«Schweiz steht Spanien im Weg» und Kommentar «Neutralität, die niemand versteht», Ausgabe vom 12. Januar
Das Schweizer Kriegsmaterialgesetz verbietet Spanien, wie auch schon Deutschland, Rüstungsgüter, die in der Schweiz hergestellt worden sind, in die Ukraine zu liefern. Die Schweizer Behörden klammen sich krampfhaft an einen fast heilig anmutenden Neutralitätsbegriff. Augenmass und Verhältnismässigkeit sind nicht gefragt. So werden der Ukraine dringend benötigte Rüstungsgüter vorenthalten.
Andrerseits wurden in abgeschossenen iranischen Drohnen GPS-Module aus der Schweiz gefunden. Mit der Anmerkung des Vertreters der Herstellerfirma, solche Module könnten leicht zum Beispiel auch aus E-Bikes demontiert werden, macht er sich sensationell lächerlich. Die Firma möge sich überlegen, wie die GPS-Module modifiziert werden könnten, dass sie nur in Westeuropa funktionieren. Es ist an der Zeit, dass jeder Schweizer sich Gedanken macht, ob es richtig ist, der Ukraine dringend benötigte Rüstungsgüter zu verweigern und im Gegenzug die russischen Aggressoren indirekt zu unterstützen. Und dabei munter Geld zu machen. Ist das die moderne Auslegung der Neutralität?
Ernst Boller, Hagendorn
In Europa stehen derzeit Demokratie und Freiheit auf dem Spiel. Der Bundesrat muss aufhören, unseren demokratischen Nachbarn zu verbieten, Schweizer Munition in die Ukraine weiterzuliefern. Demokratische Länder müssen doch aus der Schweiz bezogenes Kriegsmaterial an demokratische Staaten, die Opfer eines Angriffskrieges sind, weitergeben können. Aber laut Bundesrat und Seco fallen sogar Lieferungen von Schutzmaterial für die Zivilbevölkerung unter das Gleichbehandlungsgebot der Kriegsparteien.
Der Bundesrat versteckt sich hinter einer viel zu engen Auslegung der Neutralität. Viele Stimmen aus der Reihe der Grünliberalen fordern daher eine Neuinterpretation der Neutralität, welche die humanitäre Tradition der Schweiz und Werte der Demokratie und Selbstbestimmung unterstützt.
Unsere europäischen Nachbarn begrüssen das bestimmt, wenn wir eine zeitgemässe und gutschweizerisch pragmatische Auslegung der Neutralität leben, anstelle dieser zunehmend dogmatischen Praxis. Hoffentlich wird die Schweiz nie von einem Diktator angegriffen – und unsere demokratischen Nachbarn verstecken sich und helfen einfach nicht.
Tabea Estermann, Präsidentin GLP Kanton Zug, Zug