Ende Mai sollen zwei junge Bartgeier im Calfeisental ausgewildert werden. Mit diesem Zuwachs wären es deren acht im Sarganserland.
SARGANSERLAND. Erst waren es drei, dann sechs, und bald sind es acht: Ende Mai gesellen sich zwei Jungvögel zu den bereits im Calfeisental lebenden Bartgeiern. Während die beiden Frischlinge neues Terrain «betreten», haben sich die anderen Geier bereits eingenistet. Laut Daniel Hegglin von der Stiftung Pro Bartgeier fühlen sich die Tiere im Sarganserländer Gebirge sichtlich wohl. «Sie haben hier einen grossen Freiraum und genügend Nahrung. Dies nicht zuletzt, weil in dieser Region schon vor über hundert Jahren wieder Steinböcke angesiedelt wurden, deren Kadaver eine wertvolle Nahrung für Bartgeier sind», sagt Hegglin.
Noch sind sie nicht sesshaft. Noch verteidigen sie kein eigenes Territorium. Noch streifen sie quer durch die ganze Ostschweiz. Die Bartgeier «Kira», «Ingenius» und «Sardona», die 2010 ausgesetzt wurden sowie die Greifvögel «Tamina», «Madagaskar» und «Scadella», die im vergangenen Jahr ausgewildert wurden, sind zwar im Sarganserland heimisch geworden. Doch solange sie nicht geschlechtsreif sind, durchfliegen sie nach wie vor grosse Gebiete.
Nur deshalb ist die Auswilderung von zwei weiteren Bartgeiern am gleichen Standort im Calfeisental erst möglich: «In den ersten vier Jahren verteidigen die Greifvögel noch kein eigenes Revier. Die Jungvögel sind Opportunisten und fliegen immer da hin, wo es gerade viel Futter hat», sagt Hegglin.
Erst mit der Geschlechtsreife und der Paarung würden die Tiere immer sesshafter. «Erfahrungen mit Bartgeiern im Schweizerischen Nationalpark haben auch gezeigt, dass die Geier nicht so streng territorial sind wie beispielsweise Steinadler, die den gleichen Lebensraum teilen», sagt Hegglin.
Für Schlagzeilen sorgte das Bartgeiermännchen «Sardona», das während seiner ersten Probeflüge bis zur Nordsee und wieder zurück ins Sarganserland geflogen ist. «Das ist aber ein Ausnahmefall. Normalerweise umkreisen sie die Gebiete von hier bis in die Innerschweiz.» Nachwuchs wird es für die bald achtköpfige Greifvogelfamilie in naher Zukunft keinen geben: «Es dauert mindestens noch drei bis vier Jahre bei den sechs älteren und fünf bis sechs Jahre bei den beiden jüngeren Bartgeiern, bis sie geschlechtsreif sind.» Danach – so die Hoffnung – sollen aber die ersten Bartgeier im Sarganserland brüten. «Mit den bisherigen Jungvögeln sind bisher drei Männchen und drei Weibchen ausgesetzt worden. So hoffen wir, dass bis in einigen Jahren die wählerischen Bartgeier auch einen geeigneten Brutpartner finden», so der Experte.
Eine Flügelspannweite von nahezu drei Metern und ein Gewicht von bis zu sieben Kilogramm: Der Bartgeier ist einer der grössten flugfähigen Vögel der Welt. Die Auswilderung der Tiere sei deshalb nicht nur für die Stiftung von Interesse. «Auch die Öffentlichkeit verfolgt die Entwicklung der Bartgeier. Bei der Auswilderung – die voraussichtlich am 26. Mai stattfindet – sind mehrere hundert Interessierte vor Ort.» Für die Wiederansiedlung der Bartgeier setzt sich auch der WWF St. Gallen ein.