Gastronomie und Hotellerie sind im besonderen Masse vom anhaltenden Fachkräftemangel betroffen. Grund genug für Toggenburg Tourismus, das diesjährige Forum «Tourismusplattform Toggenburg» dem Thema zu widmen.
Die «Tourismusplattform Toggenburg» in der Propstei Alt St.Johann fand am vergangenen Donnerstag zum ersten Mal als öffentliche Veranstaltung statt. Zuvor war das jährliche Forum von Toggenburg Tourismus dem Fachpublikum vorbehalten. Die Öffnung zeigte, wie zentral das Thema Fachkräftemangel für alle Branchen ist – neben Touristikunternehmen fanden sich unter den gut 40 Teilnehmenden auch Handwerksbetriebe, Stiftungen und Handelsunternehmen.
Um die Gespräche zwischen den unterschiedlichen Teilnehmenden anzustossen, lud Toggenburg Tourismus Christian Zinn ein. Er leitet seit 2020 das Hotel Schweizerhof in Lenzerheide. Zurzeit gäbe es auch in der Hotellerie viele offene Stellen zu besetzen, aber nur einen kleinen Pool geeigneter Fachkräfte. «Wohin sind die Fachkräfte verschwunden?», fragte er in seinem Input-Referat. Eine Antwort lieferte er indirekt gleich selbst:
«Wir müssen uns bewusst sein, wir können nicht gegen neue Arbeitsgewohnheiten ankämpfen.»
Es habe immer noch genug junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Aber die heutigen Fachkräfte hätten andere Ansprüche als noch seine Generation oder diejenige der Babyboomer, so der 40-Jährige. Damit würden die üblichen Arbeitsverhältnisse in Gastro und Hotellerie unattraktiv. Als Arbeitgeber habe man also die Wahl:
Entweder wettere man gegen diese junge Generation mit ihren Wünschen nach Teilzeitarbeit, Vier-Tage-Woche, Kinderbetreuung und so weiter. «Oder aber man wandelt sich selbst und lernt diese Generation zu verstehen.» Natürlich müsse man auch Grenzen setzen, damit die Qualität gehalten werden könne. Aber blosser Widerstand sei nicht zielführend, sagte Christian Zinn.
Selbst bietet der Schweizerhof keine Vier-Tage-Schichten an. Ein anderer Gast von Toggenburg Tourismus hingegen schon: Philipp Schneider, Geschäftsführer der «Krone» in Mosnang, stand als Gesprächspartner für eine Diskussionsrunde zur Verfügung. Die «Krone» lässt seit dreieinhalb Jahren den Angestellten die Wahl, ob sie statt einer gewohnten Arbeitswoche nicht lieber vier Tage à 10,5 Stunden arbeiten und drei Tage frei haben möchten:
«Ich sage immer, bei uns im Toggenburg und in unserem Gasthaus ist das möglich. Vielleicht nicht überall sonst, aber hier.»
Er habe mit den Mitarbeitenden einen Weg finden wollen, die Attraktivität seines Betriebs zu halten, erzählte Schneider. Wie könnte man Hektik und Stress fürs Personal reduzieren, und gleichzeitig hohe Qualität gewährleisten? Gemeinsam mit den Mitarbeitenden habe er dann Aufgaben gesammelt, die sich mit einer längeren Tagesarbeitszeit besser erledigen lassen könnten. «Dinge, die man sonst husch-husch nebenbei macht.»
Die «Krone» sei damals gerade mit einer modernen Küche ausgestattet worden und man habe ein neues Gästehaus eröffnet. Das mache das Experiment wahrscheinlich nicht repräsentativ für einen Grossteil anderer Gasthäuser, erklärte Philipp Schneider. Besonders die Küche habe die Möglichkeit eröffnet, Vorarbeiten während des Nachmittags zu leisten.
Er habe die Vier-Tage-Woche eigentlich zuerst zwei Monate testen wollen. Jedoch:
«Bereits nach zwei Wochen sagten alle, die das Modell ausprobierten, ich soll schon mal bis Ende Jahr durchplanen.»
Auch aus Geschäftsleitersicht habe sich das Experiment gelohnt, führte Schneider aus. Sein Gasthaus habe die Qualität nicht nur halten, sondern verbessern können. Sie könnten jetzt durchgehend eine warme Küche anbieten, der Personalbestand sei stabil geblieben. Nicht zuletzt habe sich die Vier-Tage-Woche als kostenneutral herausgestellt.
«Mein Vater war während der Planungsphase sehr, sehr skeptisch», sagte Philipp Schneider zum Schluss, und nahm damit direkten Bezug zu Christian Zinns Ausführungen über Unterschiede zwischen den Generationen. Dann lachte Schneider. «Jetzt sagt er, das hätten wir schon viel früher machen müssen.»
Im April dieses Jahres führte das Wattwiler Elektrik-Unternehmen Bichler + Partner ebenfalls die Vier-Tage-Woche ein. Guido Landert, Leiter HR & Administration, erklärt auf Anfrage: «Es ist eine weitere Möglichkeit für unsere Mitarbeitenden, kein Ersatz.» Man prüfe gemeinsam mit dem oder der Angestellten, ob das Modell individuell in Frage käme, oder ob zum Beispiel Teilzeitarbeit eine Option wäre. Zurzeit arbeiten vier Mitarbeitende in einer Vier-Tage-Woche. «Aber weitere Mitarbeitende überlegen es sich gerade, zu wechseln», so Landert. (ser)