«Das ist eine Riesenkatastrophe»: St.Galler Baumeister sind genervt, weil wegen eines Rechtsstreits weniger Aushubmaterial in die Deponie Tüfentobel geliefert werden darf

Trotz Baubooms sind die Baumeister der Region St.Gallen genervt. Für die Deponie Tüfentobel in Gaiserwald gibt es erneut Einschränkungen. Ausweichmöglichkeiten in der Umgebung gibt es so gut wie keine.

Daniel Wirth
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Die Deponie Tüfentobel in Gaiserwald kann nicht wie geplant aufgefüllt werden, weil ein Grundeigentümer ein Enteignungsverfahren vor das Verwaltungsgericht zieht.

Die Deponie Tüfentobel in Gaiserwald kann nicht wie geplant aufgefüllt werden, weil ein Grundeigentümer ein Enteignungsverfahren vor das Verwaltungsgericht zieht.

Michel Canonica

In der Stadt St.Gallen werden gegenwärtig Milliarden verbaut. Überall ragen Kranen in den Himmel. Überall wird gegraben, zum Teil tief wie unlängst beim Kantonsspital. Dabei gibt es tonnenweise Aushubmaterial, das abgeführt und entsorgt werden muss.

Doch dafür hat es im Kanton St.Gallen immer weniger Platz. Zwar ist der Kanton bemüht, neue Deponien zu schaffen, doch an vielen geeigneten Standorten geht es nicht voran. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.

Eine der grössten Deponien besteht seit den 1960er-Jahren im Tüfentobel in Gaiserwald. Betrieben wird sie von Entsorgung St.Gallen. Am Mittwoch teilte die Direktion Technische Betriebe mit, in der Deponie Tüfentobel sei der Weiterbetrieb nur stark eingeschränkt möglich.

Das ist eine Hiobsbotschaft für die Baumeister

Das ist eine Hiobsbotschaft für die Baumeister in der Region. Mario Bruderer, Geschäftsleiter der St.Galler Bruderer Bau AG, spricht von einer «Riesenkatastrophe». Seine hauptsächlich im Hochbau tätige Firma sei davon zwar nicht gleich stark betroffen wie Tiefbauunternehmen.

Eine verrückte Geschichte sei es alleweil. Bei jedem Aushub stelle sich die Frage: wohin mit dem Material? Bruderer ist nicht allein mit seiner Meinung.

Christoph Bärlocher, Geschäftsführer der Baugeschäft Bärlocher AG und CVP-Kantonsrat, sagt, die Situation verschärfe sich. Auch seine Firma ist im Hochbau tätig, weshalb ihn die erneute Einschränkung in der Deponie Tüfentobel nicht gleich heftig treffe wie seine Kollegen, die auf Tiefbau spezialisiert seien.

Christoph Bärlocher ist Bauunternehmer und CVP-Kantonsrat.

Christoph Bärlocher ist Bauunternehmer und CVP-Kantonsrat.

Urs Bucher

Bärlocher bringt’s auf den Punkt: Viele Ostschweizer wollten ein eigenes Heim, aber keine Deponie in dessen Nähe. Die Folge sei, dass es Ostschweizer Firmen gebe, die sauberen Aushub nach Österreich und Deutschland transportieren und dort deponieren müssten. Das sei ökonomisch und ökologisch ein Unsinn. Bärlocher sagt’s nicht als Vorwurf an seine Mitbewerber.

Bei der Hastag AG spricht man offen von einem «Desaster»

Eine dieser Firmen ist die HastagAG. Ihr Kerngeschäft ist der Tiefbau. Geschäftsführer Marcel Santeler sagt, die Situation mit den Deponien sei ein «Desaster». Er sehe sich gezwungen, sauberes Aushubmaterial in Österreich und Deutschland zu deponieren, wodurch enorme Kosten entstünden.

Noch weiter als Santeler geht Adrian Dieziger, Geschäftsführer des gleichnamigen St.Galler Tiefbauunternehmens. Er spricht von einer «psychischen Belastung», wenn er nicht wisse, wohin er sauberes Aushubmaterial liefern könne. Was jetzt in der Deponie Tüfentobel geschehe, komme einem Totalstillstand gleich.

Grundeigentümer wehrt sich gegen Enteignung

Um was geht es dort? 2003 genehmigte das Stadtparlament einen Kredit über 35,5 Millionen Franken für das Abschlussprojekt mit Zeithorizont 2030 bis 2035. Im genehmigten Kredit waren keine Entschädigungen der Grundeigentümer vorgesehen, da ein Dienstbarkeitsvertrag mit unentgeltlichem Auffüllrecht aus dem Jahr 1964 vorlag.

Erst rund zehn Jahre später ergaben Abklärungen, dass dieser Vertrag die Fläche des Abschlussprojekts 2003 nicht vollumfänglich abdeckt. Das Stadtparlament genehmigte 2017 nachträglich einen Kredit von 2,1 Millionen Franken für die Entschädigung der Grundeigentümer.

Doch einer von ihnen stellt sich seither quer. Die Stadt leitete ein Enteignungsverfahren ein. Gegen diese Enteignung wehrte sich der Grundeigentümer beim Kanton. Die Regierung entschied Ende August, die Enteignung sei zulässig. Diesen Entscheid zog der Grundeigentümer weiter ans Verwaltungsgericht, wie es im Communiqué der Stadt heisst.

Nicht das erste Mal wird eingeschränkt

Bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts bleibe der Deponiebetrieb stark eingeschränkt. In Absprache mit den kantonalen Behörden würden die Annahmekonditionen nach 2019 ein weiteres Mal verschärft.

Und: Leicht verschmutztes Material wird gar nicht mehr angenommen. Das sei ganz schlimm für die Tiefbauunternehmen, sagt Dieziger. Ihn tröstet auch die Ausweichmöglichkeit in Mörschwil nur gering.

«Dort können wir bei Regen nicht anliefern», sagt er. Es müsse ausgewichen werden in die Region Bischofszell oder Wil. Auf den Kosten für die viel weiteren Transporte bleibe er sitzen.

Der Begriff «Deponie» ist der Sache nicht dienlich

Dieziger und Santeler sind in der Fachgruppe Deponieplanung des Kantons St.Gallen. Dieziger sagt, die Fachstellen des Kantons und die Gemeindepräsidenten seien für das Einrichten neuer Ablageflächen für sauberes Aushubmaterial. Er spricht bewusst nicht von «Deponien». Denn er glaubt, der Begriff sei negativ konnotiert.

Stadtrat Peter Jans.

Stadtrat Peter Jans.

Michel Canonica

Stadtrat Peter Jans, Vorsteher der Direktion Technische Betriebe, versteht, dass die Situation für die Baumeister der Region St.Gallen unangenehm ist. Zumal eine Erweiterung der Deponie Tüfentobel wegen des Rechtsstreits auf Eis gelegt werden musste.