Hinterlistig
Attacke bei der Kellen-Grillstelle in Tübach: Rabenkrähen klauen Kindern Bratwürste vom Teller

Für einen kurzen Moment nicht hingeschaut und schon ist die Wurst weg. So passiert diese Woche bei einer der Grillstellen in der regionalen Freizeitanlage in Tübach, wo Rabenkrähen nur darauf warten, Fleischleckerbissen von den Tellern zu stibitzen. Beim betroffenen Vereinsanlass wurden gar die Würste knapp.

Rudolf Hirtl
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Es dauert keine zwei Minuten und schon holt sich auf der «Kellen» eine der Krähen eine halbe Bratwurst ...

Es dauert keine zwei Minuten und schon holt sich auf der «Kellen» eine der Krähen eine halbe Bratwurst ...

Bild: Rudolf Hirtl

Es ist ein strahlend schöner Sommertag, der vergangene Dienstag. Statt in der heissen Turnhalle zu schwitzen, treffen sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene des Judoclubs Tadashi Goldach in der regionalen Freizeitanlage in Tübach zu ihrem alljährlichen Sommerfest. Dort wird der Grill angemacht und Bratwürste, Cervelats, Cornburger und Schlangenbrot brutzeln über der Glut. Schon bald steigt der unverwechselbare Duft vom Grillgut in die Luft.

Das bleibt auch einigen Rabenkrähen nicht verborgen, die das Geschehen bei der oberen Grillstelle, einen Steinwurf von der grossen «Rakete»-Rutschbahn entfernt, aufmerksam beäugen. Ehe sich die Mädchen und Buben Würste und Brot schmecken lassen, steigen sie für ein Teambild auf den Kletterwürfel. Als der Gruppenleiter auf den Auslöser drückt, kreischen ein paar der Kinder und zeigen auf einen der Tische bei der Feuerstelle.

... und fliegt damit zu den nahen Bäumen.

... und fliegt damit zu den nahen Bäumen.

Bild: Rudolf Hirtl

Erfolg ermutigt die wurstfressenden Vögel

Eine Rabenkrähe ist darauf gelandet und nutzt den kurzen Moment aus, bei dem das Grillgut unbewacht ist, zerhackt eine der Bratwürste und fliegt mit der einen Hälfte davon. Zwei Flügelschläge später kommt eine zweite Rabenkrähe und schnappt sich die andere Hälfte der Bratwurst. Das Brot lassen sie achtlos links liegen.

Der freche Wurstklau führt dazu, dass zwei Kinder, die sich auf eine echte St.Galler Bratwurst gefreut haben, etwas zerknirscht in Cervelats beissen müssen. Die Würste müssen fortan geschützt werden, denn die Vögel probieren ihr Glück ohne Scheu wieder, sobald ihnen der Rücken zugekehrt wird.

Ein einmaliger, zufälliger Vorfall? Der Schreibende will es genauer wissen und platziert einen Tag später Bratwurst und Brot an derselben Stelle auf einen Teller. Es dauert keine zwei Minuten, ehe die beiden Rabenkrähen auftauchen und sich die Beute abermals teilen.

Martina Schybli, Fachmitarbeiterin Öffentlichkeitsarbeit bei der Vogelwarte Sempach.

Martina Schybli, Fachmitarbeiterin Öffentlichkeitsarbeit bei der Vogelwarte Sempach.

Bild: PD

Laut Martina Schybli, Mediensprecherin der Schweizerischen Vogelwarte Sempach, haben Rabenkrähen ein breites Nahrungsspektrum und fressen sowohl pflanzliche als auch tierische Kost. «Altvögel fressen im Frühling und Sommer hauptsächlich tierische Nahrung, insbesondere Regenwürmer und Insekten. Ab Spätsommer nimmt der Anteil an tierischen Bestandteilen ab und der Anteil an pflanzlichem Material (Früchte, Beeren, Nüsse, Getreidekörner) zu.»

Vögel profitieren von der Nähe zum Menschen

Aufgrund ihres breiten Nahrungsspektrums und ihrer Anpassungsfähigkeit bzw. Cleverness ist die Rabenkrähe gemäss der Fachfrau zu einem Kulturfolger geworden. In unserer Gesellschaft fände die Rabenkrähe vielerorts Nahrung, in den Siedlungen beispielsweise Speisereste, Komposthaufen und andere Abfälle. Die Rabenkrähe profitiere demnach auch von der Nähe zum Menschen.

