Die St.Galler Mittelschulen sollen eine strengere Absenzenregelung erhalten. Auslöser für den Nachtrag zum Mittelschulgesetz sind die Klimastreiks. Für diese konnten Gymischülerinnen und -schüler bis anhin ein Urlaubsgesuch einreichen. Das soll künftig nur noch in Ausnahmefällen möglich sein.
An so manchem Freitagnachmittag war das Schulzimmer dürftig besetzt: Auch im Kanton St.Gallen folgten zahlreiche Schülerinnen und Schüler dem Vorbild Greta Thunbergs und gingen ab 2018 auf die Strassen, um sich für den Klimaschutz einzusetzen. Anfangs wurden dafür Absenzen bewilligt, später mussten die Schülerinnen und Schüler den Unterrichtsausfall mit einem Sozialeinsatz doppelt kompensieren. Jetzt wird eine Neuregelung der Absenzen an den Mittelschulen diskutiert. Tina Cassidy, Leiterin Amt für Mittelschulen, sagt:
«Es soll im Grundsatz nicht mehr möglich sein, an einem Klimastreik teilzunehmen und dafür eine entschuldigte Absenz zu erhalten.»
Generell sollen die Absenzenregeln an den St.Galler Mittelschulen neu und strenger ausgelegt werden. Teilnahmen an politischen Veranstaltungen sollen etwa kein Grund mehr für eine Absenz sein. Delia Schelb, eine Schülerin der Kantonsschule am Burggraben, kann das nicht nachvollziehen: «Damit macht man es Jugendlichen schwerer, sich politisch zu engagieren. Und sollten wir nicht genau das an der Kanti ausprobieren dürfen, um aufs Leben vorbereitet zu sein?» Elias Ruetsche, ebenfalls Schüler der Kantonsschule am Burggraben, findet auch:
«Grundsätzlich sollte es immer möglich sein, sich für politische Themen zu engagieren.»
Beide Lernenden argumentieren, dass die meisten freiwillig die Mittelschule besuchten und folglich selbst Verantwortung übernehmen könnten. Eine verschärfte Absenzenregelung würde dem entgegenwirken.
Ausnahmen bei der neuen Absenzenregelungen sollen laut Mitteilung der Regierung aber noch möglich sein: «Eine Absenz soll jedoch bewilligt werden können, wenn das politische Thema Gegenstand des fachlichen Unterrichts ist und die Veranstaltung den Unterricht nicht stört oder vereitelt oder instrumentalisiert.» Tina Cassidy gibt ein Beispiel: «Wenn im Unterricht etwa eine Abstimmung besprochen wird, kann weiterhin eine Podiumsdiskussion dazu besucht werden.»
Die strengere Absenzenregelung soll durch Joker-Halbtage ausgeglichen werden. Mit Annahme des Nachtrages würden Schülerinnen und Schüler der Mittelschulen neu zwei Halbtage zur Verfügung haben, während denen sie sich ohne Begründung vom Unterricht abmelden könnten.
Die neuen Regelungsvorschläge sind laut Regierung einer breiten politischen Vernehmlassung unterzogen und kontrovers aufgenommen worden. Es wurde mehrheitlich gewünscht, bei der geltenden Absenzenregelung zu bleiben, da der neue Vorschlag zu einengend sei, heisst es in der Mitteilung. Einige der Vernehmlassungspartner forderten hingegen, dass ideologisch begründete Urlaubstage auf jeden Fall abzulehnen seien und die vorgeschlagene Neuregelung daher nicht weit genug gehe.
Zusätzlich zur neuen Absenzenregelung diskutierte die Regierung auch einen Nachtrag für schulische Aktivitäten während der Schulferien. Dieser würde die Grundlage schaffen, um schulische Aktivitäten in den Schulferien besser zu planen und in die Schuljahresstruktur zu integrieren. Das betrifft etwa die Sprachaufenthalte, die zum einen Teil während der Schulzeit, zum anderen Teil während der Ferien stattfinden. Die Zeit, die die Lernenden während der Ferien in einem Sprachaufenthalt verbringen, können sie zurzeit kompensieren. Dies würde mit Annahme des Nachtrags nicht mehr möglich sein.
Die Regierung hat die zwei Nachträge aufgrund der weit auseinandergehenden Meinungen unverändert dem Kantonsrat überwiesen. Dieser wird die Vorlage voraussichtlich im Februar 2023 beraten. Die vorgeschlagenen Änderungen könnten somit ab dem Schuljahr 2023/24 in Kraft treten.