Bei der Erhöhung der Kinderabzüge nimmt das Parlament einen neuen Anlauf. Dabei zeigt sich: Der Ständerat hat nichts aus der Abstimmungsniederlage gelernt. Er bringt einen Abzug auch für Familien mit klassischer Rollenverteilung ins Spiel.
Eigentlich stammt der Vorschlag vom Bundesrat selbst. Eine Neuauflage wurde notwendig, weil die Schweizer Bevölkerung sich letzten Herbst deutlich gegen höhere Steuerabzüge für Kinder bei den Bundessteuern aussprachen. Bei der Gesetzesrevision war es ursprünglich nur darum gegangen, die Abzüge für die Kinderbetreuung in Kitas zu erhöhen.
Doch dann schlug Nationalrat Philipp Kutter (Die Mitte/ZH) bei den parlamentarischen Beratungen im letzten Moment vor, auch den allgemeinen Kinderabzug zu erhöhen. Er wollte damit verhindern, dass Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen, benachteiligt würden. Mit hohen finanziellen Folgen: Statt um zehn wäre es auf einmal um 380 Millionen Franken gegangen, die im Bundeshaushalt fehlen würden.
Aus der Geschichte scheint der Ständerat wenig gelernt zu haben. Auch im zweiten Anlauf möchte er den allgemeinen Kinderabzug bei den direkten Bundessteuern für alle Familien erhöhen. Er beschloss am Donnerstag mit 25 zu 14 Stimmen, dass statt 251 neu 300 Franken vom geschuldeten Steuerbetrag abgezogen werden dürfen. Kostenpunkt: 70 Millionen Franken.
Dieser Abzug kommt allen Familien zugute – unabhängig vom gewählten Familienmodell. Konkret also auch Familien, die eine traditionelle Rollenverteilung haben. Das sei eine «gewisse Geste» gegenüber jenen Familien, die ihre Kinder selbst betreuen, argumentierte Stefan Engler (Die Mitte/GR) im Namen der Kommission. Hannes Germann (SVP/SH) betonte, Familien mit mittleren und tiefen Einkommen würden überproportional entlastet. Er wundere sich, dass sich die Minderheit gegen Kleinverdiener stelle.
Paul Rechsteiner (SP/SG) kritisierte den Vorschlag als «Hüftschuss». Eine indirekte Subventionierung von Familien habe auch nichts mit der Vorlage zu tun, erklärte Eva Herzog (SP/BS). Es gehe hier um den Missstand des Fachkräftemangels. Christian Levrat (SP/FR) sprach von «fehlendem Respekt» für einen Volksentscheid, der notabene sehr deutlich ausgefallen sei.
Skeptisch zeigte sich auch Finanzminister Ueli Maurer. Nachdem die letzte Vorlage an der Urne «grossartig gescheitert» sei, sollte das Parlament beim ursprünglichen Plan bleiben. Es ergebe keinen Sinn, daraus eine familienpolitische Vorlage zu machen. Im Vordergrund stünde die Stärkung einheimischer Fachkräfte. Laut Maurer profitiert zudem nur die Hälfte aller Familien.
Unbestritten war der Kern der Vorlage. Anstatt wie bisher 10'100 Franken sollen Eltern neu maximal 25'000 Franken an Drittbetreuungskosten pro Kind vom Einkommen abziehen können. Kurzfristig dürfte die Reform zu Mindereinnahmen von jährlich rund zehn Millionen Franken führen.
Der Bund geht jedoch davon aus, dass die Ausfälle aufgrund von positiven Beschäftigungsimpulsen «auf längere Sicht» kompensiert werden. Laut Finanzminister Ueli Maurer können dadurch 2500 zusätzliche Vollzeitstellen besetzt werden.