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Region (LiZ)
Zürich
Der Regierungsrat will den 21- bis 59-jährigen Kantonsangestellten eine zusätzliche Ferienwoche geben. Allerdings darf diese nichts kosten. Der Vorschlag stösst auch von unerwarteter Seite auf Ablehnung: bei den Gemeinden und grossen Institutionen.
Die «fünfte Ferienwoche» brennt den rund 38'000 Angestellten des Kantons Zürich schon seit mindestens einem Jahrzehnt unter den Nägeln. Die 21- bis 49-Jährigen unter ihnen, rund 60 Prozent von allen, beziehen noch immer nur vier Wochen. 2011 versetzten die Stimmberechtigten dem Anliegen einen Dämpfer, als sie eine Initiative der Gewerkschaften mit 62 Prozent Nein-Stimmenanteil ablehnten. Das Killerargument waren damals die Kosten. Der Regierungsrat bezifferte sie auf 44 Millionen Franken.
Unterdessen hat er erkannt, dass die Verwaltung mit ihrer Ferienregelung nicht mehr zeitgemäss ist – obwohl die Kantonsangestellten von etlichen Vorzügen profitieren. So können sie etwa bis zu 15 Tage pro Jahr vorholen und so die Ferien um so viel verlängern. Die Regierung schickte Anfang Juni einen neuen Vorschlag in die Vernehmlassung. Hauptpunkt: Sie möchte den 21- bis 49-Jährigen eine fünfte und den 50- bis 59-Jährigen eine sechste Ferienwoche verschaffen. Aber es darf nichts kosten. Die beiden Altersgruppen müssen gemäss Vorschlag eine halbe Stunde pro Woche länger arbeiten. Zudem würden die beiden freien Tage über den Jahreswechsel wegfallen und an die Ferien angerechnet. Diese «Verschlechterung» müssten alle Angestellten mittragen, auch jene ohne Zusatzferien (siehe Box).
Die Regierung kann dies mit der Änderung der Vollzugsverordnung zum Personalgesetz in Eigenregie durchsetzen. Das Parlament hat dazu nichts zu sagen. Das Geschäft musste dennoch in eine Vernehmlassung, auch weil zahlreiche Gemeinden und Institutionen betroffen sind, die das kantonale Recht übernehmen.
Am letzten Freitag ist die Vernehmlassungsfrist abgelaufen. Eine erste – wenn auch unvollständige – Übersicht zeigt, dass der regierungsrätliche Vorschlag bei den wichtigen Playern schlecht ankommt. Die fünfte Ferienwoche wird zwar überall als zeitgemäss begrüsst. Dass dies aber zum Nulltarif geschehen soll, stösst auf leichte bis schwere Kritik. Überraschend ist, dass die Ablehnung nicht nur von linker und gewerkschaftlicher Seite kommt, sondern auch von den Gemeinden und grossen Institutionen wie der Universität und dem Unispital.
Der Leitende Ausschuss des Verbands der Gemeindepräsidenten (LA GPV) bringt seine Vorbehalte wie gewohnt sehr diplomatisch vor. Die geplante Kompensation überzeuge nicht, schreibt er. Und die halbstündige Erhöhung der Wochenarbeitszeit sei «unzweckmässig». Auf den Output der Verwaltung wirke sich dies kaum aus. «Deshalb kann (...) auf eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit verzichtet werden.» Ohnehin liege die mittlere Wochenarbeitszeit der öffentlichen Verwaltungen in der Schweiz mit 41,5 Stunden bereits jetzt tiefer als in der Zürcher Kantonsverwaltung (42 Stunden), schreibt der LA GPV. In Ordnung findet er es, dass die Angestellten die freien Tage beim Jahreswechsel beisteuern müssen.
Die Stellungnahme des Vereins Zürcher Gemeindeschreiber und Verwaltungsfachleute (VZGV) klingt ähnlich, enthält aber zwei zusätzliche Negativpunkte: Es gebe Zusatzaufwand für die gesonderte Zeiterfassung für die unter 20-Jährigen und über 60-Jährigen. Zudem verschlechtere sich für diese beiden Gruppen die Situation durch den Wegfall der beiden Jahresend-Freitage. Die fünfte Ferienwoche begrüsst der Verein ausdrücklich. «Der Arbeitsmarkt bei den Verwaltungsangestellten ist ausgetrocknet – besonders bei den Kaderstellen», sagt Thomas-Peter Binder, Präsident des VZGV und Gemeindeschreiber in Gossau. Eine fünfte Ferienwoche könne helfen, die Attraktivität des Berufs zu steigern. An den Löhnen könne es nicht liegen, diese seien konkurrenzfähig. Auch nicht an der Arbeit, die Binder als vielfältig und spannend beschreibt. Dass es an Nachwuchs fehlt, wundert ihn, weil jedes Jahr rund 200 Lehrlinge in Verwaltungen an den Start gehen.
