Für einmal suhlen sich die Frauenfelder Open-Air-Besucher im Schlamm. Wird jetzt «Grauenfeld» noch vor «Schlammgallen» in den Duden aufgenommen? Eher nicht.
Wer jetzt glaubt, dass das untenstehende Schlammfoto aus dem St.Galler Sittertobel stammt, irrt. Reto Martin, Fotograf der «Ostschweiz am Sonntag», hat es tatsächlich in der Frauenfelder Allmend geknipst, am grössten Hip-Hop-Festival Europas. Just in dem Moment, als sich ein Open-Air-Gänger samt Kleidern, Sneakers und Stirnband mitten in die Pfütze wirft (Bild). Schaulustige halten das kleine Spektakel abseits der Geschehnisse auf den Konzertbühnen auf ihren Smartphones fest. Gelächter.
Jetzt fragt sich der St.Galler womöglich: «Was ist daran aussergewöhnlich?» Eine Schlammschlacht sind sich die hip-hopaffinen Besucher des Open Air Frauenfeld im Gegensatz zu den Besuchern des St.Galler Pendants im Sittertobel aber schlicht nicht mehr gewohnt, vor allem die Jüngeren unter ihnen.
Als sich vor vier Jahren auf der Frauenfelder Allmend das letzte Schlammjahr ereignete, befanden sich einige der heutigen Besucher noch in der vorpubertären Phase. Eine Boulevardzeitschrift denunzierte die Thurgauer Kantonshauptstadt damals als «Grauenfeld», die Empörung und der Aufschrei waren riesengross.
Die Geschehnisse von damals sind in der heutigen schnelllebigen Zeit schon fast aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Dazwischen war Petrus der Hip-Hop-Welt immer hold: Er zeigte sich stets von seiner Sonnenseite, während es eine Woche davor am Open Air Schlammgallen jeweils aus Kübeln geschüttet hatte.
Tempi passati. Der Wind hat in den vergangenen zwei Wochen gedreht. Verkehrte Welt. Während im Sittertobel die Eisbeutel wegen der Hitze wie warme Weggli über den Ladentisch gegangen waren, schiffte es in Frauenfeld. Mit Schlammsaugern und Holzschnitzeln versuchten die Helfer zu retten, was zu retten war.
Einzig der junge Hip-Hop-Fan mit weissem Stirnband kam ihnen zuvor. Herzchen auf Instagram und Facebook sind ihm garantiert.
Ob die jüngste meteorologische Entwicklung zwischen St. Gallen und Frauenfeld künftig anhalten wird, steht in den Sternen. Zumindest der letzte Konzerttag am Open Air Frauenfeld gestern Samstag hat darauf hingedeutet, dass die verkehrte Welt wieder zur Ordnung zurückfindet, zumindest für alle Frauenfelder.
Ein Regentag muss reichen für die schadenfreudigen Sprüche aus der Gallusstadt. Spätestens in einem Jahr werden die alten Verhältnisse wiederhergestellt. Basta.
Denn eigentlich sind doch die Schlammspringer im Sittertobel viel geübter als die verweichlichten und verwöhnten Hip-Hop-Fans. Wetten, dass «Schlammgallen» zuerst, und somit noch vor «Grauenfeld», im Duden Aufnahme findet?