Leitartikel von Matthias Scharrer zur Abstimmung über die Verkleinerung des Zürcher Stadtrats.
Stefan Mühlemann hat mit seiner Volksinitiative «Mehr Geld für Zürich: 7 statt 9 Stadträtinnen und -räte» einen beachtlichen Start auf Zürichs Politbühne hingelegt. Die für die Volksabstimmung nötigen Unterschriften sammelte der Ökonom, der als Finanzchef beim Zürcher Gastrounternehmen Candrian arbeitet, praktisch im Alleingang. Und mit Alt-Stadtpräsident Elmar Ledergerber (SP) sowie dem aktuellen Stadtrat Filippo Leutenegger (FDP) hat er politische Schwergewichte rechts und links der Mitte auf seiner Seite. Am 23. September entscheiden nun die Stadtzürcher Stimmberechtigten über das Anliegen.
Worum geht es? Die Initiative verlangt, dass die Anzahl der Zürcher Stadtratsmitglieder bei den Wahlen 2022 von neun auf sieben verringert wird. Mühlemann verspricht sich davon einen Anstoss für eine Verwaltungsreform, die Doppelspurigkeiten abbauen und dadurch Geld freisetzen soll.
Allein die Streichung zweier Departemente brächte jedoch unmittelbar rein finanziell wohl nicht allzu viel: zwei Stadtratslöhne à rund 245'000 Franken, dazu die eine oder andere Kommunikations-, Verwaltungs- und Sekretariatsstelle – mehr als ein einstelliger Millionenbetrag dürfte dabei pro Jahr kaum herausspringen. Das ist zwar an sich durchaus eine Menge Geld, doch angesichts des jährlichen Gesamtbudgets der Stadt Zürich von fast 9 Milliarden Franken fällt es nicht gross ins Gewicht. Selbst wenn bei einer Annahme der Initiative die von Mühlemann erhoffte Verwaltungsreform zum Tragen käme: Die Arbeiten, die heute beispielsweise auf die oft genannten Fusionskandidaten Hoch- und das Tiefbaudepartement verteilt sind, müssten grösstenteils weiterhin gemacht werden. Viel mehr Geld für Zürich gäbe also nicht.
Der Zürcher Stadtrat lehnt denn auch die Initiative mehrheitlich ab. Ebenso hält es die Mehrheit im Gemeinderat. Allerdings brauchte es im Stadtparlament den Stichentscheid des SP-Ratspräsidenten zur Mehrheitsbildung: SVP, FDP, GLP und CVP unterstützten die Initiative, SP, Grüne und AL waren dagegen. Dass eine Verkleinerung des Stadtrats mehr Geld für Zürich bringe, sei nicht belegt, argumentieren die Gegner der Initiative. Damit nicht genug: Kurz- und mittelfristig würde das Grossprojekt sogar zu höheren Personalkosten führen.
Dennoch gibt es gute Gründe für Mühlemanns Reformvorschlag. Neben möglichen finanziellen Langzeitvorteilen spielt auch die symbolische Ebene eine Rolle: Der Bundesrat kommt mit sieben Magistraten aus. Warum sollte Zürich mehr brauchen? Auch die meisten anderen Schweizer Stadt- und alle Kantonsregierungen haben weniger Exekutivmitglieder als Zürich.
Die grösste Schweizer Stadt lebt mit ihrem neunköpfigen Stadtrat ihren Metropolitankomplex aus. Diese These mag zwar zugespitzt sein, doch einen wahren Kern hat sie. Es gibt freilich noch einen anderen Teil der Wahrheit: Das Neunergremium des Zürcher Stadtrats ist historisch gewachsen. Es entstand 1892 im Zuge der ersten Eingemeindungswelle, die Zürich zur Grossstadt machte. Auch daraus lässt sich ein Punkt für Mühlemann ableiten: Nach gut 125 Jahren wäre es an der Zeit, die Stadtverwaltung gründlich zu durchforsten, um die Effizienz zu verbessern und Doppelspurigkeiten abzubauen.
Einen wundersamen Wandel hin zu einer Zürcher Stadtregierung und -verwaltung von völlig ungeahnter Dynamik darf man sich davon allerdings nicht versprechen. Denn zum einen hat der Stadtrat im Zuge der Sparübungen der letzten Jahre seine Effizienz schon mehrfach überprüft – und betont, dies ohnehin ständig zu tun. Zum anderen werden die Aufgaben der wachsenden Stadt nicht weniger, nur weil man den Stadtrat verkleinert.
Doch etwas frischer Wind tut gut. Mühlemann, der jahrelang für den Grosskonzern Nestlé in Amerika arbeitete, ist überzeugt, dass es sich immer wieder lohnt, grosse Organisationen im Hinblick auf ihre Effizienz zu durchleuchten. Er sieht seine Initiative nicht als Sparvorschlag. Vielmehr wirbt er damit, die allenfalls durch die geforderte Verwaltungsreform frei werdenden Mittel für dringend nötige Aufgaben der Stadt einzusetzen, etwa in den Schulen oder Altersheimen. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Fazit: Dringend nötig ist die Initiative «7 statt 9» nicht. Der Stadt geht es auch jetzt gut, ihre Verwaltung funktioniert in der Regel im Sinne der Bevölkerung, auch der Stadtrat wurde vom Stimmvolk letzten Frühling in seiner Politik bestätigt. Dennoch könnte ein radikales Überdenken der gewachsenen Strukturen nützlich sein. Auch für Zürich.