Ist so ein Fressverhalten wie beim Grillplatz der Vögel bekannt, ist es normal? Wie andere Vögel zeigen laut Martina Schybli auch Rabenkrähen in der Regel eine gewisse Scheu vor dem Menschen. Erklärend fügt sie an: «Sie sind allerdings clever, beobachten genau und lernen schnell, wo es ‹was zu holen› gibt. Ergibt sich eine gute Gelegenheit, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die Vögel die Gunst der Stunde nutzen und sich etwas vom Tisch klauen. Von solchen Vorkommnissen hören wir aber nur selten.»

In manchen Fällen dürfte das Verhalten auch «anerzogen» sein, beispielsweise, wenn eine Rabenkrähe an einem Ort immer wieder gefüttert werde. Denkbar ist laut Martina Schybli auch ein fehlgeprägter Vogel:

«Leider kommt es immer wieder vor, dass junge Rabenkrähen von Privatpersonen aufgezogen werden.»

Dabei könne es vorkommen, dass eine Prägung auf den Menschen stattfinde, da der Mensch-Vogel-Kontakt zu intensiv sei und da für den Jungvogel keine oder nicht ausreichende Sozialkontakte zu anderen Rabenkrähen bestünden. Solche Vögel würden später keine oder nur eine reduzierte Scheu zeigen. Die Fachfrau betont denn auch, dass zu früh aus dem Nest gefallene Rabenkrähen (oder auch Elstern) immer in eine Pflegestation gebracht werden sollten.

Proteinreiche Nahrung ist bei den Vögeln beliebt

Und wieso fressen die Vögel die Wurst, verschmähen aber das Brot? Schybli: «Fleisch ist proteinreich und daher bei Rabenkrähen beliebt – gerade jetzt im Frühsommer fressen Altvögel ja häufig tierische Kost.
Denkbar ist auch, dass die Wurst für die Jungvögel bestimmt war, denn junge Rabenkrähen brauchen praktisch ausschliesslich frische, tierische Nahrung.»

Ob eine solche unbeabsichtigte «Fütterung» zu aufdringlichem Verhalten führen kann, wenn nicht gefüttert wird, ist laut Martina Schybli schwer zu sagen: «Handelt es sich um eine unbeabsichtigte ‹Fütterung› im Sinne einer für den Vogel günstigen Gelegenheit und um Einzelfälle, so ist nicht davon auszugehen, dass daraus ein auffälliges Verhalten resultiert.»

Wenn allerdings Rabenkrähen an einem Ort immer wieder gefüttert würden, so sei es denkbar, dass die Vögel lernten, dass es bei Menschen oder zumindest am betreffenden Ort etwas zu holen gebe. Es könne daher sein, dass sie sie ihre Scheu teilweise ablegen.

Essen wie hier unbeaufsichtigt zu lassen, ist bei der regionalen Freizeitanlage Tübach nicht zu empfehlen.

Essen wie hier unbeaufsichtigt zu lassen, ist bei der regionalen Freizeitanlage Tübach nicht zu empfehlen.

Bild: Rudolf Hirtl

Krähe als Star auf Facebook

Rabenkrähen sind die Einsteins der Vogelwelt und gehören zu den intelligentesten Tieren überhaupt. Zoologen schätzen, dass ihre Intelligenz nur knapp unter der von Menschenaffen liegt. Krähen rutschen auf dem Rücken schneebedeckte Dächer herunter, legen Nüsse zum Knacken auf Kreuzungen, reiten auf Wildschweinen und picken in Autoreifen, um sich die Luft ins Gesicht blasen zu lassen.

Die Krähe Canuck war im kanadischen Vancouver sogar ein Star und vielleicht die frechste Krähe der Welt; mit eigenem Facebookkanal – versteht sich. Wie der «Vancouver Courier» berichtete, waren Beamte ausgerückt, weil ein Auto in Flammen stand. Als die Sicherheitskräfte eintrafen, entdeckten sie einen Mann mit einem Messer in der Hand, das in der Folge zu Boden fiel.

Canuck flog in die abgeriegelte Zone, hob das Messer mit dem Schnabel auf und flog damit davon. Etwa sechs Meter vom Tatort entfernt liess der Vogel das Objekt dann fallen. Der Vogel hatte schon zuvor «Ärger» mit der Polizei, als er in ein Polizeiauto flog und einen Buchstaben aus der Tastatur eines Laptops klaute.