Abstimmung
AHV-Reform: Rentenklau oder Solidaritätspakt?

Bringt die AHV-Reform vielen Menschen Vor- oder den Frauen vor allem Nachteile? Diese Frage stand am AHV-Reform-Podium, zu dem die Mitte Frauen aus dem Thurgau und St.Gallen nach Bischofszell einluden, im Fokus.

Christof Lampart
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AHV-Reform und deren Auswirkungen auf die Frauen. Podium mit NR Ruth Humbel (Mitte, Aargau, pro) links und NR Barbara Gysi (SP, St.Gallen, contra).

AHV-Reform und deren Auswirkungen auf die Frauen. Podium mit NR Ruth Humbel (Mitte, Aargau, pro) links und NR Barbara Gysi (SP, St.Gallen, contra).

Bild: Donato Caspari (Bischofszell, 22. August 2022)

Über 50 Frauen und Männer fanden am Montagabend den Weg ins Rathaus Bischofszell, wohin die Mitte Frauen aus dem Thurgau und aus St.Gallen zum Info- und Diskussionsabend über die AHV-Reform eingeladen hatten, über die am 25. September der Souverän an der Urne befindet. Dabei kreuzten die Aargauer Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel und die St.Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi rhetorisch die Klingen.

Lücken schliessen und Renten stabilisieren

Ruth Humbel sprach sich für die AHV-Reform aus, weil diese, trotz der Vereinheitlichung des Referenzalters bei 65 Jahren für Mann und Frau und der Anhebung der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozent, zahlreiche Verbesserungen, insbesondere für Geringverdienende, und somit auch für viele Frauen, mit sich brächten. Humbel zählte, nebst den Ausgleichsmassnahmen für die Frauen der Übergangsgeneration, Punkte wie die Flexibilisierung der Pensionierung zwischen 63 und 70 Jahren und somit einen schrittweisen Übergang vom Erwerbsleben in den Altersrücktritt und Anreize für eine Erwerbstätigkeit über 65 Jahre hinweg, auf. Wer letzteres tue, könne so Rentenlücken schliessen. Für die Mitte-Politikerin ist die Reform zwar nicht der ganz grosse Wurf, doch gehe es darum, die AHV finanziell «zu stabilisieren». Tue man jetzt nichts, so käme es bis ins Jahr 2032 zu einer Finanzierungslücke von 18,5 Milliarden Franken – und das würde dann «allen massiv schaden».

Theoretischer «Rentenklau»

Kein Verständnis hatte Humbel für die Gegner-Kampagne, welche behauptet, dass den Frauen mit der AHV-Reform 26'000 Franken gestohlen würden. Tatsächlich sei nämlich das Gegenteil der Fall: dadurch, dass die Frauen heute früher Renten als Männer beziehen könnten und länger lebten, kassierten sie bereits heute durchschnittlich über 90'000 Franken mehr als die Männer. Somit sei die «Verlust»-Diskussion eine «theoretische», so Humbel, und erklärte: «Es kommt doch darauf an, wie viel ich im Monat zum Leben habe. Und da sind, bei der AHV, Männer und Frauen gleichgestellt. Wenn ich also bis zu meinem Tod Rente beziehe, reicht mir das. Man muss mir nicht ausrechnen, wie viel ich nach meinem Tod noch theoretisch bekäme.»

Gysi: AHV geht es besser als viele denken

Barbara Gysi räumte zwar ein, dass die AHV-Reform auch gute Seiten habe, beispielsweise die Flexibilisierung des Rentenalters, doch gehe es nicht an, das Frauen-Rentenalter zu erhöhen. Lieber sollte man allen Frauen die Rente erhöhen. Es sei nicht fair, wenn nur jene, die in die neun Jahre der sogenannten Übergangsgeneration fielen, eine gestaffelte, lebenslange Ausgleichszahlung von bis zu 160 Franken monatlich erhielten. Denn das Armutsrisiko sei bei vielen Frauen, die heute pensioniert würden, gross, da die Armutsgrenze heute bei 2749 Franken liege, sich die Maximalrente aber auf 2390 Franken belaufe. Geld für den Schritt sei genug vorhanden, denn «in den letzten Jahren waren die Einnahmenprognosen bei der AHV immer schlechter als die tatsächlichen Zahlen», so Gysi. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Zuwanderung in die Schweiz in den letzten Jahren intensiv war und somit auch viel mehr Menschen in die AHV eingezahlt hatten.