St.Gallen
Techno, Vogelgezwitscher und Artenschutz: DJ Dominik Eulberg macht Naturgeräusche zu Musik

Dominik Eulberg spielt am Samstag ein dreistündiges DJ-Set im Club Ostklang am Bohl. Vor dem Rave referiert der studierte Ökologe über Biodiversität und Artenschutz im Botanischen Garten St.Gallen.

Sandro Büchler Jetzt kommentieren
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Dominik Eulberg steht als DJ nicht nur viel hinter den Plattentellern, sondern ist auch viel in der Natur. Sie ist seine Inspirationsquelle.

Dominik Eulberg steht als DJ nicht nur viel hinter den Plattentellern, sondern ist auch viel in der Natur. Sie ist seine Inspirationsquelle.

Bild: PD

Dominik Eulberg ist ein Tausendsassa. Bei all den Engagements könnte man meinen, dass der 43-Jährige nur nebenberuflich DJ ist. Er ist Biologe, Ornithologe, Buchautor, kreiert Brettspiele. In Bonn studierte Eulberg Ökologie mit Schwerpunkt Naturschutz. Er komponiert Musik für Kino- und Dokumentarfilme und ist Gastwissenschaftler am Museum für Naturkunde Berlin.

Zudem ist der umtriebige DJ Fledermausbotschafter des Naturschutzbunds Deutschland, organisiert Exkursionen, hält Vorträge. «Die Natur ist immer spannend – auch im Winter», sagt Eulberg.

«Gerade jetzt ziehen die Gänsesäger von ihren Brutgebieten in Skandinavien nach Mitteldeutschland, wo sie überwintern.»

Auf einem seiner Streifzüge hat der Naturschützer kürzlich bei kühlen Temperaturen stundenlang neben den Entenvögeln rund 8000 Kraniche beobachtet.

Doch in erster Linie ist Eulberg Techno-DJ und Produzent. Am Samstag ab Mitternacht spielt er im Club Ostklang am Bohl in St.Gallen ein dreistündiges Set. Vier Stunden zuvor, um 20 Uhr, referiert der Deutsche jedoch im Botanischen Garten – zu Biodiversität, Arten- und Klimaschutz und wie die Natur in seine Musik einfliesst.

Ultraschall von Fledermäusen in Musik umgewandelt

Denn bei Dominik Eulberg ist alles immer mit der Natur verbunden. Er wächst ohne Fernseher im Westerwald, einem flachen Gebirgszug zwischen Köln und Frankfurt am Main, auf.

«Für mich war die Natur der Plattenspieler.»

Flora und Fauna faszinieren ihn, sein Studienweg ist vorgezeichnet. Er beobachtet tagelang Fischotter und Schwarzstörche. Eulberg beginnt, das Gezwitscher von Vögeln aufzuzeichnen, bestimmt so die Art. Gleichzeitig entdeckt er elektronische Musik für sich. «Techno geht deshalb durch Mark und Bein, weil der Takt mit dem Herzschlag korreliert, den man als Kind im Mutterleib hört.»

Dominik Eulberg taucht in die Natur ein, genauso wie in die Musik.

Dominik Eulberg taucht in die Natur ein, genauso wie in die Musik.

Bild: PD

Ab 1993 mixt der DJ seine beiden Leidenschaften – Techno und Vogelstimmen. Wird damit europaweit bekannt. Als Öko-DJ wird er bezeichnet, sein Sound als Biotechno. Doch irgendwann langweilt Eulberg das Vogelgezwitscher. «Ach, der mit den Vogelstimmen, hiess es dann immer öfter.»

Heute ist die Natur zwar weiterhin Eulbergs Inspirationsquelle, inzwischen kombiniert er aber Natur und Musik umfassender. So hat er beispielsweise die Ultraschallwellen von Fledermäusen in hörbare Töne umgewandelt und zu Ambient-Musik verwandelt.

