Der Verein Soziale Dienste Untersee und Rhein hat nach Turbulenzen in Steckborn die Aufgabe der sozialen Dienstleistungen übernommen. Die Unruhen waren damit aber noch nicht erledigt, die Umstellung hat einiges erfordert. Doch nun steht die Basis, sagt Geschäftsleiter Turi Schallenberg.
Der Verein hat seinen ersten Geburtstag gefeiert. Seit Januar des vergangenen Jahres hat sich beim neuen Verein Soziale Dienste Untersee und Rhein (SDUR) jedoch viel verändert. SDUR wurde anlässlich der Turbulenzen bei den Sozialen Diensten in Steckborn gegründet. An der Mitte Dezember durchgeführten Gemeindeversammlung in Steckborn hat jedoch Stadträtin Aleksandra Lindner beanstandet, dass der Verein unter anderem mit personellen und technischen Problemen kämpft.
Seit Mai ist Turi Schallenberg Geschäftsleiter der SDUR. Der SP-Kantonsrat ist insgesamt zufrieden, wie sich die Situation nach dem ersten Jahr zeigt. Er widerspricht der Kritik aus Steckborn und lobt die Gemeinde am Untersee sogar für ihre Arbeit mit der Berufsbeistandschaft. Denn, obwohl diese zum Tätigskeitsfeld von SDUR gehört, ist sie nach wie vor in Steckborn stationiert. «Das läuft dort sehr gut», sagt Schallenberg.
Er hat Mitte Mai mit dem Team für die Sozialhilfe und dem Case Management die neue Heimat des Vereins bezogen: die Villa Rosenheim an der Schlattingerstrasse in Diessenhofen.
SDUR befasst sich mit der Sozialhilfe, Berufsbeistandschaft und dem Case Management für die Gemeinden Basadingen-Schlattingen, Berlingen, Diessenhofen, Eschenz, Homburg, Schlatt, Steckborn, Mammern und Wagenhausen. Während des vergangenen Jahres war SDUR auch für Neunforn und Ermatingen zuständig, doch Schallenberg erklärt: «Die beiden Gemeinden haben nun eine geografisch passendere Lösung gefunden.»
Schallenberg hat Erfahrung im Sozialwesen, drei Jahre lang arbeitete der 57-Jährige in der Grossstadt Winterthur. Ausserdem ist er politisch aktiv, gehört zur SP Weinfelden. Politische Aktivitäten trenne er aber strikt von seiner Tätigkeit bei SDUR. Sein Büro hat der Geschäftsleiter im obersten Geschoss des denkmalgeschützten Hauses mit Jahrgang 1900 – mit Blick über Diessenhofen. «Wunderschön.»
Aber Zeit, die Aussicht zu geniessen, hatte er bisher kaum. Schallenberg blickt auf eine sehr intensive und anstrengende Zeit zurück. Der Geschäftsleiter erzählt: «Es war eine Herausforderung, die Daten der verschiedenen Gemeinden in ein System zusammenzuführen.» Man hatte alles nochmals durchschauen und nach einheitlichen Regeln digital einordnen müssen.
Zum Umzug, der Datenmigration und dem Tagesgeschäft kam die Flüchtlingssituation wegen des Ukraine-Kriegs. Auch wenn die Arbeit mit den Gemeinden gut ablief, sagt Schallenberg: «Dieses Ereignis hat sogar gefestigte Sozialdienste ins Wanken gebracht.»
Auch wenn Schallenberg eine rosige Zukunft für SDUR sieht – «schliesslich sind wir in der Villa Rosenheim» – gibt es Punkte, die es zu verbessern gilt. Der Verein zählt bislang 20 Angestellte, einige auch mit Erfahrung von den ehemaligen Sozialen Diensten Steckborn, Schlatt und Diessenhofen. Andere haben vom neuen Abenteuer SDUR abgesehen. Schallenberg geht davon aus, Gründe dafür sind viele Verletzungen aus den Geschehnissen im Vorfeld und die Unsicherheit, was mit dem neuen Verein auf einen zukommt.
Es besteht bei SDUR klar das Bedürfnis nach mehr helfenden Händen. Aber die Branche kämpft mit dem Fachkräftemangel und an dieser Stelle muss Schallenberg die Lage Diessenhofens als «eher suboptimal» bezeichnen:
«Die Jungen im Beruf suchen eher das Städtische und bezüglich des Lohngefüges verliert Diessenhofen gegenüber dem benachbarten Zürich.»
Der Geschäftsleiter hofft, mit mehr Arbeitskräften auch mehr Kapazität für die bestehenden Fälle aufbringen zu können. Die Sozialhilfe sei ein Beruf, der zwar abwechslungsreich ist, aber auch viel abverlangt. Schallenberg berichtet, dass er schon bedroht wurde und auch miterlebt hat, wie jemand damit drohte, sich selbst etwas anzutun.
«Man braucht in diesem Beruf zwar Empathie für das hilfesuchende Gegenüber, aber man muss reif sein und klare Grenzen ziehen können. Es gibt keine Sonderbehandlungen, auch wenn man das Leid der betroffenen Person oftmals deutlich sieht.»
Die Basis der SDUR steht, da ist sich Schallenberg sicher. Nun gilt es, sich um Details zu kümmern: «Die Prozessabläufe werden weiter definiert. Mein Ziel ist es, möglichst viel Einfachheit zu erreichen.» Es geht in naher Zukunft auch darum, möglichst bald den Personalmangel zu beheben. Denn Schallenberg wünscht sich, dass mehr Beratungen stattfinden können. Wichtig sei auch, die Finanzen auf einem gewissen Niveau zu festigen. Genaueres zu den Zahlen kann der Geschäftsleiter zwar noch nicht sagen, aber er blickt optimistisch in die Zukunft:
«Wir sind an einem ganz anderen Ort, als noch vor einem halben Jahr.»