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Ostschweiz
Abacus, Abraxas und die 69 angeklagten Gemeinden haben sich in einem Vergleich geeinigt. Die IT-Aufträge der vier grössten St. Galler Gemeinden werden neu ausgeschrieben.
Lange wurde gestritten, jetzt hat man sich geeinigt. Die Klage des Wittenbacher Softwareunternehmens Abacus gegen 69 St. Galler Gemeinden endet mit einem aussergerichtlichen Vergleich. Die IT-Aufträge der vier grössten Gemeinden St. Gallen, Rapperswil-Jona, Wil und Gossau werden bis spätestens im ersten Quartal 2019 neu ausgeschrieben. Der Betrieb der neuen Finanz-, HR- und Lohnapplikationen verbleibt so oder so bei der Abraxas – unabhängig davon, ob nun Abacus oder ein anderer Anbieter die Software liefert.
Abraxas heisst die neue Firma, die jüngst aus der Fusion der Verwaltungsrechenzentrum AG St. Gallen (VRSG) und der Abraxas Informatik AG hervorgegangen ist. 69 St. Galler Gemeinden hatten beim VRSG eine neue Finanzsoftware in Auftrag gegeben. Daran stiess sich Abacus. Sie warf den Gemeinden vor, sie hätten die Kosten für die IT-Aufträge zerstückelt, um unter dem Schwellenwert für die öffentliche Ausschreibung zu bleiben.
Die einstigen Kontrahenten, beides in St. Gallen beheimatete IT-Schwergewichte, haben sich angenähert. Gestern kündigten die beiden Unternehmen eine Kooperation an. «Diese Ankündigung steht nicht in direktem Zusammenhang mit dem Vergleich zwischen Abacus, Abraxas und den Gemeinden», betont Markus Kaufmann, Kommunikationschef bei Abraxas. Den Vergleich will er nicht kommentieren. Dabei handle es sich in erster Linie um einen Rechtsstreit zwischen Abacus und den Gemeinden. Die Initiative des St. Galler Finanzdirektors Beni Würth, der den Dialog zwischen den IT-Unternehmen im vergangenen Sommer angestossen hatte, und eine neue wirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens seien ausschlaggebend für die Annäherung von Abraxas und Abacus, so Kaufmann. Die VRSG ist mit der Fusion zur neuen Abraxas auf einen Schlag grösser geworden. «Wir haben einen gesamtschweizerischen Anspruch», sagt Kaufmann. «Die Zusammenarbeit erfolgt unabhängig davon, ob sich die vier grössten St. Galler Gemeinden nun für oder gegen die Abacus entscheiden.» Für Abraxas-Kunden könne eine Ergänzung mit Abacus-Lösungen interessant sein.
Die Abraxas-Fusion brachte mit dem neuen CEO Reto Gutmann nicht zuletzt eine neue Dialogbereitschaft mit sich. Das sagt auch Daniel Senn, Mitglied der Abacus-Geschäftsleitung. Wie eng die Zusammenarbeit mit Abraxas ausfällt, lässt er allerdings offen. «Das hängt nicht zuletzt davon ab, ob wir den Zuschlag in den vier grossen St. Galler Gemeinden erhalten.» Mit dem nun erlangten Vergleich habe Abacus ihr ursprüngliches Ziel erreicht, nämlich die Neuausschreibung der IT-Aufträge in den grössten St. Galler Gemeinden. Ein Wehmutstropfen bleibe trotzdem: «Um Marktgerechtigkeit zu erreichen, mussten wir über eine Million Franken Anwalts- und Gerichtskosten investieren. Jetzt heisst es: Zurück auf Feld eins.»
Im Vergleich zwischen Abacus, Abraxas und den Gemeinden sind keine Ausgleichszahlungen vorgesehen. Jede Partei trägt die Kosten für die Rechtsvertretung selber. Die Verfahrenskosten werden gedrittelt.
«Abacus und Abraxas sind zwei IT-Schlüsselunternehmen im Kanton St.Gallen», sagt Daniel Senn. «Die Zusammenarbeit zwischen uns und Abraxas stärkt nicht zuletzt auch den IT-Cluster St. Gallen als Ganzes.»
Dem pflichtet Finanzdirektor Beni Würth bei. «Standortpolitisch war der Rechtsstreit mit Abacus sicherlich nicht von Vorteil. Gerade auch im Hinblick auf unsere IT-Offensive.» Und die bis anhin blockierten Gemeinden – mit Ausnahme der vier grossen Städte – könnten ihre IT-Projekte nun vorantreiben. Bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand steht immer wieder der Vorwurf der Zerstückelung im Raum. Die Regierung sei bestrebt, im öffentlichen Beschaffungswesen auf vermehrte Transparenz hinzuarbeiten, so Würth. «Die Idee wäre, dass künftig auch freihändig vergebene Aufträge auf der Internetplattform ‹Simap› veröffentlicht werden.» Es sei hingegen wenig sinnvoll, alle Aufträge der öffentlichen Hand zu publizieren. Einige der Aufträge seien dafür schlicht zu klein.