Auf seinem zuletzt erschienenen Album «Mannigfaltig» sind zwölf Songs, jeder ist einer heimischen Tierart mit einer Zahl im Namen gewidmet: Das geht von der Eintagsfliege über den Dreizehenspecht, der Sechslinienbodeneule (ein Nachtfalter), dem Siebenschläfer und dem Neuntöter (ein Singvogel) bis hin zum Zwölfpunkt-Spargelkäfer. «Ich ging raus und habe versucht, die Aura der Tiere aufzusaugen und die Emotionen in Songs umzumünzen.»

Das Cover des 2019 erschienenen Albums «Mannigfaltig».

Das Cover des 2019 erschienenen Albums «Mannigfaltig».

Bild: PD

St.Gallen statt Buenos Aires

Bei all seinem Handeln gehe es ihm darum, das kindliche Staunen für die Natur wieder zum Leben zu erwecken, das vielen abhandengekommen sei, sagt Eulberg.

«Da existiert eine Welt der Wunder draussen und wir schauen in viereckige Kisten und fahren mit viereckigen Kisten herum.»

Während der Politkosmos für Klimaschutz und mehr Grün in der Stadt kämpft, versucht Eulberg, die Natur lustvoll und niederschwellig an Mann und Frau zu bringen. «An einem Rave erreicht man so ganz viel mehr als nur die politischen Menschen.»

Denn die Natur ist bedroht, sagt der DJ. «Niemals zuvor verschwanden so viele Tier- und Pflanzenarten in so kurzer Zeit wie heute. Eine intakte Biodiversität ist jedoch auch eine Überlebensversicherung für uns und kommende Generationen.» Eulbergs Mantra: «Wir können nur das schützen, was wir kennen und schätzen.»

Dominik Eulberg bei einem Auftritt nahe Paris.

Dominik Eulberg bei einem Auftritt nahe Paris.

Bild: PD

Doch wie passt sein Ökogedanke und die Fotovoltaikanlage auf seinem Dach mit dem Jetset-Leben eines DJs zusammen? Gerade ist Eulberg von einem Auftritt in London zurückgekehrt. «Ich bin kein Dogmatiker. Es braucht Kompromisse. Nach Grossbritannien bin ich geflogen.»

Aber sonst reist er mit dem Zug. «Wenn ich zwei Auftrittsmöglichkeiten habe, eine in Buenos Aires und die andere in St.Gallen, dann entscheide ich mich gegen den Interkontinentalflug und für St.Gallen.» Er sehe sich als regionalen DJ.

Schmetterlinge und Eisvögel sind seine Lieblingstiere

Im Telefongespräch wird immer wieder erkennbar, wie umfassend Eulbergs Wissen ist. Er spricht von tönenden Pilzen, Fortpflanzung, animalischen Orgasmen und den überbordenden Farben von Schmetterlingen. Diese sind seine Lieblingstiere – neben dem Eisvogel.

«Obwohl ich den Vogel schon tausendmal gesehen habe, jubiliert mein Herz stets aufs Neue, wenn ich sein prächtiges Federkleid erblicke.»

Dann spricht Eulberg vom Rotkehlchen. «Der Gesang dieses Vogels ist so virtuos, das könnte man auf einem Klavier gar nicht nachspielen.» Und Musik gebe es nicht erst seit Beginn der Menschheit. Denn während der Homo sapiens ungefähr seit 200'000 Jahren existiert, leben Vögel schon seit rund 150 Millionen Jahren auf der Erde. Eulberg folgert: «Musik war schon vor dem Menschen da.» Die Natur sei eben die grösste Künstlerin von allem.

Hinweis

Referat von Dominik Eulberg über Biodiversität und Fragestunde am Samstag, 13. November 2021, ab 20 Uhr im Botanischen Garten St.Gallen; Rave ab 24 Uhr im Ostklang, Bohl 9. Weitere Informationen hier.

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