Die Stellungnahmen des LA GPV und des VZGV haben Gewicht. Sie vertreten die 166 Gemeinden im Kanton. Allerdings haben Zürich und Winterthur sowie weitere Gemeinden eigene Lohn- und Arbeitszeitregelungen. «Aber weit über 100 Gemeinden im Kanton richten sich nach dem Kanton», sagt Binder. Was die Regierung also beschliesst oder unterlässt, wirkt sich direkt auf diese aus. Sie wären es auch, welche die Kosten für die zusätzliche Ferienwoche tragen müssten. Eine Reihe von Gemeinden gewähren laut Binder die fünfte Ferienwoche bereits. Alle wären im Prinzip frei, dies auch, ohne den Kanton zu tun. «Aber wenn zu viele ein Sonderzüglein fahren, führt das zu einem unübersichtlichen Wildwuchs.» Binder wäre daher eine Einheitsregelung für alle Gemeinden aus der Feder der Regierung lieber.
Ja zu mehr Ferien, aber ohne Kompensation, sagen auch das Unispital und die Universität, wie gut informierte Personen wissen. Offiziell wollen diese beiden Institutionen keine Auskunft geben und vertrösten auf später. Deutliche Worte wählt die Personalkommission (Peko) der Universität, die ihr Nein mit dem Slogan «Pseudoferien – Nein danke» titelt. Da man schon heute 15 Tage vorholen könne, bringe die Neuerung keine Verbesserung. Eher das Gegenteil, weil sie die Wahlfreiheit der Arbeitnehmer einschränke. Die Erhöhung der Arbeitszeit auf 42,5 Stunden mache die Uni als Arbeitgeber unattraktiver, zumal in der Privatwirtschaft kaum mehr jemand 42 Stunden arbeite.
Kritik meldet auch der Verband der Zürcher Spitalärzte VSAO an. Die fünfte Ferienwoche sei überfällig, schreibt er. Es sei ja bekannt, dass dieser Mangel die Rekrutierung von Ärzten in kantonalen Betrieben erschwere. Die Kompensationspflicht sei für die Spitalärzte kein Thema, weil sie ohnehin auf 50 und mehr Wochenstunden kämen, was in den meisten Fällen gesetzeswidrig sei.
Dass die linken Parteien – SP, Grüne, AL – sowie die Angestelltenverbände und Gewerkschaften eine zusätzliche Ferienwoche wollen, aber die Kompensation strikte ablehnen, ist keine Überraschung. Einige von ihnen äusserten sich schon im Juni, als die Regierung ihr Vorhaben lancierte. «Einfach zu schäbig», titelt die Gewerkschaft VPOD ihre Mitteilung. Der SP missfällt, dass die Angestellten ihre Zusatzferien vorholen müssen und dass auch Nichtbetroffene zwei freie Tage hergeben müssen. Die grösste Partei, die SVP, hat keine Stellung genommen. Dies in der irrigen Annahme, das Geschäft komme in den Kantonsrat und könne dort noch verändert werden.
Die Grünliberalen begrüssen die fünfte Ferienwoche ebenfalls, lehnen aber die Erhöhung der Arbeitszeit ab und machen andere Kompensationsvorschläge. Dass die Angestellten zwei freie Tage hergeben müssen, finden sie ebenso richtig wie das Prinzip der Kostenneutralität. Dieser Ansicht ist auch die FDP, bezeichnet aber die Verlängerung der Arbeitszeit als «kleinlich.» Diesen Teil könne man den Kantonsangestellten schenken. Er lasse sich durch Effizienzsteigerungen auffangen.
Die Zürcher Regierung hat am 7. Juni folgenden Vorschlag in eine kurze Vernehmlassung bis zum 13. Juli gegeben: Die 21 bis 49-jährigen Kantonsangestellten sollen eine fünfte Ferienwoche erhalten. Sie beziehen als einziges Alterssegment derzeit nur vier Wochen. Die 50 bis 59-jährigen bekämen ebenfalls eine zusätzliche Ferienwoche. Sie beziehen bereits fünf Wochen. Für die übrigen Altersgruppen änderte sich nichts. Ausdrücklich ausgenommen von der Neuregelung wären die Lehrpersonen. Die Regierung will, dass die zusätzlichen Ferien den Staatshaushalt nichts kosten. Dafür sieht sie zwei Massnahmen vor: Die Bezüger einer zusätzlichen Ferienwoche müssen pro Woche eine halbe Stunde mehr Arbeiten.
Die Wochenarbeitszeit würde sich von 42 auf 42,5 Stunden erhöhen. Die beiden freien Tage, welche die Regierung den Angestellten jeweils über den Jahreswechsel gewährt, würden wegfallen und an die Ferien angerechnet. Davon wären alle Angestellten betroffen, also auch jene, die keine zusätzlichen Ferien erhalten sollen. Die Regierung plant, die Neuerungen bereits auf 2019 einzuführen. Geändert würde lediglich eine Vollzugsverordnung zum Personalgesetz. Das Geschäft käme deshalb nicht in den Kantonsrat. Welche Schlussfolgerungen die Regierung aus der Vernehmlassung zieht, ist offen.