Kultur
Vor fast 100 Jahren gegründet – der Romanshorner Gesellschaft für Literatur, Musik und Kunst droht nun das Aus

In zwei Jahren feiert die Gesellschaft für Literatur, Musik und Kunst in Romanshorn ihr 100-jähriges Jubiläum. Dann tritt auch Vorstandsmitglied Christian Brühwiler zurück. Es könnte das Ende des Vereins sein.

Judith Schönenberger Jetzt kommentieren
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Ein «Klangreich»-Konzert Anfang 2020. Den Publikumsgeschmack habe er nie bedienen wollen, sagt Konzertveranstalter Christan Brühwiler.

Ein «Klangreich»-Konzert Anfang 2020. Den Publikumsgeschmack habe er nie bedienen wollen, sagt Konzertveranstalter Christan Brühwiler.

Bild: Markus Bösch

1925, in den goldenen Zwanzigern, wurde in Romanshorn die Gesellschaft für Literatur, Musik und Kunst (GLM) gegründet. Es gibt sie heute noch, doch mittlerweile ist sie aus dem Romanshorner Kulturleben «praktisch verschwunden», schreibt Vereinspräsident Paul Müller im neuesten Newsletter der GLM.

«Die Zeit dieser Kulturvereine ist schon länger vorbei», sagt Christian Brühwiler. Er ist im Vorstand der GLM und veranstaltet seit 16 Jahren die Konzertreihe «Klangreich» in der Alten Kirche Romanshorn. Ihm «gelingt es immer wieder, exzellente Künstlerinnen und Künstler nach Romanshorn zu bringen, die einer eingeschworenen Besuchergemeinde Abende herausragender Musik bescheren», schreibt Müller über ihn.

Die Vereinsarbeit kann «müde und hässig» machen

Christian Brühwiler, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Literatur, Musik und Kunst.

Christian Brühwiler, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Literatur, Musik und Kunst.

Bild: Thi My Lien Nguyen

Seit 25 Jahren ist Brühwiler im Vorstand der GLM. In drei Jahren – pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum des Vereins – legt er sein Amt nieder. «Das hat vor allem persönliche Gründe», sagt Brühwiler und nennt sein Alter von 66 Jahren.

Doch auch die Arbeitsbelastung sei ein Mitgrund:

«Es gibt sehr viele Aspekte, die man dem einzelnen Event glücklicherweise nicht anmerkt, aber das Agieren im kulturellen Biotop kann zuweilen müde und auch hässig machen.»

Es ist ein Rücktritt mit Vorlaufzeit. Brühwiler sagt: «Die Veranstaltungsreihe in der aktuellen Form wird es noch in dieser und nächster Saison geben.»

Unterstützung ist da, eine Nachfolge nicht

Wegen Brühwilers Rücktritt und des bevorstehenden Jubiläums stellt Vereinspräsident Müller auch das Weiterbestehen der Gesellschaft für Literatur und Musik in Frage. Er schreibt im Newsletter:

«Für den Vorstand sind das zwei Gründe, um sich über das Wie und Weiter des Kulturvereins Gedanken zu machen.»

Auch seien die Vorstandsmitglieder mehrheitlich «in die Jahre gekommen». Laut Brühwiler hat die GLM 200 zahlende Mitglieder, bei der letzten Jahresversammlung waren laut Protokoll lediglich 13 anwesend.

Für die Zukunft des Vereins habe der Vorstand verschiedene Szenarien entwickelt und «diese mit anderen Veranstaltern wie auch den städtischen und kantonalen Verantwortlichen für Kultur diskutiert». Dabei habe man zwar viel Unterstützung gespürt, aber:

«Neben viel Wohlwollen, zuweilen auch Erstaunen, dass eine Selbstauflösung in Erwägung gezogen wird, war bislang kein Interesse für eine Übernahme auszumachen.»

Deshalb gehe man jetzt an die Öffentlichkeit, um eine mögliche Nachfolge für den Verein zu finden, ergänzt Brühwiler.

Er wollte nie den Geschmack des Publikums bedienen

Der gebürtige Romanshorner weiss, was ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin mitbringen sollte:

«Gute Ideen, weil das kulturelle Angebot bereits gross ist und vor allem qualitative Akzente braucht. Ein Händchen fürs Organisatorische wäre auch nicht schlecht.»

Schade fände Brühwiler die Auflösung des Vereins nicht unbedingt: «Wenn dadurch Platz für Neues und Kreatives entsteht, sicher nicht. Es liegt ein Stück weit in der Natur der Sache, dass Kultur kein Selbstläufer ist und immer wieder neu angeeignet werden will.» Er sei schon lange der Überzeugung, dass das kulturelle Angebot regional konzipiert werden sollte.

Über seine Zeit als «Klangreich»-Veranstalter sagt Brühwiler: «Ich habe nie versucht, nur den Publikumsgeschmack zu bedienen, sondern auch vielfältige und anspruchsvolle Inhalte zu vermitteln und ein Publikum dafür zu finden. Das funktionierte mit dem ‹Klangreich›-Konzept in der Alten Kirche hervorragend.» Brühwiler erhielt für sein Engagement 2017 den Kulturpreis der Stadt Romanshorn.

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