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Ausserrhoder Unternehmen müssen derzeit besondere Herausforderungen bewältigen. Ein paar Beispiele.
In ihrer über 200-jährigen Geschichte hat die Herisauer Cilander AG schon einige historische Ereignisse überdauert. Die Coronakrise soll nun das nächste sein. Die Textilverarbeiterin beschichtet neben technischen Textilien normalerweise hauptsächlich Stoffe für die Modeindustrie. Aktuell bearbeitet sie aber zunehmend Textilien für medizinische Zwecke, eigentlich nur ein Nebengeschäft des Unternehmens. Die Nachfrage nach Stoffen für Masken und Schutzbekleidungen ist gross, anders als diejenige nach Hemden oder Blusen.
Profit schlagen kann die Cilander AG aus dieser Ausgangslage nicht. Ein Teil der Angestellten befindet sich in Kurzarbeit. «Wir versuchen die freigewordenen Kapazitäten für die nun nachgefragten Textilien einzusetzen. Wir haben den Betrieb aber stark reduziert», sagt Burghard Schneider, der CEO der Cilander AG. Wie die Krise den Erfolg der Unternehmung beeinflusst, ist noch unklar. Dies hänge unter anderem an den Kunden in der Bekleidungsindustrie. Und diese rechne für die laufende Saison mit 30 bis 40 Prozent weniger Umsatz, schätzt Schneider. Immerhin stelle die Beschaffung der Rohstoffe für die Firma momentan kein Problem dar: Zwar bezieht die Cilander AG auch Rohwaren aus Asien und Italien, wo die Lieferketten grösstenteils unterbrochen sind. Allerdings kann sie den Bedarf mit innereuropäischen Quellen decken.
Ein Produkt der Hänseler AG ist während der Coronakrise besonders gefragt: Das Herisauer Pharmaunternehmen stellt aus Ethanol das Grundlageprodukt für Desinfektionsmittel her. Davon verkauft die Hänseler AG nun rund drei Mal mehr. Ethanol-Produkte sind in der Schweiz momentan Mangelware. Fiebersenkende Medikamente setzt das Pharmaunternehmen ebenfalls um ein Vielfaches mehr ab. Die gestiegene Nachfrage habe dazu geführt, dass die Hänseler AG im März rund eineinhalb Mal mehr Umsatz erwirtschaftet habe, sagt CEO Dominik Hauser. Der Alltag ist für das Pharmaunternehmen deswegen aber nicht leichter. Die Angestellten arbeiten momentan auch an Samstagen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Ein Zehntel des Personals gehört zudem zur Risikogruppe und ist deswegen zum Daheimbleiben gezwungen. Als Ersatz für diese Leute hat die Hänseler AG temporär Angestellte ersetzt. Um nicht doppelte Lohnkosten tragen zu müssen, hat das Unternehmen für die Daheimgebliebenen Kurzarbeit geprüft, aber noch nicht eingeführt. «Sollten wir Kurzarbeit einführen, würden wir die 20 Prozent Lohn, die von der Kurzarbeitsentschädigung nicht gedeckt sind, für die Mitarbeiter übernehmen», sagt Hauser. Der Nachteil an der grossen Nachfrage nach Ethanol-Produkten ist für die Hänseler AG, dass die meisten Maschinen für dessen Herstellung im Betrieb sind. So bleiben andere Aufträge liegen. «Wir müssen viele Kunden um Geduld bitten, da alle unsere Maschinen für die Veredelung von Ethanol im Einsatz stehen», sagt Hauser.
Eine Unternehmung, die für die Herstellung eines Handgels mit Ethanol arbeitet, ist die Just-Unternehmensgruppe aus Walzenhausen. Sie vertreibt weltweit Körperpflegeprodukte und setzt aktuell ungefähr die zehnfache Menge an Handhygieneartikeln ab. Von der Coronakrise kann aber auch die Just kaum profitieren. «Der Aufwand hat sich in der Krise insgesamt erhöht. Der Einkauf muss beispielsweise wegen der Rohstoffknappheit flexibler sein», sagt Heinz Moser, CEO der Just. Doch nicht nur das macht der Unternehmensgruppe zu schaffen: In vielen Ländern ändern sich die Restriktionen täglich, Logistikketten sind unterbrochen. Die Verkaufsberater besuchen die Kunden nicht mehr persönlich. «Über das ganze Jahr gesehen, werden wir durch die Einschränkungen einen Umsatzrückgang haben. In dieser Situation muss auch dem Cashmanagement eine besondere Aufmerksamkeit zukommen.» In Kurzarbeit befinde sich bei der Just zurzeit glücklicherweise niemand. Es helfe der Unternehmung, dass sie auf treue und zufriedene Kunden zählen dürfe, so Moser. Der CEO sieht dennoch eine positive Auswirkung der Krise auf die Just: «Die Digitalisierung hat sich bei uns durch die Situation beschleunigt.» Die Kundenberater sind in der Schweiz bereits vor dem Lockdown auf Beratungen in digitaler Form umgestiegen.
Die Digitalisierung ist gewissermassen das Produkt der AR Informatik (ARI) in Herisau. Sie hat für den Kanton, sämtliche Ausserrhoder Gemeinden und einige Schulen Homeoffice und -schooling eingerichtet. «In den ersten drei Wochen der Pandemie fiel massiv mehr Arbeit an», sagt Johannes Dörler, Geschäftsführer der ARI. Jetzt normalisiere sich der Arbeitsaufwand wieder. Man arbeite aber immer noch nach internem Pandemieplan. Dieser sieht vor, dass verschiedene Teams getrennt voneinander operieren, um den Betrieb bei Ansteckungen in der Firma aufrechtzuerhalten. Bezahlt gemacht habe sich in der aktuellen Krisensituation die Arbeit der letzten Jahre: «Wir haben die IT-Systeme bei Kanton und Gemeinden schon seit langem vereinheitlicht – das hat uns nun die Arbeit erleichtert», sagt Dörler. Er ist sich sicher, dass die Pandemie der Digitalisierung ein Schub verleiht: «Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage nach Homeoffice steigen wird. Viele werden die Vorteile des Homeoffice auch in Zukunft nutzen wollen.»
Hannes Nägeli, Geschäftsführer eines Gaiser Holzbauunternehmens, ist da anderer Meinung. Auch in seiner Firma kommt jetzt das Homeoffice zur Anwendung. Nägeli sagt aber: «Langfristig ist Homeoffice für mich keine Lösung. Mir ist der persönliche Zugang zu den Mitarbeitern wichtig.» Bei der Nägeli AG macht sich die Coronakrise vor allem auf dem Bau bemerkbar. Die UNIA kontrolliert, ob die Arbeiter die Hygienemassnahmen einhalten. Beanstandet habe die Gewerkschaft nur Details, sagt Nägeli. Auf die Auftragseingänge hatte die Krise bis anhin keine negative Auswirkung: «Ich durfte in den letzten Wochen tolle Aufträge entgegennehmen. Die Solidarität der Kunden ist gross.» Die Baubranche werde die Folgen der Krise wohl erst nach einigen Monaten spüren, wenn geschädigte Betriebe mit Investitionen zuwarten. Nägeli ist sich dennoch sicher: «Wenn wir gesund bleiben, werden wir als Betrieb mit unserer nachhaltigen Bauweise gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.»