Im Rahmen eines Austauschprojekts kommen rund 60 Jugendliche aus Deutschland und Tschechien nach Kreuzlingen. Letztere führen im Gottesdienst am Sonntag ein Theaterstück auf.
«Je mehr Austausch es gibt, desto weniger Vorurteile halten sich», sagt der Marburger Pfarrer Ulrich Biskamp, der mit 17 Konfirmanden nach Kreuzlingen gereist ist. Unter ihnen ist die 13-jährige Anna-Caroline Lehmler: «Ich wusste, dass hier alles teuer ist, und ich dachte, dass hier alles chic ist.» Diese Vorstellung wurde gleich bei der Ankunft am Dienstagabend richtiggestellt.
Die Jugendlichen aus Deutschland und Tschechien übernachten in der Zivilschutzanlage beim Pestalozzischulhaus. Das heisst: Stockbetten mit drei Etagen, die Dusche im Schulhaus gegenüber und kein WLAN im fensterlosen Bunker. Ulrich Biskamp betont: «Für Kinder und Jugendliche in der Ukraine ist das im Augenblick Alltag – für uns nur eine besondere Erfahrung.»
Entstanden ist das Austauschprojekt aus einem Gemeinde-Netzwerk von drei Reformationsstädten. Prag war als Heimatstadt von Jan Hus dabei, Zürich als Wirkungsstätte von Huldrich Zwingli und Marburg als diejenige Stadt, in der Jan Hus und Martin Luther das einzige Mal zusammengetroffen sind. «Wir hatten es geplant, weil es zwischen 2015 und 2023 so viele Jubiläen gab», sagt Biskamp. «Der Todestag von Jan Hus vor 600 Jahren, 500 Jahre Reformation in der Schweiz, 500 Jahre nach dem Thesenanschlag von Martin Luther und 500 Jahre evangelisches Zürich.»
Schon in der Anfangszeit war Andrea Bevelaqua dabei, die in Prag geboren ist, aber in Zürich arbeitete. Als die Jugendarbeiterin dann in die Evangelische Kirchgemeinde Kreuzlingen wechselte, nahm sie das Projekt quasi mit. «Es passt wegen der Verurteilung von Jan Hus beim Konstanzer Konzil auch hierher», sagt sie. Die Gäste aus Tschechien freuen sich jedenfalls über den leichten Zugang zu den Hus-Gedenkstätten in Konstanz.
Bis Sonntag treffen sich rund sechzig junge Leute in Kreuzlingen, auch einige aus der Katholischen Kirchgemeinde. Gemeinsam wollen sie zum Beispiel Brötli backen und sie am Samstagmorgen von neun bis elf Uhr vor dem Ceha verkaufen. Der Erlös kommt einem Projekt im Kongo zugute, das sowohl «Brot für alle» als auch die Fastenaktion unterstützen.
Als einen der Höhepunkte bezeichnet Kirchgemeindepräsidentin Susanne Dschulnigg die Aufführung eines zwanzigminütigen Theaterstücks über Jan Hus, das die Prager einstudiert haben. Geschrieben hat es die Delegationsleiterin Jitka Voldanova gemeinsam mit einer Kollegin schon für das Hus-Jubiläum 2015.
Nun kommt es im Rahmen des Gottesdiensts in der Stadtkirche am Sonntag um 10.30 Uhr noch einmal zum Einsatz. «Meine elf Schüler und Schülerinnen sind motiviert, Deutsch zu lernen, auch wegen der Reise hierher. Sie haben ein Vierteljahr ausserhalb der Schulzeit geprobt.»
Die Gäste absolvieren jeweils ein eigenes Programm, bei dem auch touristische Elemente wie eine Fahrt zum Rheinfall, eine Velotour zur Reichenau oder eine Besichtigung der Basilika St. Ulrich Platz finden. Für die Prager anspruchsvoll ist der Besuch einer Andacht auf Deutsch. Die tschechischen Gymnasiasten haben im Unterricht extra den Text durchgenommen, damit sie der Liturgie folgen können.
Der 16-jährige Richard Smáha lernt seit vier Jahren Deutsch. «Ich bin in den Ferien gerne in den Alpen, deshalb wollte ich Deutsch lernen. Ausserdem verstehe ich unsere gemeinsame Geschichte besser, wenn ich die Sprache kann.»