 15 Prozent der Fernwärme mit Erdöl und Erdgas erzeugt werden. Bis 2040 solle dieser Anteil auf null sinken.

Ziel sei es, in den genannten Gebieten 70 Prozent der Gebäude an die geplanten Energieverbünde anzuschliessen. Für Hauseigentümer bestehe aber keine Anschlusspflicht.

Abwärme aus der Kläranlage

Die Gebiete Höngg-Zentrum und Altstetten Ost sollen im Zuge des Generationenprojekts für die Wärme- und Kälteversorgung über das Klärwerk Werdhölzli erschlossen werden. Hier stehen als Energiequellen Abwärme aus dem Klärwerk und aus der Klärschlammverwertung sowie gereinigtes Abwasser zur Verfügung. Der Umbau soll laut Stadtrat nächstes Jahr beginnen und 2032 fertig sein.

In Albisrieden ist entlang des Friedhofs Sihlfeld vom Utogrund bis zum Triemli Wärmeversorgung aus Biomasse und diversen Quellen geplant, wie es im Projektbeschrieb des Stadtrats heisst. Umsetzungszeitraum: 2028 bis 2036.

«Cool City» mit Seewasser kostet am meisten

Für die Quartiere City und Enge ist das Projekt «Cool City» vorgesehen, mit Wärme und Kälte aus dem Zürichsee, aufbereitet über Grosswärmepumpanlagen. Mit geschätzten 20'000 Tonnen pro Jahr sieht der Stadtrat hier das grösste CO2-Sparpotenzial. Und mit 213 Millionen Franken die höchsten Kosten. Die Umsetzung ist im Zeitraum 2026 bis 2037 geplant.

Im Stadtteil Aussersihl ist der Ausbau des Energieverbunds Hardau/Sihlfeld zwischen dem Friedhof Sihlfeld, dem Stadion Letzigrund und der Hohlstrasse vorgesehen, primär mit Grundwasser als Energiequelle. Geprüft werden sollen aber auch Luft und Holzschnitzel für die Energiegewinnung. Umsetzung: 2028 bis 2036.

Erneut ist nur die SVP dagegen

Im Stadtparlament stiess das Vorhaben auf breite Unterstützung: Der Gemeinderat stimmte mit 107:14 Stimmen zu. Allein die SVP ist dagegen. Sie warnt: «Die Monsterprojekte der Stadt sind mit grossen Umsetzungs- und Betriebsrisiken behaftet.»

Es bestehe ein erhebliches Ausfallrisiko in der Wärmeversorgung. Zumal der Betrieb von Wärmepumpen und Verbundnetzen Strom brauche. Da der Ersatz von Kernkraftstrom mit Solar- und Windenergie nur langsam vorankomme, drohe aber eine Stromlücke. Ohnehin wäre es gemäss SVP sinnvoller, viele private Heizanlagen zu bauen statt staatliche Verbundnetze.

Die parteipolitische Ausgangslage ist damit gleich wie bei der Stadtzürcher Abstimmung zum Ausbau des aus Kehricht- und Holzverbrennung gespeisten Fernwärmenetzes vor einem Jahr. Damals ging es um 330 Millionen Franken. 84 Prozent des Stimmvolks waren dafür.