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Der Bund korrigiert seine Konjunkturprognosen erneut nach unten. Eine Rezession dürfte der Schweizer Volkswirtschaft dennoch erspart bleiben – vorausgesetzt, die Energie wird nicht rationiert.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) rechnet mit einer deutlichen Abschwächung der Konjunktur. Die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes senkt ihre Wachstumsprognose auf 2 Prozent für 2022 und 1,1 Prozent für das kommende Jahr. Im Juni gingen die Experten noch von einem Wachstum von 2,6 respektive 1,9 Prozent aus. Eine Rezession würde damit ausbleiben, sagte Seco-Vizedirektor Eric Scheidegger am Dienstag an einer Medienkonferenz.
Allerdings ist dies nur das wahrscheinlichste von drei Szenarien, die das Seco ausgearbeitet hat. Das zweitwahrscheinlichste Szenario prognostiziert für das kommende Jahr eine Rezession von -0,8 Prozent und damit verbunden einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 2,6 Prozent.
Mit diesem Szenario sei dann zu rechnen, wenn die Inflation nicht abgebremst werden könne und die Zentralbanken zu einer zunehmend restriktiven Geldpolitik zwinge, so Scheidegger. Zu erwarten wäre dann hoher Preisdruck bei gleichzeitig rückläufiger Wirtschaftsleistung. Auch bei einer Rationierung von Gas oder Strom mit Produktionsausfällen auf breiter Basis wäre mit diesem Negativszenario zu rechnen. Ein drittes Szenario wäre positiver, ist aber laut Scheidegger am «wenigsten wahrscheinlich.»
Betroffen von der Krise ist die Schweiz vor allem über deren Auswirkungen auf die wichtigen Handelspartner in Europa, Nordamerika und Asien. Diese seien viel stärker von der Inflation betroffen als die Schweiz, sagte Scheidegger. Vor allem in den USA zeichne sich eine breite Inflation ab, die nicht direkt mit der Energiekrise begründet werden könne. Dies mache weitere Restriktionen bei der Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank wahrscheinlich.
Im Euro-Raum und damit in der Schweiz seien dagegen hauptsächlich gestiegene Energie-, Wohn- und Lebensmittelkosten für die Teuerung verantwortlich, so Scheidegger. Die Energiepreise wirkten sich im Ausland aber deutlich stärker auf die Konjunktur aus als in der Schweiz, Den Grund dafür sieht er in der Wirtschaftsstruktur der Schweiz: «Durch Spezialisierung auf hohe Wertschöpfung haben wir keine Basisindustrie mehr, die sehr viel Energie konsumiert.»
Die Inflation in der Schweiz schätzt die Expertengruppe auf 3 Prozent für 2022 und 2,3 Prozent für das kommende Jahr. Die Binnennachfrage werde dadurch entsprechend gedämpft, heisst es in der Mitteilung des Seco. Der Arbeitsmarkt dürfte aber stabil bleiben – selbst bei der im Negativszenario prognostizierten Rezession von -0,8 Prozent. Im Basisszenario rechnet das Seco für 2022 mit einer Arbeitslosenquote von 2,2 Prozent und 2,3 Prozent für 2023. Im Negativszenario käme die Arbeitslosenquote 2022 auf 2,2 und 2023 auf 2,6 Prozent.
Beide Szenarien gehen allerdings davon aus, dass die westlichen Zentralbanken die Inflation mittelfristig unter Kontrolle bringen und dass sich die Energiekrise im nächsten Sommer dauerhaft stabilisiert. Sowohl eine Abflachung des Wachstums als auch eine Rezession wären damit lediglich eine temporäre Delle – in der zweiten Jahreshälfte 2023 befände sich die Wirtschaft in beiden Szenarien wieder auf dem Wachstumspfad.
Mit ihrer aktuellen Einschätzung korrigiert die Expertengruppe des Seco ihre Erwartungen bereits zum vierten Mal in Folge nach unten. Noch im Juni hatten dieselben Experten mit einem Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent für 2022 und 1,9 Prozent für das kommende Jahr gerechnet. Im März hatte die Expertengruppe ihre Prognose für 2022 von 3 Prozent Wachstum auf 2,8 Prozent gesenkt, dies nach dem Ausbruch der Kampfhandlungen in der Ukraine.
Bereits im Dezember 2021 hatte das Seco die Prognose für 2022 auf drei Prozent Wachstum gesenkt – zuvor war es noch von einem Rekordwachstum von 3,4 Prozent ausgegangen. Als Grund für die erste Abschwächung der Erwartungen nannte das Seco neben den damals grossen Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Pandemie bereits im Dezember Kapazitätsengpässe und steigende Energiepreise. Die Teuerung wurde damals aber noch als vorübergehendes Phänomen aufgefasst, für das laufende Jahr wurde die Inflation auf 1,1 Prozent im Jahresdurchschnitt geschätzt.